Goslar. .
Wer betrunken am Steuer erwischt wird, begeht eine Straftat - aber erst ab 1,1 Promille. Wer gekifft hat, begeht dagegen nur eine Ordnungswidrigkeit. Das kann der Gesetzgeber so nicht gewollt haben.
Berauscht nach einer langen Partynacht oder zugedröhnt nach dem Treffen bei Freunden - unter Drogeneinfluss setzen sich immer häufiger Autofahrer ans Steuer. Die Konsumenten von Haschisch, Kokain, Ecstasy und Co stellen im Straßenverkehr ein hohes Risiko dar, kommen bis jetzt aber vergleichsweise glimpflich davon. Wer unter der Wirkung illegaler Drogen am Steuer erwischt wird, begeht aus juristischer Sicht meist nur eine Ordnungswidrigkeit und muss ein Bußgeld bezahlen. Eine Alkoholfahrt dagegen wird ab 1,1 Promille als Straftat betrachtet und geahndet. Inwieweit härtere Strafen auch für Drogenkonsumenten rechtlich möglich sind, darüber beraten rund 400 Experten beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar.
Die Fachleute sind sich schon jetzt darüber einig: Die Probleme mit Drogenkonsum im Straßenverkehr nehmen zu. Während die Zahl der Alkoholdelikte nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes von 2004 bis 2009 um 22 Prozent abgenommen hat, legte die Zahl der Drogenfahrten in diesem Zeitraum um über 20 Prozent zu. 2009 verzeichnete die Behörde knapp 30.000 Drogenverstöße im Straßenverkehr.
Ungleichbehandlung von Alkohol- und Drogenmissbrauch
„Dies zeigt, dass zwar die Bekämpfung von Alkoholfahrten erfolgreich ist, aber das Problem der Drogenfahrten dringend gesteigerter Anstrengungen bedarf“, sagt der ADAC-Jurist Markus Schäpe. Er kritisiert, dass Alkohol- und Drogenfahrten ungleich behandelt werden. Dabei geht es besonders um Restmengen von Drogen oder Alkohol im Blut des Fahrers.
„Wer am Abend besoffen war und am nächsten Morgen Auto fährt, der kriegt rechtlich gesehen Ärger nach seiner Promillezahl, die er noch hat“, sagt Schäpe. Jemand, der am Abend Drogen geraucht oder geschluckt habe und am nächsten Morgen noch deutlich unter deren Einfluss Auto fahre, werde nicht zwangsläufig zur Rechenschaft gezogen. „Wenn derjenige sagt: „Ich dachte, ich hab gar nichts mehr im Blut, weil mir bekannt war, dass die Droge nach drei oder vier Stunden keine Wirkung mehr hat“, da sind die Gerichte sehr großzügig, seltsamerweise“, kritisiert Schäpe. „Beim Thema Restalkohol hat kein Gericht bisher diese Auffassung vertreten“, betont er.
ADAC fordert gleiche Strafen für Alkohol- und Drogenfahrten
Alkohol- und Drogenfahrten seien gleich schlimm und müssten gleich hart bestraft werden, fordert Schäpe. Das bedeute, dass man von einem Drogenkonsumenten verlangen müsse, erst dann wieder Auto zu fahren, „wenn er sicher ausschließen kann, dass auch nur geringste Spuren von Drogen in seinem Blut sind“.
Das dürfte für die betroffenen Autofahrer ein schwieriges Unterfangen sein - denn die moderne Rechtsmedizin kann Drogensubstanzen noch eine Woche nach dem Konsum im menschlichen Körper feststellen, wie der Rechtsanwalt und Referent beim Verkehrsgerichtstag, Frank Häcker, erklärt. Er warnt aber vor einer „Dämonisierung“ des Problems.
„Wenn ein Autofahrer zwei bis drei Tage vor seiner Fahrt Haschisch geraucht hat und sich noch Restspuren der Droge im Körper befinden, geht in der Regel keine große Gefahr im Straßenverkehr mehr von ihm aus“, sagt Häcker. „Kann man demjenigen dann noch wirklich vorwerfen, unter Drogeneinfluss gefahren zu sein?“, fragt der Fachanwalt für Verkehr. In der Regel sei der Haschisch-Wirkstoff THC nach 24 Stunden im Körper abgebaut. „Es stellt sich die Frage, ob man einem Autofahrer nach dieser Zeit noch einen Fahrlässigkeitsvorwurf machen kann“, sagt Häcker.
Experten lehnen schnellen Führerschein-Entzug ab
Er beantwortet diese Frage vorerst mit Nein. Der Grund: Die Wirkung von Drogen im Straßenverkehr sei in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt. Wenn aber mehr darüber aufgeklärt werden würde, dann könnten Drogenkonsumenten sich ihrer Verantwortung nicht mehr entziehen. Deshalb fordert Häcker, die Öffentlichkeitsarbeit über die Wirkung von Drogen im Straßenverkehr zu verstärken und auch Drogen-Schnelltests für jedermann anzubieten.
Ein schneller Entzug des Führerscheins nach dem „Stuttgarter Modell“, das die Polizei in Baden-Württemberg praktiziert, lehnen dagegen beide Experten ab. Bei dieser Verfahrensweise behält die Polizei den Führerschein des Drogenfahrers unter bestimmten Voraussetzungen direkt ein. „Das Modell ist von der Idee her gut, hat aber keine rechtliche Grundlage“, kritisiert Häcker.
Wie man die Probleme bei der Sanktion von Drogenvergehen im Straßenverkehr lösen kann, darüber erwarten Häcker und Schäpe lebhafte Diskussionen beim Verkehrsgerichtstag.