Typ Til Schweiger. Eigentlich sieht Thorsten sogar viel besser aus. Heute. Der 29-jährige Velberter mit der tollen Ausstrahlung, dem super gestählten und leicht gebräunten Körper, Six-Pack inklusive, hat viel vor.

Der Einzelhandelskaufmann will noch seinen Betriebswirt in der Abendschule draufsetzen und dann, ja dann, mal sehen... Vorwärts, auf jeden Fall.

Sein strahlendes Siegerlachen verrät heute nichts mehr von dem, was mal war. Oder doch. Heute hat er allen Grund, stolz und froh zu sein. Auf und über sich selbst. Der Thorsten (Name von der Redaktion geändert) von heute ist nicht mehr der, der er vor fünf, sechs Jahren noch war. Damals, als er so ziemlich alles an Party-Drogen schmiss, was sich ihm anbot. Zu schwach, zu widerstehen, oder falsche Freunde? Der junge Mann weiß jetzt für sich, „dass du aus dem Sumpf nur raus kommst, wenn du es wirklich willst.“ Thorsten wollte.

„Ich war 15, als mein Stiefvater mir eine Bon mit Gras anbot.“ Also eine Wasserpfeife mit Marihuana. Thorsten machte mit, wurde quasi durch seine Familie verleitet, Drogen auszuprobieren. Eigentlich ein munterer Teenager, der, wie alle anderen Jungs in dem Alter auch, gerne Fußball pöhlte und mit Freunden abhing. Das änderte sich. „Ich hab’ mehr und mehr gekifft, Marihuana geraucht, manchmal mehrfach am Tag.“

Dabei blieb es nicht. Mit zarten 16 hatte in der Disco irgendjemand Kokain. Thorsten sagte nicht nein, probierte das weiße Zeug aus. „Aber zunächst nur einmal“, weiß er heute noch genau. „Ich hab dann lieber wieder Gras geraucht.“ Als seine Oma starb, die er sehr geliebt und bei der er zeitweise gelebt hat, „rauchte ich noch mehr.“ Dass der Konsum nicht ohne Konsequenzen bleiben konnte, verwundert nicht. Er wechselte von der Real- auf die Hauptschule, schaffte aber immerhin seinen „10-B-Abschluss“ und sicherte sich sogar eine Lehrstelle als Kfz-Mechaniker.

Auf der Berufsschule lernte er Leute kennen, die ihn zu Partys einluden. „Dort gab es Ecstasy. Die kleinen bunten Pillen wurden da so rumgereicht.“ Zwei- vielleicht dreimal habe er mitgemacht, „und dann wieder aufgehört. Wegen meiner Ausbildung.“ Der Drogen-Pause folgten Techno-Partys mit Speed und Ecstasy. „Und zwar extrem. Jedes zweite Wochenende waren wir unterwegs in Düsseldorf oder in Essen, haben Party gemacht und auch selbst Musik aufgelegt. Wir waren einfach ein Team und einer hatte immer Drogen.“ Sein Lehrherr hatte längst Lunte gerochen, wusste, dass sein Azubi „irgendwas nimmt. Er hat mich nicht rausgeschmissen, aber gewarnt.“

Eine Nacht wird Thorsten nie vergessen. 20 Stunden Party mit Ecstasy und LSD, dann ins Auto und einen Joint geraucht, „um mich zu beruhigen. Mein Herz raste. Ich dachte, ich kollabiere. Es war morgens, so gegen 10. Ich glaubte, die Polizei hinter mir zu sehen, bin wieder rein auf die Party, die immer noch lief. Plötzlich hatte ich das Gefühl, ich habe eine Seele mit Augen, die gerade meinen Körper verlässt. Ich hatte grausame Angst, völlig durchzudrehen. Und bin dann in dem Zustand Auto gefahren.“ Danach, so Thorsten, „ging erstmal nix mehr. Keine Drogen. Ich dachte, ich muss in die Klappsmühle, kam mit mir selbst nicht mehr klar, hatte nur noch Panik, bekloppt zu werden.“ Aber so drei bis vier Bierchen am Tag, gut ein halbes Jahr lang. Thorsten war damals 20. Schaffte mit Ach und Krach seine Ausbildung.

Ein guter Freund und auch sein Bruder versuchten, Thorsten aus dem Tief zu helfen. Doch er rutschte zurück in den alten Kreis, eine Gruppe von 20 bis knapp 40 Jahre alten Leuten, fast nur Männer, darunter auch Dealer, also Drogen-Verkäufer, die gemeinsam als Disc-Jockeys im Ruhrgebiet Techno auflegten. Thorsten heute: „Die hatten alles dabei, was man sich nur denken kann. Und alle nahmen alles.“ Schnell ging’s bergab, tief runter in ein Loch, bestimmt durch Party-Drogen. „Meine Freundin habe ich sitzenlassen. Mein Bruder hat versucht, mich von den Drogen abzuhalten. Auch mein bester Freund sagte immer wieder, ,das ist nichts für dich’. Aber ich fand das Leben toll, in Saus und Braus und mit tollen Autos.“

Nach der Prüfung zum Kfz-Mechaniker wurde Thorsten arbeitslos. „Jetzt war ich nur noch mit der Gruppe unterwegs. Gut ein halbes Jahr lang. Die Stimmung kippte, weil wir ständig aufeinander hingen. Alle waren auf Drogen, LSD und dazu Alkohol.“ Nächtelang, tagelang.

Bis zu diesem Morgen. 10 Uhr in Essen. „Ich saß am Steuer, mein Auto voller Leute. Die Polizei hielt mich an und merkte sofort, was mit mir los war.“ Der Führerschein war weg. Die vermeintlichen Freunde auch.

Thorsten, 22 Jahre jung, vergrub sich in seiner Wohnung. Allein. Zu wenig Geld, arbeitslos. „Ich konnte meinen Strom nicht mehr bezahlen. Den drehten sie mir dann ab.“ Doch ließ er die Finger von den Drogen, nahm gar nichts mehr. „Ich war völlig kaputt, habe nur noch geschlafen. Ich hatte einen wahnsinnigen Durchhänger.“ Thorsten war unten, ganz unten.

Der alte Freund, er hatte Thorsten nie ganz aus den Augen gelassen, stand eines Tages auf der Matte. „Er hat mich mal mitgenommen. In ganz normale Kreise. Ohne Drogen. Aber ich kam kaum noch hoch. Musste Koffein-Tabletten schlucken, weil mein Körper nichts mehr konnte.“ 23 Jahre alt: Am Ende – und am Anfang. „Ich wusste genau, was ich nicht mehr wollte“, resümiert er.

Heute: Typ Til Schweiger. Hat ‘ne tolle Freundin, eine gute Arbeitsstelle und wirklich echte Freunde, seinen Führschein zurück und Selbst-Wert-Gefühl.