Berlin/Essen. .
Neue Software soll Internetnutzern mehr Kontrolle über ihre Daten ermöglichen. So können private Daten und Fotos mit einem Verfallsdatum versehen werden. Doch: Das Programm kommt auch an Grenzen.
„Dieses Foto ist mindestens haltbar bis . . .“ könnte es bald im Internet heißen. Denn Michael Backes, Professor für Computersicherheit und Kryptologie an der Universität des Saarlandes, hat ein Programm namens „X-Pire“ (etwa: verfallen) entwickelt, das gestern vom Bundesministerium für Verbraucherschutz vorgestellt wurde. Mit „X-Pire“ soll das Internet Vergessen lernen.
Keine Selbstverständlichkeit im digitalen Zeitalter. Denn das Netz hat ein besseres Gedächtnis als seine Benutzer. „Viele Leute stellen alles Mögliche rein und vergessen es dann. Die Daten bleiben da für immer“, beschreibt Backes das Grundproblem.
Nachträglich mit einem Haltbarkeitsdarum versehen geht nicht
Seine Lösung sieht so aus: Bevor ein Nutzer ein Bild (später auch andere Daten) hochlädt, versieht er es mit einem frei wählbaren Ablaufdatum. Solange das nicht erreicht ist, kann das Bild abgerufen werden – nicht länger. Der Haken: Nachträglich mit einem Haltbarkeitsdatum versehen geht nicht. Und: Wer Bilder aus dem Internet speichert, bevor diese verfallen, lädt das Ablaufdatum dabei nicht mit herunter. Wenn sie also später jemand anders online stellt, werden sie nicht mit gelöscht. Das Fazit von Andreas Poller vom Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt lautet deshalb: „Eine ernsthafte Lösung ist es nicht.“ Bezahlt werden will sie trotzdem: Zehn Euro soll eine monatliche Flatrate kosten. Bei Zahlung pro Bild sollen zehn Euro für 20 bis 30 Bilder fällig werden.
Die Software soll vor allem soziale Netzwerke sicherer gestalten. Dort tummeln sich längst nicht mehr nur jugendliche Technikfreaks: Ob für Berufe, Hobbyfotografen, TV-Serien-Fans, Tierfreunde, Mütter oder Senioren – es gibt sie für alle Bevölkerungsgruppen. Ulrich Lepper, Landesbeauftragter für Datenschutz NRW, sieht sie kritisch: „Man kann verstehen, dass sie Spaß bereiten, aber man muss sich als Nutzer bewusst sein, dass dort sehr viel über die eigene Person gespeichert bleibt; man ist dort sehr transparent.“ Selbst Einstellungen, die die Privatsphäre schützen sollen, schieben Suchmaschinen wie Google nicht immer den digitalen Riegel vor.
Keinen Striptease auf der Datenautobahn
Backes bestätigt: „Man entblößt sich dort.“ Wer nicht nackt über die Straße läuft, sollte auch auf der Datenautobahn keinen Striptease hinlegen. Doch genau das tun viele Nutzer täglich, wenn sie Partyfotos hochladen oder ihre Hobbys auf Facebook und Co. der ganzen Welt mitteilen.
Es sind genau diese persönlichen Details, nach denen sich Unternehmen die Finger lecken. „Das sind riesige, vernetzte, soziale Kundendaten“, stellt Backes klar. Also genau das, an das Firmen sonst mit viel Aufwand, Geld und beispielsweise Rabattkarten heranzukommen versuchen.
Der freizügige Umgang mit Daten im Netz kann auch Bewerber um die ersehnte Stelle bringen. Die Frage „Was ist mir wichtig?“ online mit „Spiele und Alkohol“ zu beantworten, lässt einen bei gleichgesinnten Freunden vielleicht cool dastehen – ein Personalchef allerdings lässt bei solchen Aussagen lieber die Finger vom Bewerber. Dieses Beispiel nennt Michael Heidelberger, Vorsitzender des Fachverbands Personalberatung beim Bund deutscher Unternehmensberater. Seiner Erfahrung nach „nutzen sicherlich 60, 70 Prozent der Industrieunternehmen“ soziale Netzwerke zu Recherchen über die Bewerber.
Gesetz geplant
Ein Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maizière sieht zwar vor, ihnen das nur noch in beruflichen Netzwerken wie Xing zu erlauben. Heidelberger bezweifelt aber, dass die Unternehmen sich in ihrem Wissensdurst bremsen lassen: „Das Internet ist ein offenes Medium. Das werden Sie nicht durchsetzen können.“