Sydney. Mehr als zehn Jahre nach dem Verschwinden des Flugzeugs MH370 soll nun eine neue Suchaktion starten. Doch Angehörige sind skeptisch.

  • Das Flugzeug MH370 verschwand vor 10 Jahren auf mysteriöse Weise mit 239 Menschen
  • Jetzt soll eine neue Suche nach dem Malaysia-Airlines-Flieger starten
  • Ein Insider plaudert ein wichtiges Detail aus

Am 8. März 2014 verschwand der Flug MH370 der Malaysia Airlines auf dem Weg von Kuala Lumpur in Malaysia nach Peking mit 239 Menschen an Bord. Zwei Suchaktionen, eine koordiniert von Australien, die andere von Malaysia, konnten die Boeing nicht finden. Im Dezember gab Kuala Lumpur nun eigentlich grünes Licht für eine dritte Suche. Doch der Vertrag mit der Suchfirma – dem britisch-amerikanischen Unternehmen Ocean Infinity – ist laut eines Insiders bis heute nicht unterzeichnet.

Trotzdem ist das Suchschiff der Firma, die bereits die zweite Suche nach dem vermissten Flieger im Jahr 2018 koordinierte, derzeit auf dem Weg in die wahrscheinliche Absturzregion – 1500 Kilometer westlich von Perth (Westaustralien). „Mein Verständnis ist, dass sie am Sonntag in der Region ankommen und dann die Suche beginnen werden“, sagte der australische Luftfahrtexperte Geoffrey Thomas in einem Telefoninterview.

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Ocean Infinity konnte MH370 während seiner ursprünglich 120.000 Quadratkilometer spannenden Suche zwar nicht aufspüren, doch andernorts haben die Experten bereits ihre Expertise bewiesen. Sie orteten das gesunkene argentinische U-Boot ARA „San Juan“ wie auch das seit über einem halben Jahrhundert verschollene französische U-Boot „La Minerve“.

MH370-Absturz gibt Rätsel auf: Warum zögert Malaysia?

Laut Thomas wird die Firma ab Sonntag nun weitersuchen – „mit oder ohne Vertrag“. Unterzeichnet Malaysia den Vertrag doch noch, so wäre es eine auf 18 Monate angelegte Vereinbarung auf einer „Kein Fund, keine Gebühr“-Basis: Das heißt, Ocean Infinity würde die vereinbarten 70 Millionen US-Dollar nur dann erhalten, wenn das Wrack gefunden wird. Für die neue Suche ist ein 15.000 Quadratkilometer großes Gebiet im südlichen Indischen Ozean angedacht, das auf neuen Daten basiert, die Kuala Lumpur für „glaubwürdig“ befunden hat.

Über die Jahre wurden immer wieder vermeintliche Einzelteile der vermissten Boeing an verschiedenen Stränden angespült.
Über die Jahre wurden immer wieder vermeintliche Einzelteile der vermissten Boeing an verschiedenen Stränden angespült. © AFP | TUWAEDANIYA MERINGING

Der indische Angehörige K S Narendran, der seine Frau bei dem Unglück verloren hat, merkte in einem Blogeintrag an, dass ein möglicher Fund des Flugzeugs auch etliche Fragen aufwerfen werde: „Wird die Blackbox lesbar sein und können nach all den Jahren noch aussagekräftige Daten und Erkenntnisse gewonnen werden?“, so Narendran. Was passiere, wenn Trümmer gefunden werden, diese aber nicht ausreichen, um glaubwürdige Antworten zu finden. Und: Wenn auch die bevorstehende Suche erfolglos bleibe, könne man dann „das Kapitel schließen und weitermachen“?

Nachdem Malaysia den Vertrag mit der Suchfirma trotz der Ankündigung im Dezember bisher nicht unterzeichnet hat, schrieb der Angehörige in einem weiteren Blog: „Die Verzögerung wird unweigerlich Fragen über Malaysias Absichten und Engagement für eine neue Suchaktion aufwerfen und zu wenig hilfreichen und sogar unvorteilhaften Spekulationen über die malaysischen Behörden führen.“ Das anhaltende Schweigen sei „verwirrend, ja sogar ärgerlich“.

Malaysian Airlines: US-Ermittler wurde zur Schlüsselfigur

Auch bei den bisherigen Suchen und Untersuchungen war die Hoffnung jeweils groß, die Antworten jedoch spärlich gewesen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 kam zwar zu dem Schluss, dass das Flugzeug wahrscheinlich absichtlich manipuliert wurde, um es vom Kurs abzubringen. Es wurden jedoch keine Rückschlüsse darauf gezogen, wer dahinter steckte. Die Ermittler sagten damals, dass „die Antwort nur dann schlüssig sein kann, wenn das Wrack gefunden wird“.

Wirkliche Antworten lieferte bisher nur Blaine Gibson, ein US-amerikanischer Anwalt, der über die Jahre zu einer Schlüsselfigur in der Suche nach dem Flieger wurde. Ihm gelang es, mehr als 20 Trümmer des verunglückten Fliegers an den Küsten Afrikas und auf den vorgelagerten Inseln einzusammeln, die über die Meeresströmungen im Indischen Ozean in den Jahren nach dem Absturz dort anschwemmten. Der Privatermittler war nach dem Unglück auf eigene Kosten losgezogen, um Beweise für einen Absturz zu finden und den Angehörigen der Opfer bei der Wahrheitsfindung zu helfen.

Lösen „elektronische Stolperdrähte“ das Rätsel?

Dass die Suche nun nach der langjährigen Pause wieder weitergeht, freut Gibson ganz besonders, wie er bereits in einem Gespräch mit dem Luftfahrtexperten Thomas sagte. Er ist fest davon überzeugt, dass das Flugzeug im dritten Anlauf nun gefunden wird. Für die neue Suchregion zwischen den Breitengraden 33ºS und 36ºS standen neben Daten des britischen Inmarsat-Satelliten sowie einer Driftanalyse der Wrackteile nun auch Forschungsarbeiten des Luft- und Raumfahrtingenieurs Richard Godfrey sowie von Simon Maskell, einem Experten für autonome Systeme an der Liverpool University, zur Verfügung.

An einer Wand am Flughafen von Kuala Lumpur haben sich Angehörige der Opfer verewigt. Es ist ein Ort der Anteilnahme geworden.
An einer Wand am Flughafen von Kuala Lumpur haben sich Angehörige der Opfer verewigt. Es ist ein Ort der Anteilnahme geworden. © AFP | MANAN VATSYAYANA

Godfrey analysierte bei seiner Arbeit eine Reihe von Funksignalen. Diese als WSPR („Weak Signal Propagation Reporter“) bekannten Signale haben ihm geholfen, eine mögliche Absturzstelle in vier Kilometern Tiefe im Indischen Ozean zu identifizieren. Die WSPR-Signale, derer sich Godfrey bedient, erstrecken sich über den Globus. Im Interview mit dem australischen Sender ABC verglich der Experte sie einst mit unsichtbaren „elektronischen Stolperdrähten“, die ausgelöst werden, wenn Flugzeuge sie kreuzen.

Was passierte auf Flug MH370? Pilot hinterließ „falsche Spuren“

Godfrey ist auch einer derjenigen, dessen Analysen zumindest einige Rückschlüsse auf das Schicksal des Fliegers zulassen. So veröffentlichte er bereits im Mai 2021 eine Arbeit, die aufzeigte, dass das Flugzeug von jemandem gesteuert wurde. Seine Analysen zeigten, wie es zahlreiche Kurven flog und zudem die Geschwindigkeit änderte. Der Pilot habe kommerzielle Flugrouten gemieden und auf inoffiziellen Routen „falsche Spuren“ hinterlassen, sagte der Experte damals im Interview mit dem Sender ABC. So sei er auf inoffiziellen Flugrouten in der Malacca-Straße, um Sumatra und über den südlichen Indischen Ozean geflogen. „Die Flugroute folgt der Küste von Sumatra und er flog nah am Flughafen von Banda Aceh vorbei.“ Der Pilot habe anscheinend gewusst, dass der dortige Radar nachts und am Wochenende nicht in Betrieb sein würde.

Seit dem Unglück wurden unzählige wissenschaftliche Arbeiten und mehr als 120 Bücher über das Flugzeugunglück geschrieben. Etliche Bücher propagieren teils absurde Verschwörungstheorien. Eine solche beschreibt beispielsweise, wie der Pilot die Passagiere ermordet und sich selbst per Fallschirm abgesetzt haben könnte. „Die Angehörigen der Passagiere von MH370 werden durch die endlosen Spekulationen, die hauptsächlich von britischen Boulevardblättern und Webseiten angeheizt werden, traumatisiert“, schrieb der Flugfahrtexperte Thomas einst beim Nachrichtenmedium „The West Australian“.

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Neben vielen bizarren Theorien wurden jedoch auch deutlich plausiblere Szenarien aufgestellt. Darunter ist die des Piloten-Selbstmordes, aber auch eine Flugzeugentführung, ein Feuer, eine Rauchentwicklung oder ein Sauerstoffmangel, der von einem technischen Fehler ausgelöst wurde.