Essen. Eine neue Studie enthüllt Details über eine russische Knochenstätte aus der Eiszeit. Was verbirgt sich hinter den Anordnungen?

Tief in den Weiten Russlands, etwa 480 Kilometer südlich von Moskau, liegt eine archäologische Entdeckung, die seit Jahrzehnten Rätsel aufgibt: eine einzigartige Struktur aus Mammutknochen. Wer hat sie gebaut? Und wozu diente sie? Nun werfen neue Forschungen ein Licht auf die Geheimnisse der prähistorischen Stätte Kostenki 11: Wissenschaftler haben erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

Forscher erklären: Darum gehörten die meisten Knochen weiblichen Mammuts

Vor etwa 25.000 Jahren errichteten Jäger und Sammler eine kreisförmige, zwölf Meter breite Anlage – zusammengesetzt aus Knochen und Stoßzähnen von mehr als 60 Mammuts. Der Zweck dieser monumentalen, 2014 freigelegten Konstruktion blieb bislang Gegenstand intensiver Forschung. Mithilfe moderner DNA- und Radiokarbonanalysen der Knochen liefern Wissenschaftler nun neue Einblicke in die ehrgeizige Eiszeit-Stätte.

Katalogisierte Mammutknochen einer Ausgrabungsstätte in Russland.
Diese Mammutknochen waren den Forschern über einen langen Zeitraum hinweg ein Rätsel. © Rey-Iglesia et al., Quaternary Environments and Humans, 2025 | Rey-Iglesia et al., Quaternary Environments and Humans, 2025

Die kürzlich in der Zeitschrift „Quaterny Environments and Humans“ veröffentlichte Studie zeigte, dass die meisten der Mammuts, die zur Errichtung der Stätte verwenden wurden, weiblich waren – ein Hinweis darauf, dass die Jäger und Sammler die Skelette aus Knochenbetten sammelten oder eher auf Herden zielten, schreiben Forscher in der Analyse. Da die Herden vermutlich von Weibchen angeführt wurden, würde es auch die Überzahl der weiblichen Überreste in der Stätte erklären. Zudem waren einige der untersuchten Relikte deutlich älter als andere, was darauf hindeutet, dass unsere paläolithischen Vorfahren auch verstorbene Tiere als Nahrung verwendeten.

Forscher enthüllen: Stammen die Tiere aus verschiedenen Herden?

Insgesamt wurden in der Studie 30 Individuen identifiziert – alle gehörten Wollmammuts (Mammuthus primigenius), die als ausgestorbene Verwandte der heutigen Elefanten gelten. DNA-Analysen zeigten zudem, dass die Mammuts nicht alle miteinander verwandt waren, sondern aus verschiedenen Herden stammten. „Wir haben keine Beweise dafür, ob die Menschen die Mammuts direkt gejagt haben, und wir schließen daraus, dass sie wahrscheinlich in natürlichen Knochenbetten gefunden und zu der Stätte transportiert wurden“, sagt die Co-Autorin der Studie, Eline D. Lorenzen, Molekularbiologin an der Universität Kopenhagen, gegenüber „Phys.org“.

Zusätzlich entdeckte das Forscherteam in der Stätte weitere Artefakte, darunter verkohlte Holzreste sowie pflanzliche Rückstände, die Kartoffeln, Karotten und Pastinaken ähnelten. Diese Funde liefern wertvolle Einblicke in die Ernährungsweise und Lebensbedingungen der Menschen in der späten Altsteinzeit.

Kostenki 11 in Russland: Eine Stätte von außergewöhnlicher Bedeutung

Doch wozu diente diese geheimnisvolle Mammutkonstruktion? Die Forscher vermuten, dass sie möglicherweise als Unterschlupf oder Behausung genutzt wurde. Eine alternative Erklärung ist, dass der Ort zur Zerlegung und Verarbeitung von Mammutfleisch diente. Ebenso könnte die Stätte eine rituelle oder zeremonielle Bedeutung gehabt haben. Der genaue Zweck des Bauwerks bleibt ungewiss. Dennoch bieten die neuen Studienergebnisse faszinierende Einblicke in die Überlebensstrategien der Jäger und Sammler während der Eiszeit – einer Zeit extremer klimatischer Herausforderungen.

In Kostenki 11 wurden schon einige historische Schätze geboren: Seit 1951 wurden dort zwei Mammutknochenkomplexe mit einem Durchmesser von etwa neun Metern freigelegt, bevor schließlich die größte, zwölf Meter breite Struktur entdeckt wurde. Das Gebiet wurde über Jahrzehnte hinweg sorgfältig erforscht und ist heute sowohl ein Museum als auch ein archäologisches Reservat. Die Stätte biete „echte Einblicke darin, wie sich unsere menschlichen Vorfahren an den Klimawandel und die härtesten Phasen des letzten Eiszeitzyklus angepasst haben und wie sie die Materialien, die sie umgaben, genutzt haben“, sagt Alexander Pryor, Archäologe an der University of Exeter und Co-Autor der Studie.

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