Madrid. Die Aufräumarbeiten und Suche nach Leichen laufen auch drei Monate nach der Flut in Valencia weiter. Die Wut auf die Regierung ist enorm.
Elisabet G. (37), Paco R. (64), Javi V. (56): drei Namen, drei Schicksale. Auch mehr als drei Monate nach der Horrorflut in der ostspanischen Provinz Valencia werden diese drei Menschen noch vermisst. Von Paco R. fand man nur einen Schuh und seine Mütze, von den anderen gibt es keine Spur. Hunderte Soldaten suchen immer noch entlang der Flussläufe nach den Körpern.
Die Betten der Flüsse Poyo, Magro und Turia, die am 29. Oktober nach einem stundenlangen Sturzregen überliefen und alles überschwemmten, sind wieder zu kleinen Rinnsalen geschrumpft. Mit langen Stangen stochern die Helfer im Schlamm, der nach der verhängnisvollen Flutwelle, die sich wie ein Tsunami durch die Landschaft wälzte, zurückgeblieben ist.
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Nach Flut in Valencia: „Bis der letzte Verschwundene gefunden wird“
„Die Soldaten werden Valencia nicht verlassen, bis der letzte Verschwundene gefunden wird”, verspricht Margarita Robles, Spaniens Verteidigungsministerin. Weiterhin sind Tausende Militärs im Katastrophengebiet im Einsatz. Doch die Hoffnung, die Leichen der Vermissten aufzuspüren, wird jeden Tag kleiner – sie wurden inzwischen offiziell für tot erklärt. Möglicherweise wurden ihre Körper ins Meer gespült.

Nach der Flut, die Ende Oktober das Hinterland der Mittelmeerprovinz Valencia verwüstete, wurden 224 Tote geborgen. Viele Menschen wurden in ihren Autos oder in ihren Häusern von den sintflutartigen Regenfällen überrascht. Zwei weitere Personen starben in den letzten Wochen beim Aufräumen – weil die Gebäude, in denen sie für Ordnung sorgen wollten, über ihnen zusammenbrachen.
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Die Wut vieler Menschen im Katastrophengebiet ist immer noch groß. Sie werfen Behörden und Politikern vor, beim Katastrophenschutz versagt und die Bevölkerung nicht rechtzeitig alarmiert zu haben. Den Unmut bekam sogar Spaniens königliches Staatsoberhaupt Felipe VI. zu spüren: Als er nach der Tragödie zusammen mit Königin Letizia die schwerbeschädigte Kleinstadt Paiporta besuchte, wurden die beiden Royals mit Schlamm beworfen.
Opferverein klagt an: Reagierten Behörden viel zu spät?
Die Flutgeschädigten haben sich inzwischen in Bürgerinitiativen organisiert. Eine davon heißt „SOS Desaparecidos” (übersetzt: SOS Verschwundene). Die Vereinigung will gegen die mutmaßlich Verantwortlichen des Unglücks wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung vor Gericht ziehen. „Die Toten hätten vermieden werden können, wenn Notfall- und Schutzpläne korrekt angewendet worden wären”, erklärt der Opferverein.
Eine weitere Vereinigung namens „Asociación de Damnificados” (Zusammenschluss von Geschädigten) kündigte ebenfalls Klage an. Dieser Betroffenenverein legte eine umfangreiche Dokumentation vor, die belegen soll, dass die Regionalregierung in Valencia am Unglückstag, als ein stundenlanger Starkregen niederging, zunächst untätig blieb. „Bereits um 15 Uhr gab es genügend Informationen, um die Bevölkerung zu warnen. Aber die Katastrophenwarnung kam erst um 20 Uhr.”
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In der Kritik steht besonders der Ministerpräsident der Region Valencia, Carlos Mazón. Er ist der oberste Verantwortliche des örtlichen Zivilschutzes. Den Nachmittag, an dem in Valencia die Welt unterging, verbrachte er mit einer prominenten Journalistin in einem Restaurant. Erst am Abend, als vielen Menschen das Wasser schon bis zum Hals stand, tauchte Mazón im Krisenstab auf. Zu dieser Zeit kämpften in Vorstädten und Dörfern im Südwesten der Stadt Valencias Tausende von Menschen ums Überleben.
Zehntausende Demonstranten fordern Rücktritt des Ministerpräsidenten der Region
Kein Wunder, dass seit Wochen immer wieder Zehntausende in der Regionalhauptstadt Valencia auf die Straße gehen und Mazóns Rücktritt fordern. Auch an diesem Wochenende protestierten nach Polizeiangaben wieder 25.000 Menschen gegen das „unheilvolle Krisenmanagement” der Regionalregierung. „Drei Monate nach der Tragödie gibt es noch immer Schlamm in den Straßen”, erklärten Demonstranten. Der Wiederaufbau der Region werde durch „Inkompetenz” der Verantwortlichen erschwert.
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Theoretisch mangelt es nicht an Unterstützung: Immer noch arbeiten rund 10.000 Soldaten, Polizisten und andere professionelle Helfer vor Ort. Auch viele Freiwillige packen mit an. Doch das Katastrophengebiet ist riesengroß: 78 Ortschaften und Städte sind betroffen. Trotz vieler helfender Hände gehen die Aufräumarbeiten nur langsam voran.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez mobilisierte mehr als 16 Milliarden Euro, um der Region, die Europas größten Orangengarten beherbergt, unter die Arme zu greifen. Die Bewilligung der Hilfsgelder für geschädigte Familien, Unternehmen und Ortschaften ist aber mit viel Bürokratie verbunden. Viele Menschen klagen: „Das Geld kommt nicht an.”
Valencias Flutkatastrophe bleibt sichtbar: „Werden noch Jahre brauchen“
Aber immerhin: Man sieht in der Katastrophenzone durchaus Zeichen eines Neuanfangs. Überall wird sauber gemacht, Mauerwerk wird ausgebessert. Fassaden werden gestrichen. Trotzdem bleiben die Spuren der Katastrophe sichtbar. Am Flussbett im Flutepizentrum Paiporta reihen sich zerstörte Häuser. Viele Geschäfte sind verrammelt. Am Ortseingang warten weiterhin Autowracks auf ihren Abtransport.
Nur langsam bessert sich die Lage, bekennt auch Paiportas Bürgermeisterin Maribel Albalat. „Wir werden wohl noch Jahre brauchen, um zur Normalität zurückzukehren.”
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