Rom. Die Blaukrabben in der Adria treiben italienische Fischerinnen und Fischer in den Ruin. Nun soll eine neue Strategie gegen die Plage helfen.

Blaukrabben machen vor kaum einer Beute Halt: Sie ernähren sich von Muscheln, kleineren Krebsen, Fischen und Würmern. Ganz besonders lieben sie die „Vongole veraci“, jene große Venusmuschel-Art, die im sommerlichen Leibgericht der Italiener „Spaghetti alle vongole“ eine der Hauptzutaten ausmacht. Seit etwa zwei Jahren häufen sich die Meldungen über die Schäden, die die Blaukrabben-Invasion im Mittelmeer bei der Muschelernte verursachen. Die Italiener nennen die Krabben schlicht „Vongole-Killer“.

„Vongole-Killer“ in Italien: Blaukrabben bedrohen Existenz der Fischer

Fischer in der nördlichen Adria berichten von Schäden in Millionenhöhe. In manchen Teilen der Region Venetien haben Muschelzüchter sogar vollständige Ernteausfälle zu beklagen. In der Deltagegend des Flusses Po rund um Goro und Comacchio, wo besonders schmackhafte Vongole gezüchtet werden, belaufen sich die Verluste auf 70 Prozent und mehr. Das einst lukrative Geschäft liegt in Trümmern, und viele Züchter müssen sich nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Festland umsehen oder als Fischer aufs offene Meer ausweichen, anstatt in den Lagunen Muscheln zu ernten.

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Hilfe soll jetzt aus Portugal kommen. Eine kleine portugiesische Muschel soll die Existenz der italienischen Fischer sichern. Sie soll in von Netzen geschützten Gebieten gezüchtet werden, damit die Blaukrabbe fern gehalten wird und die Muschelzüchter in Norditalien weiter leben können. Die Strategie stammt von dem Experten Enrico Caterino, den die italienische Regierung zuletzt zum Kommissar im Kampf gegen die Krabbenplage ernannt hat.

Kann eine Muschel aus Portugal die Lösung sein?

Die portugiesische Muschel mit dem klingenden Namen „Cerastoderma edule“ hat eine kleinere und rundere Schale als die Venusmuschel, die in den Adria-Gewässern lebt. Ihr Fleisch wird wegen des feinen Geschmacks besonders geschätzt. In natürlichen Schwärmen an der Atlantikküste gefischt, könnten sie in der Adria freigesetzt werden, um die geschwächte Muschelfischerei schrittweise wiederzubeleben.

Die portugiesischen Muscheln leben in dichten Schwärmen. Eine Eigenschaft, die sie für die Blaukrabbe im Mittelmeer nicht besonders attraktiv macht. Denn die Meerestiere bevorzugen die größere, heimische Beute. Die portugiesische Art hat jedoch noch weiter Vorteile: Ihr Reproduktionszyklus ist kürzer und sie passen sich leichter an unterschiedliche Umgebungen an, was es ihnen ermöglichen könnte, die von der Blaukrabbe befallenen Gebiete schneller wiederzubesiedeln. Nicht zuletzt sind diese Muscheln für ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber rauen Umweltbedingungen und Krankheiten bekannt.

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Die Blaukrabben können auch für Menschen tückisch sein, wenn sie sich etwa in Netzen verfangen, die die Fischer aus dem Meer ziehen. © AFP/Getty Images | Getty Images

Die portugiesischen Muscheln sollen ein „Schutzschild“ bieten, hinter dem sich die Venusmuscheln der Adria erholen und wieder vermehren können. Laut den Experten handelt es sich um eine natürliche und nachhaltige Lösung, die ohne den Einsatz von Chemikalien oder anderen invasiven Methoden auskommt. Die Wiederaufstockung mit portugiesischen Muscheln könnte dazu beitragen, das Gleichgewicht im Ökosystem der Adria wiederherzustellen und zugleich die lokale Wirtschaft stabilisieren und Arbeitsplätze schaffen.

Drei-Phasen-Plan: So soll die Muschel angesiedelt werden

In der Praxis bedarf es dreier Schritte: Zuerst müssen die Krabben-verseuchten Gewässer saniert werden, danach Zuchtgebiete abgesperrt und die Muscheln gezüchtet werden. „Wir werden eine riesige Menge an Muschel benötigen, damit wir mit der Produktion voll starten können“, sagt der Vizepräsident der Genossenschaft Fedagripesca, Paolo Tiozzo. Mindestens 20.000 Kilogramm Muscheln pro Tag sind in der Startphase nötig, um die Zucht in Gange zu bringen, also mindestens 1.000 Tonnen für den Anfang.

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Die Fischer zeigen sich zuversichtlich: „Die portugiesische Muschel ist unsere einzige Hoffnung. Viele Fischer haben in den letzten zwei Jahren ihr ganzes Einkommen verloren. Gelder vom Staat reichen nicht aus. Wir müssen eine Strategie für den Neustart finden“, meint Tiozzo.