Berlin. Spektakulärer Fund bei Straßenarbeiten in England: Archäologen legen eine römische Raststätte aus dem 2. Jahrhundert frei. Die Details verblüffen.

Im englischen Gloucestershire sollte ursprünglich nur eine Erweiterung zweier Schnellstraßenabschnitte umgesetzt werden. Doch bei den Arbeiten entlang einer der einst wichtigsten Verkehrsstraßen im Südwesten des römischen Britanniens machen Archäologen eine spektakuläre Entdeckung: eine 2000 Jahre alte römische Raststätte, die sogenannte Mutatio. Alex Thomson, Projektmanager von Oxford Cotswold Archaeology, sagte gegenüber The Guardian: „Wir wussten, dass wir auf hervorragende archäologische Funde stoßen würden, aber was dabei herauskam, übertraf alle Erwartungen“.

England: Archäologen staunen über seltenen Fund

An der Raststätte Gloucester auf der M5 halten Reisende heute, um Kraft zu tanken, bevor sie ihre Fahrt fortsetzen. Doch nur wenige Kilometer östlich legen Archäologen eine 2000 Jahre alte römische Pferdewechselstation frei – ein antiker Vorläufer moderner Tankstellen. Die Entdeckung wurde im Rahmen eines Großprojekts gemacht, das zwei Schnellstraßenabschnitte bei Brockworth und Cowley miteinander verbinden soll. Während der Bauarbeiten stießen die Archäologen auf die Überreste dieser Mutatio auf der belebten Ermin Street.

Archäologen entdecken bei Straßenarbeiten in Gloucester römische „Tankstelle“
Archäologen entdecken bei Straßenarbeiten in Gloucester römische „Tankstelle“ © Oxford Cotswold Archaeology | Oxford Cotswold Archaeology

Laut den Archäologen bestand der Hauptbereich der römischen „Tankstelle“ vermutlich aus zwei Gebäuden. Bei den Ausgrabungen wurden unter anderem Pferdeknochen, Zaumzeug und Hipposandalen – ein römischer Vorgänger des Hufeisens – gefunden. Thomson sagte: „Ich glaube, es waren recht einfache Gebäude, die aus ein paar Räumen bestanden. Einer war wahrscheinlich ein Werkstattraum und der andere eher eine Unterkunft, vielleicht für die Leute, die das Gebäude leiteten.“

Der Projektmanager hält auch für möglich, dass es noch andere Gebäude gab, in den Menschen übernachten konnten: „Es ist ein recht schöner Zwischenstopp zwischen Gloucester und Cirencester, etwa auf halber Strecke nach einem schwierigen Aufstieg über den Cotswold-Steilhang aus dem Severn Valley“ fügt er hinzu.

Projektleiter datiert die Stätte auf das zweite Jahrhundert n. Chr.

Die bei den Straßenarbeiten gefundene Stätte soll erstmals zwischen 160 und 180 n. Chr. entstanden sein und scheint bis ins vierte Jahrhundert n. Chr. in Benutzung gewesen zu sein. Archäologe Thomson erzählte: „Die Straße selbst muss sehr befahren gewesen sein. Cirencester war die zweitgrößte römische Siedlung außerhalb Londons in Großbritannien. Und Gloucester war ein sehr wichtiges Militärzentrum. Möglicherweise wurden dort vorbeiziehende Legionen versorgt, die entlang der Straße marschierten.“

Römische Raststätte: Archäologen bergen hunderte Artefakte

In der römischen Mutatio und ihrer Umgebung haben Archäologen eine beeindruckende Sammlung historischer Funde ans Licht gebracht: 460 römische Münzen, 15 kunstvolle Broschen, 420 Kilogramm Keramik und zahlreiche Tierknochen. Doch damit nicht genug – in den Steinbrüchen, die einst für den Bau der Ermin Street genutzt wurden, entdeckte das Team außergewöhnliche Alltagsgegenstände wie einen genagelten Schuh, Haarnadeln aus Knochen und Kupferlegierung sowie einen Ring.

Archäologen entdecken bei Straßenarbeiten in Gloucester römische „Tankstelle“
In der römischen „Tankstelle“ finden Archäologen mehrere historische Gegenstände –unter anderem mehr als 400 römische Münzen und kunstvolle Broschen. © Oxford Cotswold Archaeology | Oxford Cotswold Archaeology

Das unbestrittene Highlight der Ausgrabungen ist jedoch eine 60 Millimeter große Darstellung des römischen Liebesgottes Amor, gefertigt aus Kupferlegierung – mit pausbäckigem Gesicht, lockigem Haar und einer Keule anstelle von Pfeil und Bogen. Projektleiter Thomson sagte, er könne sich vorstellen, dass der Amor ein wertvoller Besitz gewesen sei und mit ziemlicher Sicherheit von einem Reisenden verloren gegangen sei. Andere Gegenstände könnten absichtlich zurückgelassen worden sein, als Opfergabe an die Götter für eine sichere Reise.

Archäologen rechnen mit weiteren Funden

Die in der römischen Raststätte geborgenen Artefakte werden nun in lokalen Museen ausgestellt. Das Projekt wurde zudem in einer Folge der BBC Two-Dokumentation „Digging for Britain“ präsentiert.

Obwohl die meisten archäologischen Arbeiten mittlerweile abgeschlossen sind, bleibt ein Teil des Teams weiterhin vor Ort. Da die Straßenbauarbeiten erst 2027 abgeschlossen sein sollen, besteht die Möglichkeit, dass noch weitere spannende Entdeckungen gemacht werden, die das Bild des antiken Lebens in dieser Region weiter bereichern könnten.