London/Berlin. In Großbritannien entdecken Archäologen in einem römischen Schacht Tausende Knochen. Einer von ihnen bringt die Forscher zum Staunen.
In einem Steinbruch in der Nähe von London fanden Archäologen bereits 2015 Tausende Knochen aus der Römerzeit. Die Knochen stammen sowohl von Menschen als auch von Tieren und wurden wahrscheinlich zwischen dem späten 1. und frühen 2. Jahrhundert n. Chr. in dem Schacht versenkt. In der Masse fiel einer Forscherin vor allem ein Exemplar auf: ein bemalter Penisknochen.
Der stammt nicht vom Menschen – der gar keinen Penisknochen hat – sondern von einem Hund. „Dies ist das einzige Beispiel, das ich finden konnte, wo ein echter Penis möglicherweise als Ritualobjekt verwendet wurde“, sagte die Bioarchäologin Ellen Green gegenüber „Live Science“. Ihre Untersuchung der Knochen veröffentlichte sie in der Fachzeitschrift „Oxford Journal of Archaeology“.
- Dank geheimer Fotos: Polizei findet prall gefülltes Schatz-Grab
- Polen: Archäologen lösen 400 Jahre altes Rätsel um „Vampirfrau“
- Unterwasser-Archäologie: Wrack von legendärem U-Boot aus Zweitem Weltkrieg gefunden
- Kannibalismus: Archäologen machen schaurige Entdeckung in Jamestown-Kolonie
- Altes Ägypten: Krebsoperationen schon vor 4300 Jahren?
Penisknochen war mit roter Farbe bemalt
Der Steinbruch ist Teil der Ausgrabungsstätte Nescot, die in der Nähe der heutigen Stadt Eswell (19 Kilometer südlich von London) liegt. Der vier Meter tiefe Schacht wurde in Kalkstein getrieben und über Jahrzehnte mit den Knochen aufgefüllt. In dem Schacht wurden die Überreste von über 280 domestizierten Tieren gefunden, von denen rund 70 Prozent Hunde waren. Die meisten von ihnen waren von kleiner Statur. Bei ihnen handelt es sich wahrscheinlich um Corgis, Terrier oder andere Schoßhundarten.
An den Knochen konnten die Archäologen keine Spuren von Gewalteinwirkung, Krankheit oder Feuer feststellen. Bei ihnen handelte es sich also wahrscheinlich um Haustiere oder Arbeitstiere, die dort nach ihrem Tod vergraben wurden. Als einziger Knochen wurde der Penisknochen des Hundes mit roter Farbe bemalt.
Auch spannend: „Atemberaubend“: Forscher lüften größtes Rätsel um Stonehenge
Archäologin: Penis hatte in römischer Welt viele Assoziationen
In ganz Großbritannien wurden aus der Römerzeit Gruben mit menschlichen und tierischen Knochen sowie Artefakten entdeckt, doch der bemalte Hundepenisknochen aus dem Nescot-Schacht sei ein einzigartiger Fund. Mithilfe einer Röntgenfluoreszenz, einer Methode zur zerstörungsfreien Analyse der Elementzusammensetzung, stellte die Forscherin Green fest, dass der Knochen mit Eisenoxid überzogen war.
Da Eisenoxid an der Fundstelle von Nescot nicht natürlich vorkommt und im Schacht keine Metallartefakte gefunden wurden, die hätten rosten können, schlussfolgerte sie, dass der Knochen absichtlich mit rotem Ocker bemalt wurde, bevor man ihn dort deponierte.
„Der Penis hatte in der römischen Welt viele Assoziationen und wurde als Glücksbringer und zur Abwehr des bösen Blicks verwendet“, sagte Green gegenüber „Live Science“. Auch sein Fundort zwischen den Knochen und anderen Artefakten würde auf einen rituellen Zweck deuten. Die große Zahl sehr junger Tiere in dem Schacht deutet auf ein Fruchtbarkeitsritual hin.
- Kathedrale: Die Toten unter Notre-Dame – Archäologen lösen beim Wiederaufbau altes Rätsel
- Kinofilm: „Gladiator 2“: Experte sagt, wo Kinogänger reingelegt werden
- Deutscher Archäologe: „Die Römer haben immer alles weggeschmissen – zum Glück“
- Indiana Jones: Archäologe entlarvt Mythos – „Hat mit Realität nichts zu tun“
Knochen wurden aus Schacht entfernt und hinzugefügt
Der böse Blick war in der Antike ein weitverbreiteter Aberglaube, der die Vorstellung beinhaltete, dass ein neidischer oder missgünstiger Blick Unglück, Krankheit oder Schaden herbeiführen könnte. Dieser Glaube existierte in vielen Kulturen des Mittelmeerraums, darunter bei den Griechen, Römern und Ägyptern.
Green weist darauf hin, dass der Schacht etwa 50 Jahre lang als Grabstätte genutzt wurde und die Menschen vielleicht neunmal hintereinander neue Überreste hinzufügten. Sie stellte auch fest, dass einige der Knochen anscheinend irgendwann entfernt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Schacht zurückgebracht worden waren. Demnach sei es unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, wie oder warum der bemalte Knochen in den Schacht gelangten.
Religion im römischen Britannien war einmaliges Gemisch aus Bräuchen
Zur Römerzeit war das nahegelegene London, damals als Londinium bekannt, ein blühendes Handelszentrum und ein bedeutender Teil der römischen Provinz Britannia. Großbritannien war in dieser Zeit von einer römischen Infrastruktur geprägt, darunter gepflasterte Straßen, Aquädukte und Bäder, die römische Lebensweise und Technik nach Britannien brachten.
Damals kam es zu einer bemerkenswerten Verschmelzung römischer und keltischer Kulturen, die das Leben in der Provinz prägte. Keltische Gottheiten wurden oft mit römischen Göttern gleichgesetzt, wodurch eine gemischte Verehrung entstand. So wurde der keltische Gott Nodens mit dem römischen Mars assoziiert, und Tempel wurden oft gemeinsam genutzt. Auch in der Kunst mischten sich keltische Muster und Symbolik mit römischen Stilen, was sich in Mosaiken, Keramiken und Schmuck zeigte.
- Archäologie: Simple Erklärung für Weihnachtswunder – Experte zerlegt Mythos
- Interview: Deutscher Archäologe findet spektakuläre Spur – woher „Gott“ stammt
- Philologin enthüllt: Die erstaunlichen Sex-Geheimnisse von Frauen in der Antike
- Verlorenes Gold: Archäologe will verlorenen Keltenschatz von Manching retten