Berlin. In „Feste & Freunde“ setzt sich Pegah Ferydoni mit Tabuthemen auseinander. Welche Krisen sie privat überstand, verrät sie im Interview.
Der Komödienhit „Türkisch für Anfänger“ bedeutete den Durchbruch für Pegah Ferydoni. Doch die Weltsicht der inzwischen 41-jährigen Tochter iranischer Eltern ist auch durch verschiedene traurige und belastende Erfahrungen geprägt. Deshalb fand die Schauspielerin sich auch vom Thema der Tragikomödie „Feste & Freunde“ (ab 2. Januar im Kino) so stark angesprochen.
Was haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben begriffen, was Freundschaft eigentlich ist?
Pegah Ferydoni: Erst relativ spät, als ich die ersten wirklich großen, auch gesundheitlichen Lebenskrisen hatte. Da habe ich gemerkt, dass es zum Beispiel eine Freundin gab, die mit mir durch dick und dünn gegangen ist. Ohne sie hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft. Mit der kann ich immer noch anknüpfen. Und auch wenn wir uns selten sehen, ist es bei jedem neuen Treffen so, als hätten wir uns erst gestern voneinander verabschiedet. Diese Freundschaft hält inzwischen 15 Jahre.
Darf ich nachfragen, um welches gesundheitliche Thema es ging?
Ferydoni: Ich hatte während der Arbeit eine Fehlgeburt. Das ist etwas, was sehr viele Frauen erleben.
Das können wir auch schreiben?
Ferydoni: Ja. Eigentlich kommen wir damit auch zum Film, denn es gibt darin viele Themen, die im Umgang mit der Außenwelt tabu sind – Krankheiten, Seitensprünge, der Umgang mit Kindern. Und der Film schafft es, all diese Themen mit einer Beiläufigkeit und einer Leichtigkeit zu erzählen, die einem Hoffnung gibt. Denn jeder trägt sein Päckchen mit sich, und ich finde das also absolut heilsam, mir so eine Geschichte anzusehen. Denn sie gibt mir das Gefühl: Ich bin mit meinen Problemen nicht allein, sondern kann sie überstehen, indem ich wirklich tiefe Freundschaften eingehe.
- Tod: Hospiz-Krankenschwester – „Ab diesem Punkt sterben Menschen innerhalb von 72 Stunden“
- Tier-Angriff: Surfer überlebt Hai-Attacke – „Um mich herum war eine Blutlache“
- Familie: Kinderprostitution – „Ich spüre noch seine Hände auf mir“
- Trauma: Mit 18 vom Arzt missbraucht – „Ich habe ihm vertraut“
- Kindesentführung: Von der eigenen Mutter gekidnappt – Ich habe es selbst erlebt
Pegah Ferydoni: Wie die Flucht aus dem Iran ihre Eltern beeinflusste
Sie bekamen Ihrerseits schon als Zweijährige ein Päckchen mitzutragen, als Ihre Eltern aus Ihrer Heimat Iran fliehen mussten. Wie sehr hat Sie das geprägt?
Ferydoni: Meine Eltern waren beide schwer traumatisiert – meine Mutter wohl noch mehr als mein Vater. Und dann wächst man halt in dem Gefühl auf, alles Mögliche anstellen zu müssen, um die eigenen Eltern aufzuheitern. Man fühlt sich als Kind für ihr Lebensglück verantwortlich.
Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Eltern aufzuheitern?
Ferydoni: Mit Späßen. Letztendlich bin ich ja auch bei der Komödie gelandet. Woody Allen hat gesagt „Komödie ist Tragödie plus Zeit“. Im Nachblick kann alles wahnsinnig komisch sein. Humor ist das einzige wirksame Mittel, ein schweres Schicksal zu ertragen – und eben Freundschaft. Aber eine Freundschaft ohne Humor ist, glaube ich, auch keine Freundschaft.
„Ich werde in meinem Leben vielleicht noch so 40 Frühlinge erleben“
Der Untertitel des Films lautet „Ein Hoch auf uns“. Kann man die Höhen des Lebens besser genießen, wenn man auch die Tiefen kennt?
Ferydoni: Sicherlich. Es gibt ja Amplituden in der Empfindung. Ein regelmäßiger Höhepunkt in meinem Leben ist jedes Jahr der Frühling, wenn die Vegetation wieder aufblüht und die Sonne herauskommt. Das ist für mich jedes Jahr aufs Neue ein Erlebnis. Aber gleichzeitig zähle ich und denke mir: Ich werde in meinem Leben vielleicht noch so 40 Frühlinge erleben, wenn ich Glück habe. Das macht mich dann schon auch wieder ein bisschen traurig.
Inwieweit prägt Ihre iranische Herkunft dieses Lebensgefühl?
Ferydoni: Wir werden von Kindesbeinen an mit Poesie und Musik und Mystik konfrontiert, und es gibt in iranischen Familien ein sehr großes Gefühl für Überlieferung. Das heißt, es wird immer ganz tief, immer ganz, ganz tief in die Geschichte zurückgegriffen. Dadurch haben wir ein Gefühl von Verbundenheit mit den Erfahrungen frühere Generationen. Das birgt eine tiefe Melancholie, weil wir wissen: Wir werden geboren, wir leiden, wir leben, wir sterben. Leben ist also dieser anstrengende Augenblick zwischen Geburt und Tod. Und dazwischen versuchen die einen der Umwelt besonders auf die Nerven zu gehen und die anderen versuchen, die Welt besser zu hinterlassen, als sie sie irgendwie vorgefunden haben. In diesem Spannungsfeld bewegt man sich.
Und Sie denken mit 41 wirklich schon, wie viel Zeit Ihnen noch bleibt?
Ferydoni: Ja. Ich bin in einem Alter, wo man einige Todesfälle in seinem Umfeld hat. Eltern sterben, Freunde sterben. Man wird immer wieder auf das eigene Leben zurückgeworfen. Abgesehen davon habe ich mir einen Beruf ausgesucht, in dem ich mich ständig mit menschlichen Schicksalen beschäftige. Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Einer der meist tätowierten Sprüche stammt von einem persischen Mystiker: „This too shall pass.“ – „Auch das wird vorübergehen.“ Und das ist auch meine Auffassung. Ich bin ein radikal optimistischer und zugleich radikal pessimistischer Mensch. Das heißt: Ich kann mich nie so richtig himmelhoch jauchzend freuen, weil ich weiß, danach geht es wieder rasant hinunter. Aber wenn ich am Boden bin, dann weiß ich, dass es wieder aufwärts geht.
Schauspielerin Ferydoni: „Wenn mein Kind glücklich ist, bin ich es auch“
Aber am Boden sind Sie hoffentlich nicht so häufig?
Ferydoni: Mental schon. Ich meine, wir leben in einer Zeit der Krisen. Wir sind uns gegenseitig ganz schön böse und spinnefeind. Daher haben wir wenig Geduld miteinander. Und Kinder und Jugendliche haben nicht mehr so diese Möglichkeit sich auszuprobieren, wie wir es damals hatten, weil es einen wahnsinnigen Druck gibt, alles richtig zu machen.
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Aber Sie haben angesichts dessen trotzdem noch Lust, Komödien zu machen?
Ferydoni: Absolut, weil das überlebenswichtig ist. Schwierige Zeiten laden ein zur bitteren Komödie oder zum sinnlosen Klamauk, der einen von diesem Druck befreit.
Sie haben einen Sohn. Inwieweit vermitteln Sie ihm Stärke, um in dieser Welt zurechtzukommen, bzw. gibt er wiederum Ihnen Stärke?
Ferydoni: Mich beseelt die bedingungslose Liebe zu meinem Kind. Ich stelle keine Anforderungen an es. Ich habe nie von ihm verlangt, dass es sich bedankt, und jedes Mal, wenn es „Danke“ sagt, hüpft mein Herz. Denn mit seiner Stimme erreicht es mich ganz tief im Inneren, und wenn mein Kind glücklich ist, bin ich es auch. Dafür muss es nichts tun. Es muss nichts leisten und nicht gut gelaunt sein. Aber wenn mein Kind sich mit mir seelisch verbindet, dann bin ich der stärkste Mensch der Welt.