San Francisco. Der Wiederaufbau läuft an. Die Schadensbilanz von Hurrikan „Milton“: 50 Milliarden US-Dollar. Viele Menschen haben alles verloren.

James Sowards weiß nicht, ob er noch einmal neu anfangen will, nicht in diesem Haus, nicht in Punta Gorda. „Ich denke darüber nach, es einfach loszuwerden“, sagt er, „und verschwinde einfach von hier.“ Der 71-Jährige hat binnen kürzester Zeit zwei Hurrikans überstanden: erst „Helene“, dann „Milton“. Als „Helene“ in Florida wütete, sprang er in seinen „Chevy-Truck“ und wollte fliehen.

Bloß: Der Lastwagen – auch schon fast 20 Jahre alt – sprang nicht an. Sowards blieb einfach in seinem Fahrerhaus, wo das Wasser bis zu den Sitzen stieg. Als Erstes hat der LKW-Fahrer danach den Anlasser reparieren lassen.

Am Tag nach Hurrikan „Milton“: Surreale Bilder

In der Nacht, als „Milton“ zuschlug, schlief er nun im Flur einer Grundschule. Nun steht Sowards vor seinem überfluteten Haus mit seinen halb eingestürzten Wänden, vor den zerstreuten Möbeln und Kleidungsstücken und fragt sich, ob sich das noch einmal antun will: die Aufräumarbeiten.

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Besonders hart war diese Nacht auch für Jeff Weiler. Der 61-Jährige wollte eigentlich bald in Ruhestand, mit einem Teil seiner Lebensversicherung erfüllte er sich einen Traum: ein Boot. Und nun: „Es ist weg.“ Der Ingenieur kämpft mit den Tränen.

Die Kraft zum Neuanfang

Die Behörden haben die Brücke zur Insel Siesta Key für einige Bewohner nach dem Unwetter wieder freigegeben. „Ich bin so traumatisiert, dass ich dachte, ich muss verdammt noch mal hier raus“, erzählt Maria Williams, 48. Ihr Haus scheint in Ordnung zu sein, inmitten eines Chaos von überfluteten Straßen, umgeknickten Bäumen und Trümmern, zerstörten Leitungen und dem surrealen Bild von Segelbooten und Motorbooten, die unvermittelt in Vorgärten liegen.

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Vielerorts sind die Straßen und Häuser überflutet. © AFP | MIGUEL J. RODRIGUEZ CARRILLO

Am Tag danach sind die US-Medien voll von solchen Geschichten, von Schicksalsschlägen, Glücksfällen, kleineren und großen Heldentaten. Noch immer arbeiten Rettungsteams daran, Menschen aus Gebäuden zu befreien, aus denen sie selbst nicht herauskommen können. Die Küstenwache hat einen Mann gerettet, der sich im Meer, fast 50 Kilometer von Land entfernt, an einer Kühlbox klammerte.

Kein Gas, kein Wasser, kein Strom

Brandon Clement ist Hurrikanexperte. Er sagt, jeder Sturm habe seine eigene Signatur. Er berichtet in CNN von Geisterstädten, „es gibt kein Gas, kein Wasser, keinen Strom. Der Mobilfunkempfang ist lückenhaft.“ Noch immer sind zwei Millionen Menschen ohne Strom.

So seltsam es klingt, das „schlimmste Szenario“ sei ausgeblieben, stellt Gouverneur Ron DeSantis fest. Zum einen hat sich „Milton“ schnell abgeschwächt, von Kategorie fünf auf Kategorie zwei. Zum anderen sind viele nach der Erfahrung mit „Helene“ den Aufrufen der Behörden gefolgt, den Bundesstaat rechtzeitig zu verlassen und ins Landesinnere zu ziehen. Ohne diese Evakuierungen hätte es mehr als die bislang 14 Toten gegeben.

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Die einfache Bauweise rächt sich

Die Schäden sind enorm, 30 bis 50 Milliarden Dollar, rechnete eine Ratingagentur für die Versicherungen aus. Wohlgemerkt: Nur die versicherungsrelevanten Schäden. Präsident Joe Biden beziffert den Schaden mit 50 Milliarden.

Dass es zu solchen Verwüstungen kommt, hat auch damit zu tun, dass viele Menschen in den USA in Wohnwagen oder Holzhäusern wohnen, die unmöglich den Naturgewalten standhalten können. Einerseits.

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Solche Häuser halten Stürmen unmöglich Stand. © AFP | GIORGIO VIERA

Andererseits fällt der Wiederaufbau auch umso leichter aus. So verhält es sich mit den Stromleitungen, die eben nicht unterirdisch verlegt werden, sondern von Haus zu Haus hängen. Dadurch sind sie auch leicht zu verorten und zu reparieren.

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Viele dachten, es werde schon nicht so schlimm

Die Menschen, die jetzt gerettet wurden, hatten teilweise nicht daran glauben wollen, dass es so schlimm sein würde. Wer in Florida lebt, der hat gelernt, mit den Stürmen zu leben, die alljährlich hier wüten.

Für Kayla Lane, die in Bartow lebt, war „Milton“ definitiv eine Überraschung. Sie hat mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im Wohnzimmer ausgeharrt, dann wurden sie müde und gingen ins Bett, und das war ihr Glück im Unglück.

Sie schreckten auf, als sie einen „gewaltigen Knall“ hörten. Sie rannten ins Wohnzimmer und sahen einen Baum, schauten nach oben und sahen – nicht die Decke, nein, sondern den Himmel, irgendwie surreal. „Es scheint, als würden wir jetzt in einer völlig anderen Welt leben“, sagt sie anderntags. „Körperlich geht es uns gut“, sagt Lane. „Emotional vielleicht nicht.“ (fmg)

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