Berlin. Bis zu 150 Tonnen wiegen die gigantischen Steine der rund 6000 Jahre alten Grabanlage. Ihre Erbauer arbeiteten wie Wissenschaftler.

Hunderte Jahre bevor das erste Rad in Europa auftauchte, bewegten die Menschen einer faszinierenden Steinzeit-Kultur in Spanien bis zu 150 Tonnen schwere Steinplatten. Der Dolmen von Menga ist eine fast 6000 Jahre alte Grabanlage, die Archäologen seit ihrer Entdeckung im Jahr 1840 vor Rätsel stellt. Wie konnte das Bauwerk in der von Erdbeben geprägten Gegend die Jahrtausende fast unbeschadet überstehen?

Dazu hat nun ein interdisziplinäres spanisches Forschungsteam in einer Studie neue Erkenntnisse vorgelegt. Demnach besaßen die prähistorischen Architekten außergewöhnliche Fähigkeiten als Ingenieure und Wissenschaftler. Die Komplexität der verwendeten Techniken legt nahe, dass die Menschen der Zeit lange unterschätzt worden sind. Probleme lösten sie wie heutige Experten durch eine Mischung aus „Trial and Error“.

Archäologie: Gewicht der Steine übertrifft Stonehenge-Monument um Vielfaches

Die Anlage in der südspanischen Provinz Andalusien besteht aus 32 gigantischen Kalksteinen, die aus einem einen Kilometer entfernten Steinbruch herangeschafft wurden. Zusammen bringen sie es auf ein Gewicht von 1140 Tonnen. Aus ihnen konstruierten die Erbauer Wände, Säulen und ein Dach, um eine 28 Meter lange, 6 Meter hohe und 3,5 Meter breite Kammer zu formen.

Entrance to the Dolmen de Menga, a Neolithic ritual site and burial chamber, Antequera, Malaga province, Spain
Der Eingang zum Dolmen von Menga. © picture alliance / robertharding | Mick Baines & Maren Reichelt

Alleine ein acht Meter langer Dachstein des Bauwerks ist 150 Tonnen schwer – so viel wie zwölf Reisebusse zusammen. Der schwerste Stein in Stonehenge wiegt dagegen nur um die 30 Tonnen.

„Diese Leute hatten keine Blaupausen, mit denen sie arbeiten konnten, und unseres Wissens auch keine vorherige Erfahrung mit dem Bau von so etwas“, sagte der Co-Autor der Studie, Leonardo García Sanjuán, ein Archäologe an der Universität Sevilla, gegenüber „Nature“. „Und doch verstanden sie es, riesige Steinblöcke mit einer Präzision zusammenzufügen, die das Denkmal fast 6.000 Jahre lang intakt halten würde.“ Ohne ein wissenschaftliches Verständnis wäre das unmöglich.

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Jungsteinzeit: Menschen arbeiteten millimetergenau am Dolmen von Menga

Unter der Leitung des Spanischen Nationalen Forschungsrats (CSIC) analysierte ein Team aus Archäologen, Statikern und Geologen die Bauweise des Monuments. Weil es in der Grabanlage, ein Unesco-Weltkulturerbe, viele Auflagen zu beachten gilt, stützten sich die Forscher vor allem auf Fotos und Aufzeichnungen früherer Untersuchungen sowie einen Laserscan aus dem Jahr 2005. So konnten sie sie Ausrichtung und Verbindungen der aufrechten Kalksteine, die den Raum stützen, nachvollziehen.

Schon der Transport der gigantischen Bauteile, ist demnach ein Meisterstück der Ingenieurskunst. Wie in Stonehenge brauchte es gewaltige Anstrengungen, um die Steine auf hölzernen Schienen bis zum finalen Bauort zu schleppen. Ähnlich beeindruckend seien die Säulen der Kammer, die mit erstaunlicher Genauigkeit bis zu 1,5 Meter tief in die oberen Steinplatten fassen.

Außerdem ergab die Analyse des Laserscans, dass die Konstrukteure Gegengewichte und Rampen verwendeten, um die Säulen vorsichtig in die Sockel zu bewegen und sie in präzisen, millimetergenauen Winkeln zu neigen. Die Steine ​​waren in Abstufungen gehauen, was bedeutete, dass sie beim Entfernen der Gewichte und Rampen an ihren Nachbarn festhielten.

Erbauer zeigten „erfinderische Brillanz“

Die Forscher sind erstaunt, von dem ausgereiften Bewusstsein der Erbauer für statische Probleme – und wie diese zu lösen sind. Die neolithischen Gesellschaften konnten innovative Antworten auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln, heißt es in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlichten Studie.

„Diese Arbeit offenbart das Vorhandensein wissenschaftlicher Erkenntnisse von außergewöhnlicher erfinderischer Brillanz unter den neolithischen Gemeinschaften im Süden der Iberischen Halbinsel“, zitiert ein Statement José Antonio Lozano, Geologe am Spanischen Institut für Ozeanographie und der Hauptautor des Artikels.

Es gebe heute keinen Ingenieur, der mit den gleichen Ressourcen und Mitteln wie vor 6000 Jahren dieses Monument bauen könnte, sagte sein Co-Autor Sanjuán bei „Science“. Er und seine Kollegen wunderten sich, wie die altertümlichen Menschen das schafften.

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Dolmen von Menga ist größer Megalith-Bau Spaniens

Der Dolmen von Menga ist eines der größten Megalithbauwerke Europas und das älteste der iberischen Halbinsel. Laut Archäologen wurde es vor etwa 5.800 bis 5.600 Jahren errichtet. Es steht nahe der Gemeinde Antequera in Andalusien, rund 50 Kilometer nördlich von der Provinzhauptstadt Málaga entfernt. Dolmen sind aus Steinblöcken errichtete Grabbauten, die in Europa häufig mit Erde bedeckt werden.

Die Epoche des sogenannten Neolithikums (Jungsteinzeit) begann in Europa 7000 v. Chr. mit der Domestizierung von Pflanzen und Tieren. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Megabauten wie Stonehenge oder der Dolmen von Menga. Weil ähnliche Bauten als Gräber genutzt wurden, vermuten Archäologen, dass es sich bei dem Menga-Dolmen ebenfalls um einen Bestattungsort handelt.

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