Berlin. Ständig Namen und Wörter vergessen? Laut einer Studie ist ein anderes Sprechmerkmal ein viel wichtigeres Anzeichen von Alzheimer.

Reichst du mir bitte mal das Dingsbums? Das hatte ich mal in Dingenskirchen gekauft. Jeder Mensch vergisst Wörter oder Namen, obwohl sie ihm durchaus bekannt sind. Die Wissenschaft bezeichnet diese alltägliche Vergesslichkeit als Zungenspitzenphänomen. Mit dem Alter nehmen solche Aussetzer zu. Familienmitgliedern oder Ärzten fallen sie besonders auf, sie sehen darin oftmals Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung.

Frühe Anzeichen von Alzheimer umfassen tatsächlich solche Schwierigkeiten bei der Wortfindung. Dazu kommen Gedächtnisverlust, besonders bei kürzlich Erlebtem, Verwirrung bezüglich Zeit und Ort, und Veränderungen in der Stimmung oder im Verhalten. Betroffene können alltägliche Aufgaben vergessen und bekannte Orte nicht mehr erkennen. Doch laut einer neuen Studie äußern sich die frühen Stadien von kognitivem Verfall wie Demenz und Alzheimer vor allem beim Sprechen.

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Alzheimer: Langsames Sprechen könnte Hinweis auf frühes Stadium sein

Demnach lohnt es sich, besonders auf ein Merkmal zu achten: die Sprechgeschwindigkeit. Wie schnell oder langsam eine ältere Person redet, sei ein viel zuverlässigeres Anzeichen von Alzheimer und generellem kognitiven Verfall als das Vergessen von Wörtern. Wissenschaftler der University of Toronto veröffentlichten diese Ergebnisse im Fachjournal „Aging, Neuropsychology, and Cognition“.

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Für die Untersuchung sollten 125 gesunde Erwachsene im Alter zwischen 18 und 90 Jahren eine detaillierte Szene beschreiben. Die Forscher analysierten dann die Aufnahmen mithilfe von Künstlicher Intelligenz, um Eigenschaften wie die Sprechgeschwindigkeit, die Länge der Pausen zwischen den Wörtern und die Vielfältigkeit der benutzten Wörter zu dokumentieren.

Zusätzlich mussten die Teilnehmer eine Vielzahl an Standardtests absolvieren, die Konzentration und Denkgeschwindigkeit maßen, sowie die Fähigkeit zu planen und Aufgaben auszuführen prüften. Das altersbedingte schlechte Abschneiden älterer Teilnehmer in diesen Kategorien hing dabei am stärksten mit einer langsameren Sprechgeschwindigkeit zusammen und nicht mit Wortfindungsschwierigkeiten.

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Audioaufnahmen störten den Verarbeitungsprozess der Teilnehmer

Die Forscher bedienten sich in der Studie einer neuen Versuchsaufgabe, um die kognitiven und verbalen Fähigkeiten der Teilnehmer zu testen. Benennt der Mensch ein Objekt, so tut er das in zwei Schritten: Zuerst findet er das richtige Wort und befiehlt dann seinem Mund, das Wort laut auszusprechen. In der neu entwickelten Methode wird dieser Prozess gestört.

Den Teilnehmern wurden Bilder von Alltagsgegenständen gezeigt (beispielsweise ein Besen), während gleichzeitig eine Audioaufnahme ein Wort abspielt, das dem abgebildeten Objekt entweder in seiner Bedeutung ähnelt (beispielsweise „Mob“) oder ähnlich klingt (beispielsweise „Leben“). Bedeutungsähnliche Wörter zu hören, macht es schwieriger, das Wort zum Bild zu finden, ähnlich klingende Wörter machen es dagegen einfacher.

Formen von Demenzerkrankungen

Alzheimer-KrankheitDie Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form von Demenz und betrifft vor allem ältere Menschen. Sie tritt allmählich auf und beeinträchtigt Gedächtnis, Denken und Verhalten.
Vaskuläre DemenzDie vaskuläre Demenz entsteht durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn, beispielsweise durch Schlaganfälle oder Durchblutungsstörungen. Die Symptome können je nach betroffenem Bereich des Gehirns variieren.
Lewy-Körper-DemenzBei der Lewy-Körper-Demenz sammeln sich sogenannte Lewy-Körper im Gehirn an, die zu Störungen in der Informationsverarbeitung führen. Die Symptome ähneln oft denen der Parkinson-Krankheit.
Frontotemporale DemenzDie frontotemporale Demenz betrifft vor allem die Bereiche des Gehirns, die für Verhalten, Persönlichkeit und Sprache zuständig sind. Die Symptome können je nach betroffenem Bereich sehr unterschiedlich sein.
Gemischte DemenzBei der gemischten Demenz treten mehrere Formen von Demenz gleichzeitig auf, beispielsweise Alzheimer-Krankheit und vaskuläre Demenz.

Die Geschwindigkeit, mit der die älteren Teilnehmer die Bilder benennen konnten, hing dabei eng mit deren Sprechgeschwindigkeit zusammen. Die Ergebnisse verdeutlichen, „dass eine Verlangsamung der kognitiven Verarbeitungsfähigkeit eher auf breiteren kognitiven und sprachlichen Veränderungen mit zunehmendem Alter als auf einer spezifischen Herausforderung beim Abrufen von Wörtern beruhen könnte“, fassen die Alzheimer-Forscherin Claire Lancester und die Demenz-Forscherin Alice Stanton in „The Conversation“ die Studie zusammen.

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Kognitiver Verfall: Was sind Alzheimer und Demenz?

Bei Alzheimer kommt es zu Ablagerungen von Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Gehirn. Amyloid-Plaques sind abnorme Proteinansammlungen zwischen Nervenzellen, die deren Kommunikation stören. Tau-Fibrillen entstehen durch defekte Tau-Proteine, die sich innerhalb der Nervenzellen verklumpen und deren Stabilität beeinträchtigen. Diese Ablagerungen führen zum Absterben von Nervenzellen und zum Verlust von Gehirngewebe.

Demenz ist ein Oberbegriff für den allgemeinen kognitiven Verfall, der verschiedene Ursachen haben kann. Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz, charakterisiert durch spezifische Veränderungen im Gehirn, die zu Gedächtnisverlust und geistigem Abbau führen.