Essen. Er ist der Erfinder von „I sing A Liad für di“ – und kommt nicht nur auf Volksfesten gut an. Wenn er den Hintern kreisen lässt, werfen ihm die Teenis Hasenohren auf die Bühne. Andreas Gabalier ist die neue Hoffnung der Volksmusik. Vielleicht ist er sogar ihre letzte.
Am Anfang, sagt er immer, war es „Zufall“. „Irgendwie ist die Musik daher gekommen.“ Als Andreas Gabalier, damals noch Student der Rechtswissenschaften, im heimischen Keller sitzt und ein Gedicht für sein „Madl“ vertont. Die selbstgebrannte CD trägt er zum Radio. Und dort wird das Lied gespielt.
Gut drei Jahre später ist der 27-Jährige in Deutschland und Österreich ein Star und sammelt Platin-CDs und Auszeichnungen wie andere Leute Briefmarken. Mehr noch. Er ist die neue Hoffnung der Volksmusik. Vielleicht ist er sogar ihre letzte. Weil er die jungen Leute mitnimmt, ohne die Alten zurückzulassen, wenn er ankündigt: „I Sing A Liad für di.“ Dabei passt er gar nicht in die Welt von Musikantenstadl und Carmen Nebel.
Von Sennerinnen singt er und von der Heimat. Und von der Liebe natürlich. So weit, so volkstümlich. Aber etwas moderner. Denn die Musik, die dazu erklingt und die er – wie die Texte – selbst schreibt, die will oft nicht so richtig dazu passen. Rau klingt sie, manchmal schon rockig. Schwer einzuordnen. Er selbst nennt es „Volks-Rock’n’Roll“. Ist vielleicht übertrieben, ist aber schön griffig.
Der Mann weiß sich zu verkaufen
Doch das allein ist es nicht. Es ist das Gesamtpaket, das Gabalier selbst geschnürt hat. Der Mann weiß sich zu verkaufen. Und was er sich vorgenommen hat, das zieht er durch. Fängt schon beim Namen an. Den fanden sie schrecklich bei der Plattenfirma. Aber Gabalier hat sich geweigert, ihn zu ändern. „Ich bin da ein Dickkopf.“ Allerdings einer, der etwas von Marketing versteht.
Jedenfalls weiß er, sich in Szene zu setzen. Wenn er Fotos von sich machen lässt, dann gerne unter Verzicht auf jede Art von Textilien am durchtrainierten Oberkörper. Oder in der knappen, speckigen „Krachledernen“. Mit derben Wanderschuhen an den Füßen und der steirischen Harmonika auf der Schulter steht er in der untergehenden Sonne und schaut so abwesend in die Ferne, wie es früher Freddy Quinn getan hat. Aber Gabaliers Heimat sind nicht die Meere, es sind die Berge.
„Robbie Williams der Volksmusik“ hat ihn die Presse daheim schon mal genannt. Die meisten aber nennen ihn den „Alpen-Elvis“. Hat nicht nur mit seinen Haaren zu tun, die glänzen und vorne in einer Tolle enden. Hat vor allem damit zu tun, dass er bei Auftritten gerne die Hüften kreisen lässt. Elvis haben sie dafür den Beinamen „The Pelvis“ gegeben – das Becken. Gabalier nennen sie anerkennend „Der Oarsch“. Was wir an dieser Stelle mal nicht übersetzen.
Sein schwingender Hintern lässt Oma dezent erröten, ihre Tochter, manchmal gar die Enkelin jubeln. Mit kurzem Rock und tiefem Ausschnitt kommen sie in die Konzerte und setzen sich blinkende Hasenohren auf den Kopf. Und dann werfen sie rot-weiß-karierte Halstücher auf die Bühne, die sie kurz zuvor am Souvenir-Stand gekauft haben. Manchmal sind auch ein paar Slips darunter.
Keine Zeit für eine Freundin
Nennt man ihn Sexsymbol, winkt der ehemalige Kellner und Barmann allerdings ab. „Keine Zeit für eine Freundin“, behauptet er. Und auch sonst keine Zeit für irgendetwas. Nicht mal um nachzudenken. Egal über was. Von Konzert zum TV-Auftritt, vom Radio-Interview ins Studio.
Aber vielleicht ist es auch eine Flucht vor der eigenen Vergangenheit. Anfang 20 ist er, da verliert Gabalier erst seinen Vater dann seine Schwester. Beide begehen Selbstmord. Warum, weiß man bis heute nicht. Es ist eine Tragödie, die Gabalier lange nicht erzählt hat, mit der auch heute nicht hausieren geht. Er will kein Mitleid, will nicht mit seinem Schicksal kokettieren. Aber es hat ihn bewegt, wie er mehrfach erzählt hat. Sehr bewegt. Bis er „die Trauer beiseite gelegt“ hat. „Irgendwann muss man sich damit abfinden. Das Leben geht weiter.“ Zumal er ja jetzt eine Mission hat. „Ich will“, hat sich Gabalier vorgenommen, „die Volksmusik in ein anderes Licht rücken.“