Emden/Essen. Der Fall Lena in Emden ist wohl aufgeklärt. Ein 18-Jähriger hat die Tat am Wochenende im Polizei-Verhör gestanden. Die Elfjährige war dem Tatverdächtigen offensichtlich freiwillig ins Parkhaus gefolgt. Hier fand man später ihre Leiche.
Erleichterung in Emden und in der ganzen Republik: Die Polizei hat den Mann gefasst, der die 11-jährige Lena getötet haben soll. Am Wochenende hat ein 18-Jähriger im Verhör gestanden, für den Tod des Mädchens in der ostfriesischen Kleinstadt verantwortlich zu sein. Mord zur Verdeckung einer Straftat wird ihm vorgeworfen, das Kind wurde der Polizei zufolge Opfer eines Sexualverbrechens.
Samstag in der Früh haben die Ermittler vor seiner Tür gestanden. Der 18-Jährige lebte anscheinend allein. Sie nahmen ihn mit und noch dazu haufenweise Indizien. Computer, Festplatten und andere Gegenstände, die nun ausgewertet werden. Vieles spricht dafür, dass die Polizei dieses Mal richtig liegt, neben einem Teilgeständnis auch ein DNA-Abgleich. Erst am Freitag war ein anderer junger Emder wieder frei gekommen. Der 17-Jährige hatte, wie berichtet, zwei Tage in Untersuchungshaft gesessen – unschuldig.
300 Hinweise aus der Bevölkerung
Vor neun Tagen war die Leiche der elfjährigen Lena in einem Parkhaus in der Innenstadt gefunden worden. Seitdem ermittelte eine Mordkommission, sie sammelte 300 Hinweise aus der Bevölkerung – und sie musste harte Kritik einstecken. Zu schnell sei sie vorgeprescht, zu offensiv an die Öffentlichkeit getreten, monierten Politiker, Wissenschaftler und Strafrechtler. Von „Ermittlungspannen“ war die Rede. Das öffentliche Interesse an dem ohnehin schon spektakulären Fall wurde immer größer. Der Tod des Mädchens erschütterte ganz Deutschland. Sichtlich erleichtert traten die Ermittler Sonntagnachmittag in Emden erneut vor die Presse.
Was genau war passiert, an jenem sonnigen Samstag, dem 24. März? Stück für Stück will die Polizei Lenas letzte Stunden rekonstruieren. So wie es sich derzeit darstellt, war das Mädchen mit seinem Freund unterwegs, um Enten zu füttern. Ganz in der Nähe des „Parkhauses am Wasserturm“ sind die beiden Kinder offensichtlich dem 18-Jährigen begegnet.
Eine Zufallsbekanntschaft also, die für die Elfjährige schnell einen tragischen Verlauf nahm. „Der Tatverdächtige und das Opfer kannten sich nicht“, sagt Werner Brandt, der die „Mordkommission Parkhaus“ leitet. Er sagt auch, dass Lena wohl trotzdem freiwillig mitgegangen ist – ohne ihren Freund, der bis heute traumatisiert sei.
Speichelprobe nach der Festnahme
Der Tatverdächtige dagegen dürfte sich in dem Parkhaus sicher gefühlt haben. „Er hielt sich regelmäßig dort auf“, sagt der Leiter der Mordkommission. Vor allem, um Parkour zu trainieren, die Klettersportart, bei der es darum geht, Mauern und andere Hindernisse zu überqueren. Auf seine Spur waren die Polizisten aufgrund von Zeugenaussagen gekommen. Frauen hatten den 18-Jährigen in der Nähe des Tatorts beobachtet, nach ihren Erklärungen konnte eine Phantomskizze gezeichnet werden.
Kurz nach der Festnahme gab der junge Mann eine Speichelprobe ab, die mit der am Fundort der Leiche sichergestellten DNA übereinstimmte. Tatmotiv? „Das sind Details, zu denen er noch keine Stellung beziehen möchte“, sagt Kripo-Mann Werner Brandt. Derzeit befinde sich der Verdächtige in einem Jugendgefängnis, „er ist niedergeschlagen“.
Hasserfüllte Propaganda im Netz
Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck sagt, mache der Name des jungen Mannes bereits im Internet die Runde. „Wenn dort zu Straftaten aufgerufen wird, werden wir das verfolgen“, mahnt er. Im Falle des ersten, des offensichtlich zu unrecht beschuldigten 17-Jährigen war ebenfalls schnell hasserfüllte Propaganda ins Netz gelangt. Eine aufgebrachte Menschenmenge hatte am vergangenen Dienstag gar das Polizeirevier in Emden stürmen wollen, um den Verdächtigen zu lynchen.
„Die erste Festnahme ist im Rückblick als bedauerlich anzusehen“, sagt Staatsanwalt Südbeck am Sonntag. Aber zu dem Zeitpunkt hätten wichtige Indizien gegen den jungen Mann vorgelegen. Für die zwei Tage Untersuchungshaft habe er Anspruch auf eine Entschädigung – ihm stünden 25 Euro am Tag zu.
Weiterer Vorwurf: Joggerin belästigt
Der nun festgenommene 18-Jährige soll dagegen darüber hinaus noch für mindestens eine weitere Tat verantwortlich sein. Im November vergangenen Jahres soll er eine Joggerin sexuell bedrängt haben, die auf den Wallanlagen in Emden unterwegs war. Die Frau habe fliehen können, aber DNA des Angreifers sei sichergestellt worden. Laut Polizei beruft sich der 18-Jährige in diesem Fall auf Erinnerungslücken.