Gelsenkirchen.. Hans ist eine wirklich niedliche Giraffe. Elegant schaukelt der Jungbulle durch sein Gehege in der Gelsenkirchener Zoom Erlebniswelt. Und er hat bereits viele Fans - live und im Internet. Das zeigt, wie die Medienwelt die Arbeit eines Zoos verändert.
Jadranda flippt völlig aus. Kurz nach der Geburt attackiert die Giraffenkuh ihr Neugeborenes, trampelt auf dem Jungbullen herum. Erst herbeieilende Pfleger können die wild gewordene Mutter von dem Kleinen vertreiben. Zu sehen ist die Szene, die sich im März in der Zoom-Erlebniswelt in Gelsenkirchen abspielte, noch immer auf YouTube. Der Zoo selber hatte die Geburt vor vier Monaten als Livestream im Internet übertragen. „Die Öffentlichkeitsarbeit im Zoo muss sich den neuen Medien öffnen“, sagt Sabine Haas, Diplom-Biologin und Sprecherin der Zoom-Erlebniswelt. Vorbei die Zeiten, als man zwei Wochen nach der Geburt Fotos der Jungtiere veröffentlichen konnte. Das neue Zauberwort heißt live.
Das kommt an, weiß Haas. „Es gibt Leute, die sitzen tatsächlich 24 Stunden vor dem Internet“. Man bekomme Zuschriften aus der gesamten Welt. Bei Hans, dem getretenen Jungbullen, lief die Geschichte prima für den Zoo. Zwar wollte Mutter Jadranda nichts von dem Kleinen wissen, die damals trächtige Majanga ließ ihn aber trinken, Mary, die zu der Zeit ein einjähriges Jungtier hatte, kümmerte sich um ihn, die Tierpfleger gaben ihm zudem die Flasche, und die Fangemeinde vor dem Bildschirm schaute zu und jubelte.
„Tierische Kumpels“ sorgen für neue Experten
„Wir konnten durchaus einen Besucheranstieg registrieren“, sagt Haas. Doch das schnelllebige Internet fordert, genau wie die nachmittäglichen TV-Zoo-Dokus, ihren Tribut. In „Tierische Kumpels“ hatte das ZDF auch über die Afrika-, Asien- und Alaskaerlebniswelten in Gelsenkirchen berichtet und eine ungeahnte Anzahl an neuen tierischen Experten hervorgebracht. „Egal, ob Internet oder TV – manche Besucher glauben, sie kennen unsere Tiere und Tierpfleger persönlich“, berichtet Haas. Das sei zuweilen eine nicht zu unterschätzende Belastung. Denn die Pfleger seien für die Tiere eingestellt, sie seien keine Kommunikationsfachleute, hätten wenig Interesse daran, von fremden Menschen einen lockeren Schulterklaps mit dem flapsigen Kommentar „haste gut gemacht, Birte, echt klasse“ zu bekommen.
Bei dem kleinen Bullen, der vor knapp zwei Wochen geboren wurde und nach nur vier Tagen starb, erlebten die Tierpfleger eine andere Welt. Auch am 23. Juni sahen Millionen Menschen in ihrem Wohnzimmer zu, verfolgten wie der kleine Langhals bei der Geburt aus zwei Metern auf den Boden krachte und in den nächsten Tagen mit recht eigenwilligen Schritten überraschte.
Die Folge: Die neuen Internetexperten meldeten sich zu Wort, suchten die Tierpfleger, gaben Ratschläge. Einige vermuteten sogar einen Tod aus Vernachlässigung, weil der kleine Bulle in Gelsenkirchen keine große Zukunft gehabt hätte. „Giraffenherden sind Haremsherden“, erläutert Haas, ein geschlechtsreifer Bulle dulde keine Nebenbuhler. Von daher werden männliche Nachkommen in einem bestimmten Alter an andere Zoos abgegeben.
Webcam wurde jetzt abgebaut
Die PC-Verschwörungstheoretiker hatten natürlich nicht Recht. „Der kleine Bulle hatte eine Wirbelsäulenverletzung, eine Hirnhautentzündung sowie einen Herzfehler“, berichtet Haas. Er sei in den letzten zehn Jahren bei insgesamt neun Giraffengeburten das zweite Jungtier gewesen, das gestorben ist.
Baby-Boom in Afrika
Nach den Erlebnissen der letzten Monaten haben die Verantwortlichen das Vorhaben, live aus dem Giraffenhaus zu berichten, aufgegeben. Die Webcam wurde demontiert. Am vergangenen Donnerstag brachte die 14-jährige Ajasaba einen kleinen Bullen zur Welt. Ohne zeitgleiche Anteilnahme der Internetgemeinde. Der Zoo informierte die Öffentlichkeit wie vor 10 und 20 Jahren über das freudige Ereignis: per Pressemitteilung.