Essen.. Das Eisenbahnbundesamt hat mit einer Eilverordnung auf eine Reihe von Zwischenfällen reagiert: Der Sand, der bei der Bahn zum Bremsen eingesetzt wird, stört elektronische Warnsingnale. Die Folge: Gleise werden irrtümlich als frei befahrbar gemeldet.

In den ersten Morgenstunden des 25. November 2008 zerreißen ein dumpfer Schlag und metallisches Scheppern die nächtliche Ruhe im nördlichen Revier. Zwischen  Recklinghausen Ost und Suderwich ist ein Kohlezug der RAG mit Tempo 80 in eine stehende Rangierlok gerast. Beide Lokführer werden nach eineinhalb Stunden schwierigster Rettungsarbeiten geborgen. Sie werden noch in der Nacht notoperiert und überleben.

In der ersten Erklärung heißt es wie so oft, menschliches Versagen sei die Ursache des Zugunglücks. Falsch. Schon einen Monat zuvor hatte es in Duisburg-Beeck einen ähnlichen Vorfall gegeben, und heute ist sicher: Es liegt ein Systemfehler bei der Gleissicherung vor.

Mindestens vier weitere Zwischenfälle

Nach dem Crash von Recklinghausen kam es in Hannover, Potsdam, Frankfurt und im süddeutschen Neckarelz zu mindestens vier weiteren Unfällen und Beinaheunfällen mit derselben Ursache. Nach dem jüngsten Zwischenfall vor zwei Wochen hat das Eisenbahnbundesamt mit einer Eilverordnung vom 20. Dezember 2012  deutsche Bahnunternehmen angewiesen, vor allem bei geringen Geschwindigkeiten auf den Einsatz ihrer Lok-Sandstreuer zu verzichten und stattdessen eher zu bremsen.

Loks bremsen häufig mit Sand. Doch wie aus dem Bericht des Amtes hervorgeht, kann der Sand bei feuchter Witterung die eingebauten elektronischen „Fühler“ in den Gleisen, den so genannten Gleisstromkreis, isolieren. Die Folge: Gleise werden für einfahrende Loks als frei gemeldet, obwohl sie tatsächlich durch einen anderen Zug blockiert sind.

Der Mensch wird wieder letzte Kontrollinstanz

Werden die neuen Regeln nicht eingehalten, drohe ein „enormes Schadenspotenzial“, schreibt das Amt -  und Unfälle „mit einer Vielzahl an Toten und Verletzten“. Betriebliche und wirtschaftliche Interessen müssten deshalb „gegenüber der Gefährdung von Leben und Gesundheit einer unbekannten Vielzahl von Menschen zurücktreten“.

Frank Schmidt, Chef der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) in NRW, sagte der WAZ, es sei gut, dass das Bundesamt diese Konsequenzen gezogen habe. Zwar gehöre eine solche Gefahrensituation nicht zum Alltag der Lokführer. Aber die Anweisung zeige: „Wenn künftig doch mit Sand gebremst wurde, muss der Fahrdienstleiter kontrollieren, ob das Gleis frei ist. Der Mensch wird wieder in die Sicherheit eingeschaltet“. Die Bahn teilt dazu mit: "Einen Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes, auf bestimmten Strecken die Bremsvorgänge zu ändern, setzt die Deutsche Bahn bereits seit dem 21.Dezember 2012 um. Eine entsprechende Weisung wurde an alle Triebfahrzeugführer herausgegeben. Die Sicherheit von Reisenden in DB-Zügen war zu keinem Zeitpunkt gefährdet."