Essen. Wie fühlt es sich an, nach 17 Jahren aus der Gefangenschaft im Libanon heimzukehren? Die Mini-Serie „Hatufim“ beantwortet die Frage und hat das Thema zu einem außergewöhnlichen Drama in zehn Teilen verdichtet. Sie war das Vorbild für „Homeland“, setzt aber entscheidenden Stellen andere Akzente.

Wie fühlt es sich an, nach 17 Jahren aus der Gefangenschaft im Libanon heimzukehren? Und was macht es mit denen, die zu Hause in Israel gewartet oder vielleicht längst aufgegeben haben und nun alles irgendwie zurückspulen wollen? Eine israelische Fernsehserie hat das zu einem außergewöhnlichen Drama in zehn Teilen verdichtet. Es ist kein Zufall, dass „Hatufim – In der Hand des Feindes“ (Arte, Donnerstag, 21 Uhr, erster und zweiter Teil) so sehr an die preisgekrönte Serie „Homeland“ erinnert: Der Autor Gideon Raff ist für die amerikanische Version mitverantwortlich.

Wer nun in „Hatufim“ einen ähnlich konstruierten Thriller nur in anderer Umgebung erwartet, der wird enttäuscht, aber keineswegs unangenehm. Raff setzt hier eher auf Stille und widmet sich nur am Rande der Frage, ob die beiden Soldaten Nimrod und Uri unter der Folter des Feindes womöglich zu Agenten der Gegenseite wurden.

Was machen 17 Jahre Isolation und Folter aus einem Menschen?

Während „Homeland“ die Angst vor einem Anschlag ins Zentrum rückt und damit den Nerv der Amerikaner trifft, entpuppt sich „Hatufim“ vor allem als starkes Psychodrama, das sich dem Seelenleben seiner Figuren widmet: Was machen 17 Jahre Isolation und Folter aus einem Menschen? Wie kann er in etwas Ähnliches wie Normalität finden? Und wie gehen die Familien damit um?

„Ich bin nicht mehr dieser Mann“, sagt Uri einmal zu seiner einstigen Verlobten Nurit, als sie ihn umarmt und versucht, ihn an alte Zeiten zu erinnern. Es ist mehr als eine Phrase. Uri ist gebrochen, er wird von den grausamen Bildern der Vergangenheit gequält. Er zuckt zusammen, wenn die Aufzugtür zuknallt und schaut keinem mehr in die Augen. Wann wird Nurit ihm erzählen, dass sie vor Jahren seinen Bruder heiratete, gar einen Sohn mit ihm hat, weil sie ihren Verlobten für tot hielt? Oder darf sie es nie? Wie bringt man ein altes und ein neues Leben zusammen? Und wie unmenschlich kann dieser Druck werden?

Geschichten aus dem Innenleben des israelischen Alltags

Nimrod dagegen, Uris robuster Freund, ist wild entschlossen, den Schrec­ken hinter sich zu lassen und genießt die neue Freiheit beim Joggen. Doch für seine Kinder ist er ein Eindringling, ihre Mutter Talia muss als Blitzableiter für die Spannungen dienen. Amiel, der dritte Soldat, hat die Gefangenschaft nicht überlebt, Gideon Raff lässt ihn in den Erinnerungen seiner Schwester Yael weiterleben.

Genügend Stoff für ebenso pac­kende wie bewegende Geschichten aus dem Innenleben des israelischen Alltags, in dem Soldaten große Verehrung genießen und ein ganzes Land an ihren Schicksalen Anteil nimmt. Schauspieler, die hierzulande niemand kennt, geben den Figuren scharfe Konturen und ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Ein TV-Juwel.