Kap Arkona.. Nur noch wenig Hoffnung besteht für das Überleben des am zweiten Weihnachtsfeiertag auf Rügen verschütteten zehnjährigen Mädchens. Die Rettungskräfte versuchen 18 Stunden nach dem Unglück von der Seeseite am Kap Arkona her, eine Spur zu finden. Die schwer verletzte Mutter war mit ihren beiden Töchtern beim Spaziergang von dem Abrutsch an der Steilküste überrascht worden.
Tragisches Ende eines Weihnachtsspaziergangs auf der Insel Rügen. Eine Mutter und ihre beiden 14 und zehn Jahre alten Töchter wurden vom plötzlichen Abrutsch von Kreide und Mergel an der berühmten Steilküste überrascht. Die Frau wurde schwer verletzt, die ältere Tochter blieb unversehrt. Das jüngere Mädchen ist seitdem vermisst. Nach ihm wird immer noch verzweifelt gesucht.
Eine gespenstige Szenerie herrscht am späten Abend des zweiten Weihnachtsfeiertags an Rügens Kap Arkona. Von Notstromaggregaten gespeiste Suchscheinwerfer werfen lange Schatten der Einsatzkräfte auf die 38 Meter hohe Steilküste, über deren Klippen der Lichtpegel des alten Schinkelleuchtturms hinaus auf die Ostsee strahlt. Keuchend stemmen die Helfer ihre Spaten und Schaufeln in den harten Kreidemergel. Doch ihre Hoffnung, das nach einem Küstenabbruch vermutlich unter der zwei Meter dicken Schicht verschüttete Mädchen noch lebend zu finden, sinkt mit jeder Minute.
Steven Anhut hatte am Montag gerade mit Familie daheim bei Weihnachtskaffee und Erdbeertorte gesessen, als plötzlich gegen 15.40 Uhr sein Alarmpieper zum Einsatz rief. Keine zwölf Minuten später war er zusammen mit seinen Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr Putgarten am Strand unterhalb der alten Nebelstation am Gellort.
Feuerwehrleute suchen brusthoch im eiskalten Wasser
„Wir trauten unseren Augen kaum“, sagt der 38-Jährige. Aus der Steilwand hatte sich eine riesige Kreidescholle gelöst. Auf einem Uferfelsen saß eine zitternde, schwer verletzte Frau, neben ihr im Wasser weinte ein unter Schock stehendes 14-jähriges Mädchen. Mit einer Trage hievten die Helfer die beiden offenbar ins Meer geschleuderten Opfer über die 230 Stufen zählende Steilküsten hinauf zum Rettungswagen. Zur gleichen Zeit staksten Feuerwehrleute brusthoch im eiskalten Ostseewasser und stocherten mit Stangen nach der vermissten zehnjährigen Tochter der Familie.
Es sei der erste Küstenabbruch an dieser Stelle, sagt Putgartens Bürgermeister Ernst Heinemann. „Aber irgendwann musste das ja so kommen!“ Erst vor zwei Jahren habe die Gemeinde den Wanderweg oberhalb des Küstenhangs um zehn Meter landeinwärts zurückbauen und am Strand vorsichtshalber Warnschilder aufstellen lassen. Man war gewarnt. Erst drei Jahre zuvor hatte sich nur ein paar Hundert Meter entfernt ein Küstenabschnitt am Wall vor Arkonas berühmter slawischer Tempelburg gelöst.
Suchhunde schlagen an
Dieses Mal stürzten nach tagelangen Regenfällen etwa 2000 bis 5000 Kubikmeter Kreideschollen und Mergel in die Tiefe, schätzt Heinemann, der seit 1974 am Kap lebt. Eine vierköpfige Familie habe gesehen, wie die vor ihr laufende Frau und ihre beiden Mädchen von den Erdmassen erwischt wurden. Ein Mädchen sei daraufhin sofort die Treppe hinauf gerannt und habe die Mitarbeiter eines Künstlerhauses um Hilfe gerufen.
Sofort danach wurde Alarm ausgelöst. „Ich habe meine Feuerwehr-Jungs noch nie so schnell am Einsatzort gesehen“, sagt Heinemann, der gerade im Dorf unterwegs war. Bis zu 120 Helfer von Feuerwehren und des Technischen Hilfswerkes eilten an den Katastrophenort. Iris Möbius, Imbissbesitzerin am Kap, öffnet kurzerhand noch einmal ihren Laden und versorgte die Rettungskräfte über die Nacht mit Heißgetränken und Buletten.
Gemeinde will Silvester-Feuerwerk vermutlich absagen
Der Einsatz eines mit Wärmekameras ausgestatteten Polizeihubschraubers brachte keine Erkenntnisse über den Verbleib des zehnjährigen Mädchens. Am frühen Abend schlugen Suchhunde an. Doch die Chance, das Kind noch lebend aus der betonharten Kreideschicht zu bergen, sei gering, sagt einer der Helfer. Am späten Abend wurde ein kettenbetriebenes Amphibienfahrzeug angefordert, das auf dem schwer zugänglichen Strandabschnitt mit einer Baggerschaufel graben könnte.
Bürgermeister Heinemann sagte, die Gemeinde erwäge, das traditionelle Höhenfeuerwerk am Kap zum Silvesterabend dieses Mal abzusagen. „Wir müssen vielleicht ein anderes Verhältnis zur Natur gewinnen. Dazu gehört, dass die Steilküste eben nicht mehr zu jeder Jahreszeit betreten werden kann.