Washington.. Die Liste der Hollywoodstars, die an Alkohol und Drogen zugrunde gehen, ist mit dem großen Schauspieler Philip Seymour Hoffman um einen Namen reicher geworden. Hoffman, der auf der Leinwand vorzugsweise gebrochene Figuren darstellte, ist selbst zerbrochen.

Warum ist der Beruf des Filmschauspielers lebensgefährlich? Wie muss man beschaffen sein, um im ständigen Grenzübertritt zwischen Welt und Scheinwelt mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben? Und wie kaputt ist eigentlich eine Branche, die ohne betäubende Chemie nicht auskommt und ihre wirkungsmächtigsten Talente regelmäßig an Exzesse, Schwermut, Alkohol und harte Drogen verliert?

Wann immer die Liste derer länger wird, die wie jetzt der große Philip Seymour Hoffman mit 46 zu früh gestorben sind, tauchen diese Fragen ritualhaft auf. Und verschwinden wieder. Unerledigt. Bis zum nächsten Mal, wenn einer zu hoch fliegt und sich wie Ikarus verbrennt. So war es bei John Belushi (33, 1982) und River Phoenix (23, 1993). So war es schon viel früher bei Marilyn Monroe (36) und Montgomery Clift (45). So war es zuletzt bei Heath Ledger (28), in dessen Leiche vor sechs Jahren Schmerzmittel, Schlaftabletten und Angstattackenlöser miteinander konkurrierten. Das Publikum trocknet sich die Tränen, steht am Boden und schaut besorgt nach oben. Der nächste Absturz kommt bestimmt. Weiter im Text.

War die Tragödie nicht zu verhindern?

Bei Philip Seymour Hoffman, auf dessen Kondolenzliste am Montag kaum ein großer Name von George Clooney über Kevin Spacey und Tom Hanks bis Kevin Costner fehlte, ist die Tragik übermenschlich groß. Ein Mann, der auf der Leinwand vorzugsweise gebrochene Figuren darstellte, ist selbst zerbrochen. Ob an sich selbst, also absichtsvoll, oder an einer Unachtsamkeit, sprich Überdosierung, das wird verlässlich vielleicht nie restlos geklärt werden. Die Nadel im Arm und das weiße Pulver neben sich auf den Fliesen seines Badezimmers im Süden Manhattans geben allein keine Antwort.

War die Tragödie nicht zu verhindern? Gab es keine Warnsignale? Hat er nicht an seine Frau Mimi gedacht und an die drei gemeinsamen Kinder Cooper, Tallulah und Willa? Die gängigsten Fragen sind wieder die hilflosesten. Seymour, meist übergewichtig und maßlos im Genuss, hatte in Interviews offen eingeräumt, als junger Kerl so ziemlich alles geraucht, geschnupft, gespritzt und getrunken zu haben, was das Universum im Regal stehen hat. Aus „Angst um mein Leben“ ging er in den Entzug, war über 20 Jahre clean, bis auf Zigaretten. Im letzten Jahr muss es zum Rückfall gekommen sein. „Ich drohe vom Wagen zu fallen“, sagte er. Von harten Drogen war die Rede. Von Heroin. Mit 46. Verflucht.

Er gab sich nur Freunden und Familie preis

„PSH“ war das eindrucksvollste Chamäleon seiner Generation. Verschlossen als Mensch, der sich nur Freunden und Familie preisgab, nie den Medien. Atemberaubend im Beruf. Seiner Zeit weit voraus. Und doch aus ihr gefallen. Einer, der die seelischen Qualen seiner Figuren so sichtbar machte, dass es beim Zuschauen schmerzt.

Der Transvestit in „Flawless“, der eklige Stalker in „Happiness“, der obsessive Zocker in „Owning Mahowny“: Philip Seymour Hoffman, dieser bullige Mensch mit den wässrig-gütigen Augen, der blässlichen Haut, den strohblond-rötlichen Haaren und dem tiefen Bass, lotete die Abgründe seiner Charaktere bis zum Anschlag aus. Schauspielerei, das war für ihn Kampf und Kraftakt. So sind 50 Filme in knapp 25 Jahren entstanden. Planübererfüllung in Hollywood.

Er konnte Gänsehaut nur mit Blicken auslösen

„Der Duft der Frauen“, „Magnolia“, „The Big Lebowski“, „Der talentierte Mr. Ripley“, „Unterwegs nach Cold Mountain“, „Glaubensfrage“, „The Ides of March“, „The Hunger Games“ - seine Filmographie, die ihm Rollen als Schurke, Priester, CIA-Agent, Baseball-Trainer und Sekten-Guru bescherte, ist facettenreich wie keine zweite. Manchmal, wie in „Almost Famous“, wo er einen Rockmusik-Kritiker gibt, reichten Hoffman wenige Szenen aus, um zur moralisch-ethischen Instanz eines Filmes zu werden.

Oder zum Traum schlafloser Nächte. Wer ihn bei Paul Thomas Anderson („The Master“) als den bei Scientology angesiedelten Menschenfänger Lancaster Dodd sah oder in seiner Oscar-prämierten Rolle als Truman Capote in „Capote“ wird die Gänsehaut nicht vergessen, die der Mann nur mit Blicken auslösen konnte.

In seinem letzten eigenen großen Film spielt „PSH“ den Spionage-Offizier Günther Bachmann in „Marionetten“, einer Geschichte nach John le Carré. Eine geschundene, tragische Figur. Der englische Titel klingt wie ein Vermächtnis: „A Most Wanted Man“.