New York. Der große Charakter-Darsteller Philip Seymour Hoffman ist mit 46 Jahren offenbar an einer Überdosis Heroin gestorben. Der Oscar-Preisträger ist am Sonntag tot in einer Wohnung in Manhattan gefunden worden, erklärte die New Yorker Polizei. Philip Seymour Hoffman hatte gerade erst ein neues Regie-Projekt übernommen.

Er war das Sondertalent fürs Bizarre, Abgründige und Allzumenschliche vor und hinter der Kamera. Und auf der Bühne sowieso. Wenn so einer die Geschichte von einer Jugendwette mit seinem Freund Bennett Miller streut - man schwor sich offenbar, die Dankesrede zu bellen, sollte man jemals einen Oscar gewinnen - , dann glaubt man ihm.

Am Ende ist Philip Seymour Hoffman dann aber doch nicht auf den Hund gekommen bei der 78. Prämierung von Hollywoods Bestleistungen. Als der im Juli 1967 in Airport im US-Bundesstaat New York als Sohn eines deutschstämmigen Vaters geborene Mime für die noch heute Maßstäbe setzende Anverwandlung des schriftstellernden Adabeis Truman Capote („Capote“) 2006 den Jackpot für die beste männliche Hauptrolle abräumte, bedankte er sich ganz bescheiden und normal bei den Kollegen. Und besonders bei seiner Mutter. Aber er hätte anders gekonnt.

Philip Seymour Hoffman machte seelische Qualen seiner Figuren sichtbar

„PSH“ war das vielleicht eindrucksvollste Hollywood-Chamäleon seiner Generation. Schüchtern und scheu als Mensch. Atemberaubend im Beruf. Seiner Zeit weit voraus. Und doch aus ihr gefallen. Einer, der es sich zur Pflicht gemacht hat, die seelischen Qualen seiner Figuren, die dunklen Innenwelten so sichtbar zu machen, dass es beim Zuschauen schmerzt.

Der Transvestit in "Flawless", der eklige Stalker in "Happines", der obsessive Zocket in "Owning Mahowny": Seymour Hoffman, dieser bullige Mensch mit den wässrig-gütigen Augen, der blässlichen Haut, den strohblond-roten Haaren und dem vom Rauchen tiefen Bass, lotete die Abgründe seiner Charaktere bis zum Anschlag aus. Schauspielerei, das war für ihn, der in jungen Jahren vor einer aussichtsreichen Karriere als Ringer stand, Kampf.

Philip Seymour Hoffman gewann 2006 den Oscar als bester Hauptdarsteller.
Philip Seymour Hoffman gewann 2006 den Oscar als bester Hauptdarsteller. © afp | Unbekannt

Sein Erweckungserlebnis hatte Philip Seymour Hoffman im Schultheater-Ensemble in Rochester. Er spielte Willy Loman in Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden". Den Virus, den er sich hier fing, wurde er nie wieder los. „Eine neue Welt tat sich damals für mich auf.“ An der Tisch School of Arts in New York City studierte er sein Fach. Seit Anfang der Neunziger wechselte er zwischen Filmarbeiten für die ambitioniertesten Independent-Regisseure Amerikas und diversen Theater-Engagements am Broadway fortwährend die Seiten.

Meist übergewichtig und maßlos im Genuss

Bis zuletzt war er bei der New Yorker LAByrinth Theater Company deren künstlerischer Direktor. Ein Berserker vor dem Herrn. Meist übergewichtig und maßlos im Genuss, zu dem, wie er zuletzt offen einräumte, auch nach über 20 Jahren Abstinenz wieder Drogen gehörten. Harte Drogen. Heroin. „Ich drohe vom Wagen zu fallen“, sagte er nach einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik in einem Interview jüngeren Datums.

Ein Zimmergenosse hatte ihm einmal mit auf den Weg gegeben: „Du und ich, wir müssen eines Tages richtig gut sein, sonst werden wir es zu nichts bringen." PSH wurde mehr als richtig gut. „Der Duft der Frauen", "Magnolia", "The Big Lebowski", "Boogie Nights", "Der talentierte Mr. Ripley", "Red Dragon", "Unterwegs nach Cold Mountain“, „The Hunger Games“ - seine Filmographie, die ihm Rollen als Schurke, Priester, CIA-Agent, Baseball-Trainer und Sekten-Guru bescheinigt, ist ungewöhnlich facettenreich.

Vater von drei Kindern

Manchmal, wie in „Almost Famous“, wo er einen Rockmusik-Kritiker gibt, reichten Philip Seymour Hoffman ein paar paar wenige Szenen aus, um mit seiner lauernden Raubtier-Autorität zur moralisch-ethischen Instanz eines Filmes zu werden. Oder zum Traum schlafloser Nächte. Wer ihn in dem knapp ein Jahr alten Meisterwerk von Paul Thomas Anderson („The Master“) als den bei Scientology angesiedelten Menschenfänger Lancaster Dodd sah, wird die stabile Gänsehaut nicht vergessen, die der Mann mit nur einem Blick auslösen konnte.

1999 lernte Philip Seymour Hoffman die Kostümbildnerin Mimi O`Donnell kennen und lieben. Bei der Arbeit, wo sonst. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder, den Sohn Cooper und die Töchter Tallulah und Willa. Für sie zu sterben, sagte PSH einmal in einem Interview, wäre es wert zu sterben. Am Sonntagvormittag ist der Schauspieler in seinem Appartement im New Yorker West Village tot aufgefunden worden. Mit einer Nadel im Arm. Alles deutet auf eine Überdosis hin, schreiben die Zeitungen in Manhattan nach Hinweisen aus der Polizei. Vor seinem Haus in der Bethune Street kamen am Abend Hunderte Menschen zusammen. Sie wissen, wen sie verloren haben. Philip Seymour Hoffman wurde nur 46 Jahre alt.

Reaktionen auf den Tod von Philip Seymour Hoffman

Kollegen und Weggefährten haben schockiert auf den Tod des Schauspielers Philip Seymour Hoffman reagiert. Sänger Justin Timberlake (33) schrieb auf Twitter: "Niederschmetternd. Welch ein außergewöhnlich begabter Schauspieler. Ruhe in Frieden." Kollegin Mia Farrow (68) twitterte: "OH NEIN!!!!!" Er sei einer der wunderbarsten Männer und großartigsten Schauspieler gewesen. "Wir, die wir bei jedem deiner Auftritte gestaunt haben, sind dankbar und sehr, sehr traurig."

Elijah Wood (33) ergänzte, sein Herz sei gebrochen und er sei geschockt: "Welch ein großer Verlust". Kollegin Evan Rachel Wood (26) schrieb: "Ihn auf diese Art und Weise zu verlieren, ist absolut tragisch." Comedian Ricky Gervais (52) sprach auf Twitter von "schockierenden und traurigen Nachrichten". Hoffman sei einer der großartigsten Schauspieler seiner Generation gewesen und "ein netter, lustiger und bescheidener Mann".

Steve Martin (68) ergänzte unter Verweis auf Hoffmans gefeierte Theaterrolle in "Tod eines Handlungsreisenden": "Wer ihn als Willy Loman verpasst hat, der hat Willy Loman für immer verpasst." Auch Sängerin Cher, Moderatorin Ellen DeGeneres und Schauspielerin Whoopy Goldberg reagierten geschockt.