Essen.. Die bundeseigene „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ will verseuchtes Material aus dem indischen Bhopal nach Deutschland fliegen – und Millionen kassieren. Das Geschäft ist lukrativ, denn Deutschland hat den Ruf des „Giftmülleuropameisters“.

27 Jahre ist es her, dass im indischen Bhopal aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide etwa 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat austraten. Tausende Menschen starben, hunderttausende leiden noch heute an den Folgen der Katastrophe. Auf dem verwaisten Gelände der US-Firma lagern noch immer 350 Tonnen Giftmüll. Die will jetzt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) per Flugzeug nach Deutschland bringen und hier verbrennen lassen.

„Uns liegt noch kein Auftrag vor“, erklärt René Hingst, Sprecher der GIZ. Allerdings: Die Planungen sind fortgeschritten. In einem internen Papier bietet die GIZ, ein gemeinnütziges bundeseigenes Unternehmen, das dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstellt ist, die Entsorgung des Giftmülls für 3,5 Millionen Euro an. Wobei die Verbrennungskosten in Deutschland mit weniger als zehn Prozent der Summe, mit lediglich 320 000 Euro, veranschlagt werden.

Wirtschaftspartner statt Gutmenschentum

Teurer fällt der kalkulierte Kauf und Transport von Europaletten und Plastikbehältern für den Müll aus. Laut der geheimen Kostenaufstellung der GIZ sollen dafür alleine 430 000 Euro anfallen. „Der gewünschte Lufttransport erfordert spezielle Verpackungsmaterialien, und die sind leider nicht am indischen Markt erhältlich“, sagt Hingst. Auch nicht zu verachten: Ein externer Experte, der die Einfuhrpapiere für den Giftmüll besorgen und in Bhopal die Verpackung überwachen soll, soll für veranschlagte 240 Tage Arbeit im Jahr 384 000 Euro erhalten. Unterstützt wird er von weiteren fünf externen Beratern, deren Einsatz mit 550 Euro pro Tag vergütet werden soll.

27 Jahre ist es her, dass im indischen Bhopal aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide etwa 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat austraten
27 Jahre ist es her, dass im indischen Bhopal aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide etwa 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat austraten © AP Photo/Sondeep Shankar | Unbekannt

Bezahlen wird die Rechnung Indien. Die GIZ, entstanden am 1. Januar 2011 aus der Fusion des Deutschen Entwicklungsdienstes und „Der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“, hat sich umorientiert. Weg vom Gutmenschentum einer Entwicklungshilfe-Gesellschaft. Hin zum Wirtschaftspartner, zum Global Player.

Zwei Milliarden Umsatz 2011

Bernd Eisenblätter, früherer Chef der GIZ, beschrieb es so: „Eine stärkere Verschränkung von Wirtschaft und Entwicklung ist wichtig für die Relevanz der Entwicklungszusammenarbeit.“ 2011 hat die GIZ einem Umsatz von fast zwei Milliarden Euro erwirtschaftet. Kein schlechter Anfang.

Mit der neuen Ausrichtung hat sich die GIZ nicht nur Freunde gemacht. Erst kürzlich haben die Grünen die Zusammenarbeit der GIZ mit Saudi Arabien kritisiert. „Ausgerechnet mit dem menschenrechtsverachtenden Regime in Saudi-Arabien übernimmt die GIZ Beratertätigkeiten für Überwachungstechniken“, erklärte die Entwicklungsexpertin Ute Koczy.

40 Sondermüllverbrennungsanlagen in Deutschland

Doch zurück zum Müll: Das Geschäft ist lukrativ. Und Deutschland hat den Ruf des „Giftmülleuropameisters“. Sagt zumindest die EU. Mit 2,7 Millionen Tonnen „war Deutschland zwischen 2007 und 2009 der größte ,Einführer’ von gefährlichen Abfällen“ in die EU. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Europäischen Kommission hervor. Deutschlandweit stehen 40 Sondermüllverbrennungsanlagen, die hungrig darauf warten, befüllt zu werden.

Neben Müll-Giganten wie Remondis, Trienekens, Edelhoff & Co drängt jetzt auch eine bundeseigene Firma auf den Markt. Denn die 350 Tonnen könnten, so befürchten Umweltschützer, nur ein Türöffner sein. Laut indischer NGO’s (Nichtregierungsorganisationen) lagern auf dem ehemaligen Union-Carbide-Gelände zwischen 28 000 und 50 000 Tonnen kontaminierter Abfälle.

Referenzliste nennt bereits durchgeführte Müllimporte

Mit dem Bhopal-Projekt betritt die GIZ übrigens kein Neuland. In einer Referenzliste nennt sie bereits durchgeführte Müllimporte aus diversen Ländern, darunter Nepal, Tansania und Indien. Bekannt geworden sind diese Geschäfte nicht. Vielleicht wegen einer Verschwiegenheitsklausel, wie sie in dem geheimen Papier zum Indien-Geschäft auftaucht: „Das einzige Risiko ist die Reaktion der deutschen Bevölkerung, wenn sie von unserem Plan erfahren, den Bhopal-Müll in einer deutschen Anlage zu verbrennen.“

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