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Offiziell laufen Aufzeichnungen mit Zuschauern angeblich prima. War der Eklat bei der Aufzeichnung von Jörg Pilawas Rate-Show „Rette die Million“ nur ein seltener Ausrutscher?

Das Publikum – nur lästiges „Klatschvieh“? Hinter vorgehaltener Hand grassiert das Unwort in so manchem Sender. Offiziell hingegen laufen Aufzeichnungen mit Zuschauern prima. Der Eklat bei Pilawa, so scheint’s, war nur ein seltener Ausrutscher, dem Hype der Million Euro gezollt. „Die haben ein bisschen auf die Pauke gehauen, damit das interessanter aussieht“, vermutet Jacky Dreksler, Produzent von mehr als 600 TV-Sendungen (SamstagNacht).

Denn eigentlich sind die Sender lieb zu ihren Gästen. Sollten sie auch. „Was nützt ein Publikum, das gelangweilt und klatschfaul in die Kamera gähnt?“, fragt Dreksler. In Werbepausen sei man bei seinen Formaten immer mit Wasser durchs Publikum gegangen. Sein Partner Hugo Egon Balder habe sehr viel Wert auf gut gelaunte Zuschauer gelegt. „Er kommt vom Theater, hat einen Bezug dazu“, sagt Dreksler.

Wässerchen und Torwandschießen

So serviert auch RTL bei DSDS laut Pressesprecherin Anke Eickmeyer dem Publikum „zwischen Live- und Entscheidungsshow Brezel und Getränke“. Auch bei „Schlag den Raab“ bekommen die Gäste Wasser angeboten, dürfen laut Brainpool-Sprecherin Katja Plüm zur Toilette gehen. Ansonsten seien die Raab-Formate mit Studioaufzeichnungen nicht vergleichbar. „In den großen Hallen, zum Beispiel bei der Car Crash Challenge in der Gelsenkirchener Arena, könnten die Zuschauer die Halle jederzeit verlassen.

Beim ZDF unterhält man die Besucher von „Wetten, dass ...“ ab 18 Uhr mit einem „Pre-Event“: Torwandschießen, Mainzelmännchen kaufen, Pommes rot-weiß. „Natürlich können sie auch zwischendurch zur Toilette gehen“, sagt Pressesprecher Peter Guhnke.

Einstimmige Lobhudelei

Trotz einstimmiger Lobhudeleien mag man die Fürsorge fürs Publikum nicht wirklich glauben. „Ich habe das auch früher schon zwei Mal erlebt“, schreibt uns ein Leser. Bei einer „Jeopardy“-Aufzeichnung seien in Ermangelung genügend „Freiwilliger“ Senderangestellte, inklusive des Produktionsleiters, auf die freien Studioplätze verteilt worden. Als das Genöle des Rest-Publikums dem Produktionsleiter zu laut wurde, habe er losgebrüllt, dass TV schließlich harte Arbeit sei.

Beschwerden gab’s auch bei Ulla Kock am Brink. „Für die Aufzeichnung einer 90 minütigen Produktion (exklusiv Werbung) saßen wir geschlagene 3,5 Stunden im Studio. Auch hier versuchten Mitarbeiter die Zuschauer daran zu hindern, auf die Toilette zu gehen und flehten sie an, zu bleiben. Eine ausreichende Menge von Menschen konnte diese „Mitarbeiter-Barriere“ durchbrechen und verließ das Studio“, berichtet ein Ex-Zuschauer.

„Fernsehen ist ein gnadenloses Geschäft“, sagt Dreksler, der sich vor einigen Jahren ins Privatleben zurückgezogen hat. „Der Zuschauer interessiert keine Sau“.