Copiapo. .

Die seit 19 Tagen in einem Bergwerk in Chile verschütteten Kumpel haben erfahren, dass sie vermutlich noch Monate auf ihre Rettung warten müssen. Die Moral der Gruppe hängt jetzt an Einzelnen.

Den Bergleuten sei mitgeteilt worden, dass eine Rettung vor dem Nationalfeiertag am 18. September nicht möglich sei, „wir aber hoffen, Weihnachten mit ihnen zusammen zu sein“, sagte Gesundheitsminister Jaime Manalich. Er erwarte, dass die nach dem ersten Kontakt am Sonntag unter den Verschütteten entstandene Euphorie nun zunächst in „Depressionen, Angst und Niedergeschlagenheit“ umschlage.

Die 33 Bergleute sitzen seit dem 5. August in knapp 700 Metern Tiefe fest. Damals stürzte die kleine Gold- und Kupfermine San José am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, ein. Am Sonntag wurde der erste Kontakt hergestellt, am Tag darauf wurden die Kumpel über ein acht Zentimeter dünnes Rohr erstmals mit Vorräten versorgt. Dass die für ihre Rettung notwendige Bohrung eines neuen Schachts voraussichtlich drei bis vier Monate dauern wird, wussten die Verschütteten bislang nicht.

Eine Vaterfigur

Die Moral der eingeschlossenen Gruppe, deren jüngstes Mitglied gerade mal 19 Jahre alt ist, wird ganz wesentlich von Einzelnen abhängen. Eigentlich ist Luis Urzua Schichtleiter und somit Chef der Truppe – aber es ist Mario Gomez, der als Mentor der Verschütteten gilt. „Er ist wie ein Vater, der auf seine Kinder aufpasst“, sagt Gino Erazo, der lange mit Gomez zusammengearbeitet hat. Erazo glaubt, dass das Durchhaltevermögen der Männer Gomez’ Führung abhängen wird. Denn: Mario Gomez ist mit seinen 63-Jahren der älteste der Verschütteten – und die Symbolfigur für deren Überlebenswillen.

Liliana Gomez kennt ihren Mann nur als Bergarbeiter. Mit zwölf Jahren lernte er das harte Handwerk von seinem Vater, seitdem hat er nichts anderes getan. Ein „Arbeitstier“ sei er, sagt seine Frau. In der kleinen Gold- und Kupfermine San José am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, in der er nun festsitzt, war er seit neun Monaten beschäftigt und verantwortlich für den Transport der Metalle. Ende des Jahres wollte der 63-Jährige in Rente gehen.

Mit enormer Erfahrung

Gomez genießt allgemein Respekt – von seinen Chefs, den Kollegen, selbst seine Freunde loben als erstes seine langjährige Erfahrung als Bergmann. Monate bevor er seine Arbeit in der Mine San José aufnahm, kannten die Kumpels dort schon seinen Namen, erzählt Schwiegersohn Claudio Campillay. Sein Wissen und seine Erfahrung seien „enorm“, sagt Campillay.

Genau dieser Erfahrungsschatz dürfte beim Überleben der Gruppe eine wichtige Rolle spielen. Nach Einschätzung des französischen Bergbauexperten Michael Siffre sind Führungsfiguren wie Gomez’ entscheidend, um Panik zu verhindern, für einen einigermaßen geregelten Tagesablauf zu sorgen und den Frieden unter den auf engem Raum eingeschlossenen Männern zu wahren. Hilfreich dürfte dabei auch sein, dass Schichtleiter Urzua aus ähnlichem Holz wie Gomez geschnitzt zu sein scheint: Als Bergbauminister Laurence Golborne erstmals Kontakt mit den Kumpels aufnahm, reichten diese das heruntergelassene Funkgerät sofort an Urzua weiter, der knapp und präzise die Lage schilderte.

Ein schüchterner Held

Mario Gomez ist laut seiner Frau eigentlich ein schweigsamer und schüchterner Mensch. Doch die wenigen Worte, die er mit rotem Stift auf einen Zettel schrieb um der Welt mitzuteilen, dass er und seine Kumpel noch am Leben sind, reichten aus, um ihn auf einen Schlag zum Helden zu machen: Sie sind inzwischen auf zahllosen T-Shirts verewigt.

Seine Frau Liliana aber macht der zweite Brief von Mario fast noch fassungsloser: „Er schreibt, dass er mich liebt. Sowas hat er mir noch nie gesagt, nicht einmal während unserer Verlobung war er so romantisch.“ (afp)