Viele homosexuelle Männer würden spenden – doch sie dürfen nicht. Der Verein Schwules Blut e.V. wehrt sich dagegen.
So schlecht, sagt Friedrich-Ernst Düppe, sieht es gar nicht aus. Für die nächsten zwei Tage reichten die Blut-Vorräte noch. Nicht gerade das, was sich die Transfusionsmediziner erhofften, aber „durchaus solide”.
Doch während der Sprecher des DRK-Blutspendedienstes NRW sich für diesen Sommer erstaunlich optimistisch gibt, sieht er langfristig schwarz: Nordrhein-Westfalen, fürchtet Düppe, geht das Blut aus. 3500 Spenden benötigt (und bekommt) das Land heute, täglich. Aber der Bedarf steige dramatisch. Weil die Menschen immer älter und die Medizin immer moderner würde. Schon jetzt fließen 30 Prozent aller Spenden in die Krebstherapie und für eine einzige Lebertransplanation am Essener Klinikum müssen 80 bis 100 Konserven bereitgehalten werden. Unfallopfer benötigen – entgegen landläufiger Meinung – tatsächlich nur 10 Prozent des Bedarfs.
Dringend gesucht also: aktive Spender. Weniger als drei Prozent aller Deutschen sind es bisher; in Großstädten wie Essen (1,65 Prozent), Bochum (1,3), Dortmund (0,75), Duisburg (0,6) oder Oberhausen (0,45) sogar deutlich weniger. Trotzdem darf keineswegs jeder Blut spenden, der will.
Homosexuellen etwa ist es gesetzlich verboten.
Ein Fakt, den ihre Verbände seit Jahren zu ändern versuchen. „Wir fühlen uns durch diese Regelung diskriminiert”, erklärt Klaus Jetz, Geschäftsführer des Schwulen- und Lesbenverbands Deutschland mit Sitz in Köln. „Weil schwulen Männern grundsätzlich ein riskantes Sexualverhalten unterstellt wird und andere danach nicht einmal gefragt werden.”
Natürlich sei die Zahl der HIV-Neuinfektionen bei Homosexuellen höher als bei Heterosexuellen, dafür sei diese Gruppe aber für das Thema besonders sensibilisiert. Nicht „Sind Sie hetero- oder bisexuell?” müssten Spender gefragt werden, sondern: „Halten Sie sich an die Regeln des Safer Sex?” Der Verein Schwules Blut e.V. wirbt mit dem Beispiel eines 42-jährigen Hamburgers um Verständnis: Er war seit Jahren gern gesehener Blutspender, als er sich von seiner Frau scheiden ließ, um mit einem Mann zusammen zu ziehen. Beim nächsten Blutspendetermin gab er wahrheitsgemä´ß an, Sex mit einem Mann gehabt zu haben – und wurde auf Lebenszeit als Spender gesperrt.
Lars-Haucke Martens, Sprecher des 2005 im westfälischen Werther gegründeten Vereins, gibt auf dessen Website zu, schwul zu sein und trotzdem Blut zu spenden. Was nicht strafbar sei und zudem „gängige Praxis”. Aber er sei es leid, „lügen zu müssen”, so Martens. „Ich lasse meine Gesundheit regelmäßig testen und sehe nicht ein, warum ich nicht auch anderen Menschen helfen darf.”
Juristische Grundlage des Ausschlusses Homosexueller vom Blutspenden sind die vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Bundesärztekammer erarbeitete Hämotherapie-Richtlinie und das Transfusionsgesetz. Es wurde 1998 erlassen, fünf Jahre nachdem der „Blutskandal” die Republik erschüttert hatte. Hunderte Deutsche, wurde damals publik, hatten sich in der 80er-Jahren über eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus infiziert.
Homosexuellen gilt das Gesetz längst als veraltet. Länder wie Italien, Spanien oder auch Thailand haben Blutspenden Homosexueller nach deren Protesten zudem längst wieder zugelassen. „Fakt ist jedoch”, hält PEI-Pressesprecherin Susanne Stöcker dagegen „dass siebzig Prozent der Neuinfektionen noch immer homo- oder bisexuelle Männer betreffen.” Sie verstehe, dass sich Betroffene, die seit Jahren monogam lebten, diskriminiert fühlten. „Doch das ist der Preis, den wir zahlen müssen, wenn wir sichere Arzneimittel haben wollen.” Wer zwischen 1980 und 1996 in Großbritannien war, dürfe (wegen BSE) auch kein Blut spenden. Selbst wenn er Vegetarier sei.
Immerhin stellt Stöcker ein „Update” der Hämotherapie-Richtlinie in Aussicht. An den Details wird noch gearbeitet. Doch Homosexuelle würden in der aktualisierten Version „nicht mehr wie bisher in einem Atemzug mit Drogenabhängigen, Prostituierten und Strafgefangenen genannt”. Und der Ausschlusskatalog solle um „Personen mit riskantem Sexualverhalten” ergänzt werden – ohne dass Homosexuelle davon ausgenommen werden. Immerhin. „Irgendwann muss der Groschen doch fallen”, hofft Klaus Jetz.
Friedrich-Ernst Düppe vom Blutspendedienst NRW hofft derweil nur, dass er auch für die nächsten zwei Tage wieder genug Blut auf Vorrat bekommt. Und außerdem, dass ab Herbst auch Über-68-Jährige Blut spenden dürfen. Denn junge Menschen sind fürs Blutspenden derzeit nicht zu begeistern und bislang liegt bei 68 die obere Altersgrenze; eine Studie habe aber unlängst gezeigt, dass das Blutspenden bis 72 „völlig problemlos” sei.