Pago Pago. Wenige Stunden nach dem verheerenden Tsunami auf den Südsee-Inseln Samoa und Tonga suchen die Helfer am Mittwoch nach Überlebenden in den Trümmern. Nach bisherigen Erkenntnissen gab es über 120 Tote. Für 15.000 Menschen wurden Notlager eingerichtet.

Der Regierungschef ringt um Fassung. «So viele Menschen sind tot. Ich bin so schockiert, so traurig», sagt der Ministerpräsident des Pazifikstaats Samoa, Tuilaepa Sailele Malielegaoi, wenige Stunden nachdem die Flutwelle eines tödlichen Tsunamis seinen Inselstaat verwüstet hat. Sein eigenes Dorf sei auch zerstört worden, sagte er.

"Nicht alle konnten fliehen"

Die Alarmsirenen hätten funktioniert und den Menschen Zeit gegeben, an höher gelegene Orte zu flüchten. «Aber nicht alle konnten fliehen», sagte der Regierungschef an Bord eines Flugzeugs von Neuseeland zurück nach Apia, der Hauptstadt Samoas.

Die Flutwellen kamen nach dem Erdbeben einer Stärke von bis zu 8,3 unerbittlich schnell auf die Küsten der Inseln im Südpazifik zugerast. In Amerikanisch-Samoa, rund 200 Kilometer vom Epizentrum entfernt, erreichten vier Tsunami-Wellen mit einer Höhe von bis zu sechs Metern die Küste, wie Nationalparkdirektor Mike Reynolds sagte. Die Wassermassen seien rund eineinhalb Kilometer tief auf Land vorgedrungen.

Eine Bilanz des Schreckens: Insgesamtist mittlerweile von mehr als 120 Toten die Rede. Auf Samoa kamen mindestens 63 Menschen ums Leben, in dem nahen US-Überseegebiet waren es mindestens 30. Dutzende Menschen galten am Mittwoch noch als vermisst, hunderte wurden verletzt. Das Rote Kreuz auf Samoa geht von 15.000 Betroffenen aus und hat fünf Notlager eröffnet. «Ich glaube nicht, dass irgendjemand von diesem Desaster verschont wird», sagte der US-Gouverneur von Amerikanisch-Samoa, Togiola Tulafono, der zum Zeitpunkt des Erdbebens an einer Konferenz auf Hawaii teilnahm.

Spur der Verwüstung in Amerikanisch-Samoa

Wenn die Rettungskräfte in die schwer zugänglichen Gebiete vorstießen, würden sie wohl noch zahlreiche Opfer finden, sagte Tulafono in Honolulu. US-Präsident Barack Obama verhängte den Notstand für die Inseln mit insgesamt etwa 80.000 Einwohnern. In der Hauptstadt Pago Pago waren die Straßen und Felder voller Trümmer und voller Unrat, den der Ozean angespült hat. Die Flutwelle warf Autos und Boote um, die Aufräumarbeiten waren am Dienstagabend in vollem Gang. Häuser waren eingestürzt, niedergerissen vom Erdbeben oder von der Flutwelle. Einzelne Inselteile werden vermutlich wochenlang ohne Strom bleiben, zu viel Infrastruktur wurde zerstört.

Auch im Pazifikkönigreich Tonga westlich von Samoa sollen mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen sein, wie der amtierende neuseeländische Ministerpräsident Bill English sagte. «Es gibt eine große Zahl Menschen, die aufs offene Meer mitgerissen wurde, über deren Schicksal nichts bekannt ist.» Er habe die große Befürchtung, dass sich die Bilanz des Tsunamis in den kommenden Stunden «eher verschlechtern als verbessern» werde, sagte English. Ein Überwachungsflugzeug, das nach Überlebenden suchen soll, sei bereits auf dem Weg.

Samoa wurde am heftigsten getroffen. «Es ging sehr schnell», sagte der Tourist Graeme Ansell in einem Radiointerview. Die Ortschaft Sau Sau auf der Insel Upolu bestehe nur noch aus Ruinen. «Das ganze Dorf ist ausgelöscht worden. Kein einziges Gebäude steht mehr.» Als der Alarm losging, seien sie alle auf nahe Hügel geflüchtet, einer aus der Gruppe habe sich ein Bein gebrochen. «Es wird hier Leute geben, die dringend Hilfe brauchen», sagte er.

Das seit 1962 von Neuseeland unabhängige Samoa, das von 1900 bis zum ersten Weltkrieg ein deutsches Protektorat war, liegt auf halbem Weg zwischen Neuseeland und Hawaii. Auf den Inseln leben rund 180.000 Menschen. Das etwa zwei bis drei Minuten dauernde Seebeben um 06.48 Uhr Ortszeit (19.48 Uhr MESZ Dienstag) könnte sich zu einer der größten Katastrophen für den Inselstaat ausweiten. Die Flutwellen machten mehrere Ortschaften dem Erdboden gleich. Auch hier wurden Menschen und Fahrzeuge ins Meer gespült, Häuser zerstört.

Mindestens zwei Deutsche verletzt

Der Tsunami im Pazifik ließ auch die Erinnerungen an die bislang schlimmste Naturkatastrophe dieser Art wachwerden. Nach Weihnachten 2004 bebte die Erde unter dem Indischen Ozean vor Indonesien mit einer Stärke von 9,0. Eine gigantische Flutwelle riss in ganz Asien rund 230.000 Menschen in den Tod. In Thailand oder Sri Lanka kamen damals auch zahlreiche Urlauber ums Leben.

Auch bei dem Tsunami im Südpazifik wurden mehrere Ausländer in ihren Urlaubsorten von den Flutwellen überrascht. Eine Australierin kam dem Außenministerium in Canberra zufolge ums Leben, sechs weitere galten noch als vermisst. Mindestens zwei Deutsche wurden verletzt und konsularisch betreut, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte. Der deutsche Honorarkonsul Arne Schreiber sagte in Interviews des WDR-Radios, ein Ehepaar aus Berlin sei in einem Ferienanlagen von der Welle erfasst worden. Der Ehemann erlitt eine Kopfverletzung und wurde im Krankenhaus behandelt.

Den auf Samoa lebenden Deutschen ist Schreibers Kenntnis nach nichts passiert, wie der WDR weiter berichtete. Das vorausgegangene Erdbeben hatte laut Schreiber keine Schäden verursacht, aber der Tsunami sei an der Südküste «verheerend» über das Land hinweg gegangen. Es sei «erschreckend» gewesen, sagt Schreiber. «Wir sind hier Beben gewohnt, das ist nichts Ungewöhnliches. Nur eben heute war es wahnsinnig stark und lange.» (ap/afp)