Berlin. Die Schauspielerin trat schon vor 43 Jahren im „Tatort“ auf. Welche Erfahrung sie damals in der Branche machte und wofür sie kämpft.
Der neue Kölner „Tatort“ (28. April, 20. 15 Uhr, ARD) beschert Leslie Malton wieder eine Paraderolle – als ehemalige Schlagersängerin, die in einen Mordfall verstrickt wird. Im Gespräch spricht die Darstellerin, die dank Rollen wie in „Der große Bellheim“ einem Millionenpublikum bekannt ist, über ihr Leben und Entwicklungen, mit denen sie nicht so einverstanden ist. Dabei ist die 65-Jährige nicht einfach nur Schauspielerin, sondern versucht auch als Gewerkschaftsvorsitzende Verhältnisse zu verändern, unter denen sie selbst in jungen Jahren noch leiden musste.
Ihr erster „Tatort“ liegt inzwischen 43 Jahre zurück. Wie hat sich Ihre Lebenseinstellung seither verändert?
Leslie Malton: Ich war damals schon dankbar, aber die Dankbarkeit hat einen noch größeren Stellenwert bekommen. Mit Anfang 20 dachte ich, die Schauspielerei ist mein Beruf, den ich immer ausüben werde. Aber ich hatte keinen Begriff davon, was „immer“ bedeutet. Jetzt habe ich das fast 45 Jahre lang gemacht und weiß das nun richtig einzuschätzen.
Meine Empathie, meine Neugier und das Bedürfnis, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen, habe ich verinnerlicht. Meinen Humor hatte ich zwischenzeitlich verloren. Als gebürtige Amerikanerin, die in Wien aufgewachsen war, konnte ich mich über Sachen amüsieren, die viele, mit denen ich hier zu tun hatte, nicht ähnlich lustig fanden. Aber mein Humor hat sich nicht unterkriegen lassen.
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Leslie Malton: „Ich musste nicht besonders verantwortungsvoll sein“
Im „Tatort“ spielen Sie eine ehemalige Schlagersängerin. Schlager steht ja für eine Welt, in der alles harmonisch und unschuldig ist. Traf das auf Ihre Kindheit und Jugend zu?
Malton: Es gab damals schon übergeordnete Probleme – die Ölkrise oder Terroranschläge etwa. Aber persönlich hatte ich nur Schwierigkeiten, wenn ich mich mit mir selbst beschäftigt habe. Als Teenager muss man sich eben als Mensch kennenlernen, und das war furchtbar. Andererseits war es toll, wenn ich Zeit mit meinen Freunden verbracht habe. Ich musste nicht besonders verantwortungsvoll sein – nur meiner Schwester gegenüber, die an der Entwicklungsstörung RETT-Syndrom erkrankt war. Ich empfinde meine Kindheit trotzdem als glücklich. Die Bilder, an die ich mich erinnere, sind alle schön.
Und es gab kein Internet und Smartphones...
Malton: Worüber ich heilfroh bin. Unlängst habe ich einen Bericht gesehen, wo man junge Menschen in den USA gebeten hat, ein Briefkuvert zu adressieren und zu frankieren. Nicht einer wusste, wie man das macht. Ich habe vor Fassungslosigkeit geschrien. Ich bin so glücklich, dass das nicht meine Jugend war. Soziale Netzwerke bieten in meinen Augen keine Substanz. Anfang 20 habe ich Dostojewski und Kafka gelesen. Ich würde nicht behaupten, dass ich alles verstanden habe, aber das hat jedenfalls die Fantasie angeregt.
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Malton fällt hartes Urteil über Facebook & Co.
Sie kommunizieren also auch nicht über solche Netzwerke?
Malton: Nein, abgesehen von einer kurzen Präsenz auf Facebook, als ich das Buch „Brief an meine Schwester“ herausgebracht habe. Ich will auch nicht, dass jemand mir folgt oder mich „liked“. Der Begriff des Freundes hat sich dadurch total verwässert. Man weiß gar nicht mehr, wie man diesen besonderen Menschen im Leben mittlerweile beschreiben soll, um die Beziehung deutlich von allen anderen „Friends“ hervorzuheben.
Allerdings brauchen angeblich Schauspielerinnen und Schauspieler eine Präsenz auf Instagram, da viele Follower die Besetzungschancen erhöhen...
Malton: Ich glaube, dass ich nicht deswegen besetzt werde, sondern wegen meiner Qualität. Wahrscheinlich sehr idealistisch von mir. Aber so bin ich eben. Vermutlich sind davon eher die Jüngeren betroffen, ein Vorteil für uns „Ältere“! Ich für meinen Teil finde diese Form der Besetzung jedenfalls degoutant.
Ihre Figur im „Tatort“ leitet ein Jugendzentrum. Fänden Sie es interessant, auf junge Menschen einzuwirken?
Malton: Auf jeden Fall. Ich würde auch gerne von jungen Menschen mehr erfahren. Aber ich kriege das nicht hin. In unserem Freundeskreis sind entweder keine Kinder oder Kinder, die schon aus dem Haus sind. In unserer Nachbarschaft ist eine Schule, und ich habe überlegt, ob ich anbieten soll, dort mit den Kindern zu lesen oder dergleichen, aber dann halte ich mich wieder zurück, denn ich kann das nicht kontinuierlich durchziehen.
Schauspielerin Malton: „Wir hatten keine Möglichkeit, uns an jemand zu wenden“
Sie sind Vorsitzende der Schauspielgewerkschaft „Bundesverband Schauspiel“ (BFFS). Was haben Sie da für Ihre jungen Kolleginnen erreicht?
Malton: Dafür bräuchten wir hier mehr Platz, so viel haben wir schon erreicht! Sehr wichtig ist mir, das Bewusstsein und das Handeln in unserer Branche zu schärfen, in Bezug auf sexuelle Übergriffe und Gewalt. Wichtige Schritte hat der BFFS schon unternommen, unter anderem gibt es die Themis, die anonyme Beschwerdestelle, deren Telefonnummer auf jedem Tagesdrehplan steht.
Dass es diese Stelle gibt, ist auch als Warnung für die Menschen zu sehen, die übergriffig werden könnten. Damit wird signalisiert, dass Übergriffe ernst genommen werden. Und wenn gewollt, wird ihnen nachgegangen. Aber noch sind wir lange nicht da, wo wir in der Gesellschaft sein sollten.
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Hätten Sie in jungen Jahren solche Schutzmechanismen gebraucht?
Malton: Ja, da sind von Männern schon happige Sachen passiert. Aber wir hatten keine Möglichkeit, uns an jemand zu wenden. Wenn man etwas gesagt hat, hieß es: „Stell dich doch nicht so an.“ Diese Einstellung gibt es so gut wie nicht mehr. Ich muss im Übrigen noch hinzufügen, dass wir uns beim Bundesverband Schauspiel auch für die älteren Kolleginnen einsetzen. Altersarmut ist ein großes Thema, das viel Scham in sich birgt.
Auch das Bild und Leben der Frauen über 47 gilt es zu verändern, wie unsere Kolleginnen von „Let’s Change the Picture“ so beispielhaft angehen. (Anmerkung der Redaktion: „Let’s Change the Picture“ ist eine Kampagne des BFFS, in der sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen 47+ in Film und Fernsehen eingesetzt wird)
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Wie weit sind Sie bei dem letztgenannten Thema gekommen?
Malton: Hier ist einiges in Bewegung geraten. Das sehe ich an den Büchern, die ich angeboten bekomme – zum Beispiel jetzt beim „Tatort“. Bezeichnend ist auch, dass Jenny Schily darin die Freundin von Klaus Behrendt spielt, und nicht etwa eine 23-Jährige.
„Tatort“-Star über Schwester: „Sie hat eine liebevolle Betreuung“
Zu den Herausforderungen Ihres Lebens zählt auch Ihr Engagement für Ihre erkrankte Schwester. Wie geht es ihr heute?
Malton: Es geht ihr gut, weil sie in dem Heim, in dem sie in den USA lebt, eine liebevolle Betreuung hat. Mein Mann und ich besuchen sie immer, wenn wir in Kalifornien sind.
Sie sind auch Botschafterin der Elternhilfe für Kinder mit RETT-Syndrom. Was haben Sie da bewirken können?
Malton: Je früher Eltern wissen, dass ein Mädchen an diesem Syndrom leidet, desto schneller können sie auf die entsprechenden Therapieangebote zurückgreifen. Das Bewusstsein für diese Krankheit ist jetzt stärker ausgeprägt. Aber man kann nie genug Aufmerksamkeit schaffen.