Berlin/Quedlinburg. Die Freude in Quedlinburg war groß: Der Standort der historischen Ottonen-Taufe wurde entdeckt. Doch der Fund sorgt für Verwirrung.
Kaiser Otto I. steht heute in jedem Geschichtsbuch. Der Herrscher aus dem Geschlecht der Liudolfinger machte sich vor allem mit seinem Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld einen Namen, ist in historisch interessierten Kreisen unter anderem auch bekannt für rigorose Adelspolitik und die kulturelle Blütezeit der Ottonischen Renaissance.
Im Jahr 962 zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt, herrschte Otto I. bis zu seinem Tod im Jahr 973 über das von ihm durch die Verbindung von Königtum und Kaiserwürde gegründete Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Es bestand in seinen vielen Grenzen bis ins Jahr 1806 – kein Staatsgebilde auf deutschem Boden existierte bislang länger. Der Kaiser trägt den Beinamen „der Große“, Historiker sprechen meist vom Geschlecht der Ottonen, dessen Gründung ebenfalls auf Otto I. zurückgeht.
Entsprechend sensationell wurde Anfang der Woche ein archäologischer Fund in der Stiftskirche St. Servatii zu Quedlinburg beschrieben. In der mehr als 1000 Jahre alten Kirche ist der Standort des Taufbeckens der Ottonen gefunden worden. „Das Sensationelle ist, dass hier der einzige authentische Ort entdeckt wurde, an dem Mitglieder des deutschen Herrschergeschlechts der Ottonen getauft wurden“, sagte Landesarchäologe Harald Meller am Montag.
Äbtissin Mathilde, „die hier getauft wurde, vertrat Otto III., als er mit seiner Frau in Italien war. Sie war damit faktisch die Herrscherin und Quedlinburg war der zentrale Ort der Macht.“ Lesen Sie dazu auch: Monumentalbau von legendärem Kaiser in Deutschland entdeckt
Ein „außergewöhnlicher Erfolg“
Für viele Christen ist die Taufe auch heute noch eines der wichtigsten Ereignisse im Leben, ihre Bedeutung für die Zeitgenossen war mindestens ebenbürtig. Getauft wurde im 10. Jahrhundert, anders als heute üblich, einmal im Jahr, am Karsamstag, als Kollektivtaufe von Säuglingen beziehungsweise Kleinkindern durch Untertauchen.
Die Täuflinge wurden kreuzförmig, in Richtung der Vierpässe, in das Wasser getaucht, mit zunächst nach Osten, dann nach Norden und abschließend nach Süden gerichtetem Haupt. Dabei wurde die Taufformel „Ich taufe dich im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ gesprochen. Die Zeremonie wurde bei Kerzenschein und Weihrauch durchgeführt und durch liturgische Gesänge und Litaneien begleitet.
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50 Zentimeter tief und zwei Meter breit ist der Vierpass, die Wände der Vertiefung waren aufwendig mit Stücken aus Hochbrandgips ausgekleidet, bei denen es sich um Fragmente eines vormaligen Fußbodens handelt.
Das Taufbecken selbst ist nicht erhalten, der Fund dennoch bedeutsam. Die Archäologen sprechen vom ältesten Nachweis eines vierpassförmigen Taufbeckens, also einem Taufbecken mit vier Bögen, nördlich der Alpen. Kulturstaatsminister Rainer Robra (CDU) jubelte über ein „weiteres Alleinstellungsmerkmal“ für die Unesco-Welterbestadt Quedlinburg und einen „außergewöhnlichen Erfolg“.
Taufbeckenfund stiftet Verwirrung
Doch so sensationell und bedeutsam der Fund der Ottonen-Taufe auch sein mag: Neu ist er nicht, im Gegenteil. Er ist „seit 86 Jahren bekannt und vielfach veröffentlicht“, sagte Archäologe und Heimatforscher Heinz A. Behrens der „Mitteldeutschen Zeitung“ am Mittwoch.
Er verwies dabei etwa auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1959, die das Vierpassbecken beschrieben hatte; Ausgrabungen in der Nazi-Zeit hatten das Becken bereits zutage gefördert, es war wieder verfüllt worden. Auch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt hat 2010 eine Veröffentlichung herausgegeben, in der das Taufbecken „sachkundig gewürdigt“ worden sei.
Das Landesamt sagte der „MZ“ dazu, man wisse natürlich von den Veröffentlichungen, das Vierpassbecken sei „gezielt wieder aufgedeckt und mit aktuell zur Verfügung stehenden Methoden untersucht“ worden. Damit habe man unter anderem den Standort des Taufbeckens auf das 10. Jahrhundert datieren können und herausgefunden, dass es zwei Bauphasen gegeben habe. Auch wisse man nun, dass das Becken nicht aus Stuck gestaltet war.
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Für Laien dürfte es einerlei sein, ob der Standort des Beckens nun gefunden oder wiedergefunden wurde, zumal: Selbst in der Wissenschaft hat die Entdeckung für Aufsehen gesorgt. Projektleiter Donat Wehner etwa sprach im MDR davon, es handle sich um einen „faszinierenden Fund, wahrscheinlich einer der tollsten Funde meines bisherigen wissenschaftlichen Lebens“. Er geht davon aus, dass die Erforschung zu „tollen neuen Erkenntnissen führen wird“.
Die Öffentlichkeit indessen wird von dem Fund wenig haben. Damit auch künftige Generationen noch was von ihm haben, wird er noch vor Ostern wieder vergraben.
(mit dpa)
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