Los Angeles/San Francisco. Was für eine Show: Die Oscar-Verleihung bot kontroverse Momente, große Emotionen, einen bissigen Moderator – und einen verdienten Gewinner.
Late-Night-Host Jimmy Kimmel (56) ist inzwischen ein alter Hase, wenn es an die Oscars geht. Zum vierten Mal gab sich der Komiker die Ehre – und bewies gleich zweimal, dass er sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Gleich in seinem Eröffnungs-Monolog holte er zum Frontalangriff auf die Academy aus: „Ich weiß, ihr habt alle seit eurer Kindheit von einem Oscar geträumt, und jetzt sind wir hier und feiern die besten der besten mit dem größten Film des Jahres: Barbie.“
Regisseurin Greta Gerwig – die bei den Nominierungen leer ausgegangen war – sei es zu verdanken, dass eine Plastikpuppe jetzt eine feministische Ikone sei, befand Kimmel und richtete sich dann direkt an die applaudierenden Stimmberechtigten der Academy im Publikum: „Ihr seid die, die nicht für sie abgestimmt haben. Tut jetzt nicht so, als hättet ihr nichts damit zu tun.“ Ausgenommen war der einzige Vierbeiner im Saal: Border-Collie Messi saß an der Seite von Sandra Hüller im Dolby Theater, herausgeputzt mit Fliege.
Da‘Vine Joy Randolph erhält Oscar als beste Nebendarstellerin
Die Nominierungen für „Barbie“ hatten im Vorfeld der 96. Academy Awards für einigen Wirbel gesorgt, unter anderem, weil Ryan Gosling und nicht Margot Robbie für einen Goldjungen nominiert waren.
Nach seiner Verneigung vor „Barbie“ nahm Kimmel dann die quasi-Doppelnominierung von Sandra Hüller in „Anatomie eines Falls“ und „The Zone of Interest“ zum Anlass, und frotzelte, die beiden Stoffe seien für US-amerikanische Filmfans schon schwer verdaulich. „In ihrem Heimatland Deutschland gelten die Filme aber als romantische Komödien.“
Die Witze waren kaum verklungen, da wartete das erste Highlight der Show: Beste Nebendarstellerin wurde Da‘Vine Joy Randolph für ihre Rolle Mary Lamb in „The Holdovers“. In ihre tränenreiche Dankesrede verpackte die 37-Jährige eine wichtige Botschaft an uns alle: „Ich wollte mein Leben lang immer anders sein, bis ich begriff: Ich muss ich selbst sein.“
Kurz darauf gab‘s das Triple: Die Sci-Fi-Komödie „Poor Things“ (Yorgos Lanthimos) erhielt nacheinander die Oscars für Makeup, Szenenbild und Kostüme.
„Zone of Interest“-Regisseur mit Worten zu Gaza-Krieg
Regisseur Jonathan Glazer ging in seiner Rede auf den Krieg im Gaza ein. Das Holocaust-Drama „The Zone of Interest“ war zum „Besten Internationalen Film“ gekürt worden. Während bei Sandra Hüller die Tränen flossen, dankte Glazer zunächst dem Museum Auschwitz-Birkenau.
Weiter sagte der 58-Jährige: „Alle unsere (filmischen) Entscheidungen haben wir getroffen, um uns in der Gegenwart zum Nachdenken anzuregen. Nicht um zu sagen: Schaut, was sie damals getan haben, sondern: Schaut, was wir heute tun. Unser Film zeigt, wohin die Entmenschlichung in ihrer schlimmsten Form führt, sie hat unsere gesamte Vergangenheit und Gegenwart geprägt.“
Nun stünden sie hier und wehrten sich dagegen, dass „ihr Jüdischsein und der Holocaust“ ausgenutzt würden für eine Besatzung, die für so viele unschuldige Menschen zu Konflikt geführt habe. „Ob es die Opfer des 7. Oktober in Israel oder der andauernden Attacke auf Gaza sind, alle sind Opfer dieser Entmenschlichung.“ Glazer, der aus einer jüdischen Familie stammt, widmete die Trophäe der Widerstandskämpferin Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk, die in seinem Film vorkommt.
Ukrainischer Filmemacher will seinen Oscar eintauschen
Standing Ovations und einen wahren Gänsehautmoment schaffte der ukrainische Journalist Mstyslav Chernov, dessen bereits mit dem Pulitzer-Preis gekrönte Dokumentation „20 Days in Mariupol“ als „Bester Dokumentarfilm“ das Dolby Theatre verließ. In einer bewegenden Rede, Chernov war anzusehen, wie sehr er mit den Tränen zu kämpfen hatte, sagte der 39-Jährige, er wünschte, er habe seinen Film niemals drehen müssen.
„Ich wünschte, ich könnte diesen Oscar dafür eintauschen, dass Russland niemals die Ukraine angreift, nicht unsere Städte besetzt.“ Er könne die Vergangenheit nicht ändern. „Aber wir können alle zusammen sicherstellen, dass die Geschichtsbücher richtig geschrieben werden, dass die Wahrheit siegt und dass die, die ihre Leben gelassen haben, niemals vergessen werden.“
Die wichtigsten Kategorien – einer räumt ab
Ohne den bereits genannten – und nicht genannten – Unrecht tun zu wollen; richtig spannend wurde es dann natürlich bei den wichtigsten Kategorien des Abends: Wer wird beste Hauptdarstellerin, wer bester Hauptdarsteller, wer führte am besten Regie – und welcher ist der beste Film?
Wer den Film gesehen hat, den wird es nicht überrascht haben: „Oppenheimer“war der große Gewinner. Für das Atombomben-Drama räumten Cilian Murphy (Hauptdarsteller) und Christopher Nolan (Regie) den Goldjungen ab.
Die aus deutscher Sicht große Frage des Abends klärte sich kurz darauf: Emma Stone nahm den Oscar für ihre Bella Baxter aus „Poor Things“ mit nach Hause, Sandra Hüller ging leer aus. Stone, in „Poor Things“ furchtlos, überwältigen auf der Bühne die Emotionen. Freudentränen rannen ihr übers Gesicht, als sie ihren Konkurrentinnen dankte.
Oscar für „Bester Film“ geht an „Oppenheimer“
Bevor der „Beste Film“ gekürt wurde, nutzte Gastgeber Jimmy Kimmel die Gelegenheit, dem in Hollywood ungeliebten Ex-Präsidenten Donald Trump einen rechten Haken zu verpassen. Trump hatte sich auf seiner Social Media Plattform Truth Social lautstark über Kimmels Auftritt als beschwert und sich in weinerlichem Wehklagen ergangen, Kimmel behandle ihn „unfair“. Der nahm es mit Gelassenheit, dankte Trump fürs Zuschauen und fragte: „Müssten Sie nicht längst im Knast sitzen?“
Nach dem Intermezzo dann war es so weit und auch hier war es wenig überraschend: Der Oscar für „Bester Film“ ging an „Oppenheimer“.