Rom. Der Gardasee lockt neben Touristen auch die Mafia an. Denn das beliebte Urlaubsziel bietet gute Voraussetzungen für kriminelle Geschäfte.
Der Gardasee mit seinen Stränden, idyllischen Dörfern und der pittoresken Naturkulisse zählt nicht umsonst zu Italiens beliebtesten Urlaubszielen. Für die Einheimischen ist ihr Lago ein schützenswertes Juwel zwischen Trentino, Venetien und Lombardei. Doch an diesem Schatz, der jedes Jahr Tausende Touristen in die Region lockt, wollen sich auch andere bereichern: Mafia-Clans verbinden Arbeit mit Vergnügen und lassen sich am Gardasee nieder.
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Laut einem Dossier der nationalen Anti-Mafia-Behörde DNA ist die Lombardei nach Kalabrien die Region, in der die ‘Ndrangheta – Italiens einflussreichste mafiöse Organisation – am stärksten verbreitet ist. Dass die Mafia nicht nur in Großstädten wie Mailand, Turin und Bologna, sondern auch am Gardasee mitmischt, machten die Ermittlungen zuletzt immer häufiger deutlich.
Gardasee: Das macht die Region für die Mafia so interessant
Das Hauptgeschäft: Glücksspiel. So ergaben Untersuchungen der Staatsanwälte jüngst, dass der einflussreiche Clan Megna aus Kalabrien in der Kleinstadt Sirmione am Gardasee ein Spielcasino errichten wollte. Das Projekt wurde dank der Ermittlungen gegen einen 63-jährigen Unternehmer vereitelt, der kräftig in die Spielhalle investieren wollte.
Auch wegen des rentablen Immobilien- und Tourismussektors nistet sich die Mafia in der Region um den größten See Italiens ein. Reichtum und Schönheit scheinen die Bosse anzuziehen. So investieren Clans in Villen, Lokale, Hotels und sogar Campingplätze, wie aus Berichten der Ermittler hervorgeht. Dabei spielte ihnen die Pandemie in die Hände: Die kriminellen Organisationen kauften touristische Unternehmen auf, die in finanzielle Nöte geraten waren.
Paola Pollini, Präsidentin der Anti-Mafia-Kommission der Region Lombardei, zu der das westliche Ufer des Gardasees gehört, beschäftigt sich tagtäglich mit den Machenschaften der Mafia. „Im Immobiliensektor in Desenzano del Garda wurde zuletzt eine starke Geldwäschetätigkeit festgestellt“, so die Ermittlerin. Wucher nehme zu. Auch im Hotelgewerbe und im Nachtleben gebe es „zahlreiche Unterwanderungen“.
Finanzmafia ist weniger gewalttätig – aber genauso gefährlich
Der starke Tourismusstrom rund um den See ist ebenfalls ein Magnet für kriminelle Organisationen, die in legalen Geschäften ihr Geld waschen wollen. „Der Tourismussektor ist stark bedroht“, berichtet Pollini. „Hier investiert die Mafia viel in Restaurants, in das Gastgewerbe und in den Bau von Gebäudekomplexen.“
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Während die lokalen Unternehmer sich nur mit Mühe über Wasser halten könnten, hätten mafiöse Vereinigungen das entgegengesetzte Problem: „Sie verfügen über zu viel Geld aus Drogenhandel und Prostitution, das sie in die legale Wirtschaft investieren wollen“, erklärt Pierpaolo Romani. Er ist Koordinator des Verbandes Avviso Pubblico, der sich dem Kampf gegen die Mafia und die Korruption verschrieben hat.
Die Mafia, so der Experte, dringe in lokale Unternehmen ein, indem sie erst Beteiligungen erwerbe und dann den ganzen Betrieb schlucke. Dabei setzten die Kriminellen immer weniger auf Gewalt und stattdessen mehr auf Korruption. „Oft verbindet man Mafiosi mit Morden und Drohungen, doch die Finanzmafia agiert anders: Sie schleicht sich mit Korruption in die legale Wirtschaft ein. Nur wenn es anders nicht geht, wendet sie Gewalt an“, warnt Romani. Das führe seiner Einschätzung nach dazu, dass viele Bürger die Gefahr unterschätzten.
Bekannte Mafia-Bosse unterhielten Häuser rund um den See
Rund um den Gardasee sei die Mafia in ihren facettenreichen Formen schon seit Jahrzehnten verankert, vor allem dank Mafia-Mitgliedern, die sich hier mit ihren Familien niedergelassen haben. Darunter die Brüder Ciccimarra, Mitglieder der ‘Ndrangheta, die von ihrem Einfamilienhaus in dem 5000-Seelen-Ort Manerba del Garda aus Drogenhandel betrieben hatten und 2005 verhaftet wurden. Wie der „Südkurier“ berichtet, gibt es allein am Westufer 39 konfiszierte Immobilien, die einst den namhaften Mafia-Clans ‘Ndrangheta, Camorra oder Cosa Nostra gehörten.
Avviso Pubblico klärt in Zusammenarbeit mit Bürgermeistern und lokalen Stellen über deren Vorgehen auf. „Wir haben mehr als 600 lokale Verwaltungsbeamte in der Region Venetien geschult, indem wir ihnen darlegten, wie die Mafia handelt“, so Romani. Dieses Wissen soll auch den Bürgern zugutekommen.
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In Norditalien ist die Mafia schon lange ansässig. Die kriminellen Organisationen fokussieren sich dabei auf bestimmte legale Wirtschaftssektoren, vor allem Gastronomie, Lebensmittelhandel und Autohandel, um auch dort Schwarzgeld in privaten Unternehmen zu waschen.