Berlin. Wenn Lanz seine Gäste löchert, gibt es einen, der ihn hinter den Kulissen mit Infos füttert. Dieser Mann steckt hinter dem Erfolg.
Bei der Berufung von Ministern sind allerlei Kriterien zu bedenken: Geschlecht, Kompetenz, Landesverband – und Markus Lanz. „Wir sind Gesundheitsminister“, jubilierte die Talk-Redaktion im Dezember 2021. Soeben hatte Neukanzler Scholz trotz einiger Skepsis Karl Lauterbach ins Kabinett geholt. Der eigenwillige Rheinländer saß während der Pandemie fast täglich in Talkshows und am häufigsten bei Lanz 28 Mal in zwei Jahren. Am medial derart aufgepumpten Gesundheitsfachmann kam Scholz nicht vorbei.
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Lauterbach und Lanz teilen ein Schicksal. Der Harvard-Professor wirkt in der SPD ähnlich fremd wie der Bergbauernsohn zwischen öffentlich-rechtlichen Laufbahnkräften. Der äußerlich so geschmeidig wirkende Moderator mischt den deutschen Talk immer wieder mit jungenhaftem Rabaukentum auf und verbeißt sich genüsslich in seine Gäste.
Aufsteiger Markus Lanz: Vom Geächteten zum Gastgeber der Republik
1995 wurde er bei Radio Hamburg gefeuert, weil dort ungenehmigt „F*** Chirac“ gespielt wurde, ein Protestsong gegen Frankreichs Atomtests im Mururoa-Atoll, den Lanz auf seinem Synthesizer zusammengestopselt hatte. 2012 vermöbelte ihn die Republik, weil er gewagt hatte, sich am Nationalheiligtum „Wetten dass…“ zu versuchen.
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2014 unterschrieb eine Viertelmillion Bundesbürger die Petition „Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr!“. Acht Jahre später bekam derselbe Lanz den Deutschen Fernsehpreis. Sein Talk wurde von der Zeit als „Salon der Republik“ geadelt.
Markus Heidemanns: Ihm verdankt Lanz sein Erfolgsrezept
Der Erfolg ist ohne einen weiteren Markus nicht zu erklären: Produzent Markus Heidemanns, 59, einer der gewieftesten Fernsehmacher der Republik. Er hat bei Harald Schmidt gelernt, bei Lanz-Vorgänger Kerner die Redaktion geleitet und ist besessen wie am ersten Tag. Der liberale Dortmunder und der bodenständige Südtiroler sehen sich privat fast nie, aber für jede Show wachsen sie symbiotisch zusammen.
Über einen Knopf im Ohr versorgt Heidemanns seinen Moderator während der Sendung mit Anregungen, Hinweisen, Zahlen. Macht Lanz eine Kunstpause, googelt Heidemanns vermutlich gerade fieberhaft nach einem Zitat, das hilft, den Gast zu grillen.
2024 läuft die 2000. Sendung. Und nur eine hat Heidemanns verpasst. Da lag er nach einer Nasen-OP verbeult in der Klinik. Er entließ sich selbst, schaffte von zwei Sendungen aber nur eine. Das wurmt ihn bis heute.
Millionen verfolgen Lanz‘ Podcast mit Philosoph Richard David Precht
Heidemanns passt zum ZDF wie Dirty Harry in den Rundfunkrat; vielleicht eine unterschätzte Bedingung für guten, also immer wieder überraschenden, Talk. So haben Heidelanz das Kunststück fertiggebracht, vom Banal-TV ins Relevanzfernsehen aufzusteigen.
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Als Lanz 2008 von Johannes B. Kerner übernahm, waren meist Leichtgewichte oder Leichtbekleidete zu Gast. Im Flüchtlingswinter 2015/16 wagte das Duo den Schwenk. Plötzlich waren unbekannte Experten zu sehen; die Show wurde Pflicht. Und die Quote hielt. Die Stärke der Marke Lanz beweist auch der Podcast „Lanz&Precht“ mit wöchentlich bis zu einer Million Abrufen. Die stolze Jahresgage von 1,5 Millionen Euro hat das ZDF gut angelegt. Erfinder von Lanz&Precht: Heidemanns.
Provozierend entspannt fläzt sich St.-Pauli-Fan Heidemanns an seinem Schreibtisch unweit des Studios in Hamburg-Bahrenfeld, wo auch Kochsendungen oder der Perspektiv-Talk #beisenherz produziert werden. In den Etagen unter ihm rackert die Redaktion. Vorgespräche mit Gästen dauern oft länger als die Sendung. Da werden Positionen abgeprüft, Widersprüche und Konfliktlinien ermittelt.
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Die Dossiers, die gern mal zwanzig Seiten umfassen, durchschnüffelt Heidemanns wie ein Spürhund. „Wir erzählen nicht die Woche nach, sondern setzen unsere Themen selbst.“ Am Ende vertraut er seiner Neugier. „Wenn ich kapieren will, wie eine Wärmepumpe funktioniert, dann wollen das andere Menschen auch wissen. Ich liebe Volkshochschule.“
Aufgewachsen in Südtirol: Daher rührt Lanz‘ Ehrgeiz
Während Heidemanns Wert auf geregelte Arbeitszeiten legt, macht sein Moderator freiwillig Überstunden. Wird nach anderen Talks beim Wein ein wenig herumgestanden, beginnt für Lanz der zweite Teil der Show. Er bittet zum Einzelgespräch in seine prunklose Garderobe, wo stets drei Schälchen Beeren warten und eine Schüssel voll Süßkram, die der Moderator tapfer ignoriert. Die Samtanzüge sollen ja nicht spannen. Bis tief in die Nacht plaudert Lanz dann mit Politikern, Showstars, Wissenschaftlern und Journalisten und porträtiert sie nebenbei mit seiner schweren Kamera.
Woher stammt diese Arbeitswut? Seinem Biografen, dem Funke-Kollegen und Chefredakteur des Hamburger Abendblatts Lars Haider, sagte Lanz: „Ich habe es unendlich gehasst, in prekären Verhältnissen aufzuwachsen, in denen man von anderen abhängig war.“ Sein Vater starb mit 52 Jahren an Leukämie und hinterließ der Familie nur Schulden. Markus war 14. Wer aus kleinen Verhältnissen stammt, misstraut dem Erfolg. Und Jungen, die früh den Vater verlieren, neigen zu kompensierendem Ehrgeiz.
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Zwischen jährlich 140 Shows und 50 Podcasts reist Lanz für TV-Dokumentationen in die Ukraine, nach Äthiopien und Grönland. Und die Unruhe reist mit. Ein mongolischer Mönch, der ihm das Meditieren beibringen sollte, gab auf. Dieser Fernsehmensch habe einfach zu viel Zeug im Kopf. Vielleicht mal kürzertreten? Nächste Frage, bitte.