Berlin. Schauspieler Pasquale Aleardi mag es laut. Wann seine Stimmung umschwingt und welche Erlebnisse in seinem Leben ihn herausforderten.

Seit 2014 ermittelt Pasquale Aleardi als Kommissar Dupin im gleichnamigen ARD-Krimi, doch am 3. Dezember um 20.15 Uhr ist der 52-Jährige in einer etwas anderen Rolle zu sehen: Im ZDF-Film „Weihnachtspäckchen … haben alle zu tragen“ spielt Aleardi den geheimnisvollen Frank Donneck. Die ganze Bandbreite seiner Persönlichkeit entfaltet der Schweizer aber nicht zuletzt als Musiker.

Auch im Interview gibt der Sohn griechisch-italienischer Einwanderer davon einen Eindruck – ob er über die rauschenden Feiern oder die schweren Schicksalsschläge seines Lebens spricht.

In Filmrollen wie in „Weihnachtspäckchen … haben alle zu tragen“ spielen Sie ernste und bedrückte Charaktere. Gleichzeitig bieten Sie mit Ihrer Band Die Phonauten sogenannte „Antidepressionsmusik“. Wie passt das zusammen?

Der Typ im „Weihnachtspäckchen“ hat mich sofort berührt, weil er eine unglaubliche Sehnsucht nach Versöhnung und Verzeihung in sich trägt. Er hat mich ein wenig an einen meiner absoluten Lieblingsfilme, die Tragikomödie „Ist das Leben nicht schön?“ aus den 40er Jahren erinnert. Er lässt einen die Kleinigkeiten des Lebens wieder schätzen. Deshalb wollte ich das spielen.

Grundsätzlich finde ich Vielseitigkeit wichtig, weil die als Sohn griechisch-italienischer Einwanderer in mir drin liegt. Das habe ich schon allein musikalisch erlebt: In der Küche lief Sirtaki, in der Garage bei meinem Vater Tarantella, mein Bruder hat sich Elvis reingezogen und meine Schwester Supertramp oder die Beatles.

Das klingt nach einer sehr lebendigen Familie.

Und wie. Bei Weihnachtsfeiern kann es sein, dass alle auf den Tischen tanzen, und zehn Minuten später ist alles still, weil im Fernsehen eine Ansprache des Papstes läuft. Manchmal laufen im Hintergrund auch irgendwelche historischen Schinken wie „Ben Hur“.

Wann werden Sie wieder leise?

Wenn ich allein bin, bin ich total still. Nach Drehs gehe ich spazieren und höre Klassik oder Filmmusik. Das ist meine Meditation.

Aleardi in seiner Rolle als Kommissar Dupin
Aleardi in seiner Rolle als Kommissar Dupin © Filmpool Fiction GmbH/ARD Degeto/dpa | Wolfgang Ennenbach

Sie leben mit Ihrer Schweizer Frau in Zürich. Wie verträgt sich Ihr Familienhintergrund mit der eher ruhigen Schweizer Lebensart?

Ich bin zwar in einem äußerst lebendigen Umfeld aufgewachsen, hatte aber immer die Schweizer Seite präsent, sobald ich die Tür verlassen habe. Für mich gehören alle Farben dazu. Ich habe viele Jahre in Berlin gelebt und auch das habe ich genossen. Ich wollte die Freiheit in Anspruch nehmen, dass ich jederzeit etwas Kulturelles besuchen kann. Deshalb habe ich dort auch an lebendigen Orten wie dem Rosenthaler Platz gewohnt.

Das Herzkino „Weihnachtspäckchen … haben alle zu tragen“ und der schon zitierte „Ist das Leben nicht schön“ drehen sich nicht zuletzt darum, dass die Protagonisten ihr Leben reflektieren. Tun Sie das auch?

Gegen Ende des Jahres passiert es automatisch, dass ich nachts Revue passieren lasse, was ich getan oder nicht getan habe. Daraus schöpfe ich dann Kraft für das, was kommt. Ich kann nicht immer sagen, dass mir alles gelungen ist, aber es erfüllt mich mit Glück und Erleichterung, dass ich mich den Herausforderungen des Jahres gestellt habe.

Hatten Sie Phasen, wo Sie das Leben als nicht schön empfunden haben?

Davon gibt es viele. Spontan fällt mir der Tod meines Vaters 2006 ein. Ich habe drei Jahre lang daran gelitten, weil er mir so gefehlt hat und ich ihn vieles noch hätte fragen wollen. Das gilt auch für Beziehungen, die nicht geklappt haben. Aber so kitschig das klingen mag: 95 Prozent aller Fälle, die ich für eine absolute Katastrophe hielt, haben sich im Nachhinein als äußerst wichtig und positiv dargestellt. Denn dadurch wären wiederum andere Dinge nicht passiert, die mich sehr glücklich gemacht haben. Insgesamt weiß ich das Leben in all seinen Kleinigkeiten eben viel besser zu schätzen, weil mir klar ist, dass es endlich ist.

Das ist offenbar auch das Kredo eines Ihrer Songs, wo es heißt: „Bevor du in die Kiste gehst, freu dich, denn du hast gelebt…“

Genau.

Schauspieler Pasquale Aleardi bei einer ARD-Veranstaltung in Berlin
Schauspieler Pasquale Aleardi bei einer ARD-Veranstaltung in Berlin © picture alliance | XAMAX

Geht Ihre Frau auch so offen mit diesen Themen um?

Ich bin so dankbar, dass ich mit ihr über alles sprechen kann. Zusammen quatschen wir über über Gott und die Welt, und wir haben das Glück, dass wir in den meisten Dingen ähnlich gepolt sind. Nur dass sie besser als ich weiß, was ihr gut tut. Wenn ich sie anrufe und frage, was sie gerade macht, sagt sie „Ich sitze im Café und esse ein Croissant.“ Da denke ich mir: Warum komme ich nicht auf die gleiche Idee?

Sie sprachen vorhin davon, dass sich Ihre Großfamilie Ansprachen des Papsts anhört. Sind Sie eigentlich religiös?

Religiöse Fragen berühren mich schon, obwohl ich mich nicht genau auskenne, weil bei mir ein Riesendurcheinander war. An einem Sonntag waren wir in der katholischen Kirche, am nächsten in der griechisch-orthodoxen. Die Hauptbotschaft, seinen Nächsten so zu lieben wie sich selbst, hat für mich eine tiefe Wahrheit, so dass ich denke, es muss eine übergeordnete Intelligenz geben.

Vielleicht tröste ich mich damit, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass danach Schluss ist. Wir sind mehr als Fleisch und Blut. Dieses Gefühl stellt sich auch bei Konzerten ein, wenn ich über die Grenzen meines Ichs hinaus gehe. Ich bekomme es auch durch die Kinder oder wenn ich zeitlose Musik höre.

Was machen Sie, wenn sich dieses Gefühl mal nicht einstellen will?

Ich versuche, einfach loszulassen. Am Meer zum Beispiel stellt sich das Gefühl automatisch ein. Ich schaue in die Weite, und am dritten Tag fange ich an, grundlos zu grinsen, weil ich nicht denke: „Ich muss dies oder das.“ Wenn ich am Tag nicht mindestens fünf Minuten loslasse, mache ich etwas falsch.