Berlin. Früher Viva, heute „Traumschiff“. Collien Ulmen-Fernandes spricht ganz offen über negative Erfahrungen zu Beginn ihrer Karriere.
Mit ihren Dokumentationen zu gesellschaftlichen Themen und unter anderem ihrer Rolle im „Traumschiff“ ist Collien Ulmen-Fernandes zu einer festen Größe der Film- und Fernsehlandschaft geworden. Den Durchbruch erlebte die heute 42-Jährige als Moderatorin beim Musiksender Viva, zu dessen 30. Jahrestag jetzt eine dreiteilige Dokumentation herauskommt (ab 1. Dezember in der ARD Mediathek und auf www.ardkultur.de).
Im Interview kommen aber nicht nur positive Erinnerungen an diese Zeit hoch. Überdies spricht die Moderatorin und Schauspielerin auch über die Gründe für ihren Umzug nach Mallorca und ihre heutige Sicht auf ihre Karriere.
Wenn Sie auf Ihre Zeit bei Viva zurückblicken, tun Sie das mit nostalgischen oder gemischten Gefühlen?
Tatsächlich sind es Nostalgie und gemischte Gefühle zugleich. Erst kamen nur die positiven Erinnerungen hoch, aber bei tieferem Eintauchen denkt man eben auch an die unangenehmen Geschichten zurück. Deshalb war die Arbeit an der Doku eine sehr emotionale Erfahrung.
Was waren die negativen Assoziationen?
Bei den Moderationstexten war ich eine Zeitlang fremdbestimmt. Wenn ich Texte geschrieben habe, wurden mir oft zwei Drittel herausgestrichen, mit der Begründung, dass bei Frauen Ironie zickig wirken würde. Als ich der Stylistin sagte, dass ich keinen Ausschnitt mehr tragen wolle, sagte die, dass dies aber dem vom Sender vorgegebenen Konzept entspreche. Es gab wohl interne Moderatoren-Profile. Von denen wusste ich bis dato gar nichts und bei mir stand eben drin „keine Ironie“ und „tiefer Ausschnitt“.
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Und Ihr Image war Ihnen nicht bewusst?
Das, was Viva ausgemacht hat, war, dass wir uns alle keine großen Gedanken über uns gemacht haben. Wir sind vor die Kamera gegangen und haben bei Live-Shows relativ frei durchmoderiert. Diese Marketingkonzepte wurden um uns rumgestrickt.
Collien Ulmen-Fernandes: „Wir konnten nur noch mit Security unterwegs sein“
Durch diese Sendungen haben Sie einen enormen Bekanntheitsgrad bekommen. Wie haben Sie den erlebt?
Wir haben uns wie in einer Blase bewegt. Bei Straßenumfragen kamen Lawinen von Teenies auf uns zu, sodass wir letztlich nur noch mit Security unterwegs sein konnten. Die Zahl der Security wurde vom Sender stetig erhöht. Das klingt völlig absurd, aber aufgeregte Teenager können, wenn sie einen erkennen, ziemlich krass sein. Man wurde angekreischt, umarmt, aber leider eben auch oft an Busen oder Po begrabbelt.
Weshalb sind Sie damals nicht abgehoben?
Weil das ein langsamer Prozess war. Die Bekanntheit steigerte sich langsam und es wurde erst nach und nach hysterischer. Außerdem konnte man sich seines Jobs nie sicher sein. Es gab einmal pro Jahr ein Marktforschungsgespräch, bei dem wir knallhart durchanalysiert wurden – nach dem Motto „Die 14- bis 49-Jährigen finden, dass du eine beschissene Frisur hast“. Wer schlechte Werte hatte, wurde gefeuert. Nach der Marktforschung wurde unter den Sendergesichtern sehr radikal aussortiert. Vor jeder Marktforschung hatte ich extreme Angst um meinen Job. Zum Glück kam ich durch und war gegen Schluss sogar die beliebteste Moderatorin im Sender. Das hätte ich so nie erwartet.
Und was mochten Sie am System von Viva?
Im richtigen Fernsehen wird alles zigmal besprochen und tausendmal durchgeprobt. Bei Viva wurde die Kamera eingeschaltet und wenn während der Moderation die Kulisse zusammenkrachte, wurde trotzdem nicht wiederholt, sondern genau so ausgestrahlt. Das machte den Sender authentisch und nahbar.
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Wenn Sie Ihrem jüngeren Ich von damals einen Rat geben könnten, wie würde der lauten?
Ich hätte niemals gedacht, dass ich dort lande, wo ich jetzt bin. Dass ich Dokus zu wissenschaftlichen Themen drehen oder im ZDF-Hauptprogramm zur Prime Time eine Sendung über Feminismus moderieren darf. Das hätte man mir damals als quietschbuntem Viva-Girlie sicher nicht zugetraut. Wenn ich meinen weiteren Weg gekannt hätte, hätte ich damals noch mehr an mich geglaubt, vielleicht mir selbst schon früher etwas mehr zugetraut.
Ulmen-Fernandes: Überraschendes Familien-Wiedersehen nach 15 Jahren
Wenn sich Ihre Tochter für so einen Sender wie Viva bewerben würde, würden Sie das unterstützen?
Auf jeden Fall. Viva war die beste Moderationsschule, die man haben konnte. Abgesehen von dem Kampf mit den Texten hin und wieder konnte man sich austoben. Ich wünsche ihr, dass sie etwas findet, wo sie so glücklich wird und sie selbst sein kann.
Ihr Vater hatte ein traditionelles Rollenverständnis von Männern und Frauen, wie Sie in früheren Interviews erzählten. Wie reagierte er damals auf Ihren Viva-Job?
Es wurde für ihn erst befremdlich, als ich meine Tochter bekam und trotzdem weiter gearbeitet habe und eben nicht zu Hause blieb, wie es „für Frauen doch normal ist“.
Sie haben die indische Heimat Ihres Vaters letztes Jahr unter anderem beim Dreh der „Traumschiff“-Folge in Mumbai wieder besuchen können. Wie war das?
Ich bin da wieder voll in meine Kindheit eingetaucht, und das war toll. Ich habe meinen Onkel und meine Cousine nach 15 Jahren wieder gesehen. Seither haben wir einen richtig engen Kontakt. Auf einmal habe ich eine große Familie dazu gewonnen. Als wir mit dem Schiff in Mumbai anlegten, war ich ganz aufgeregt, dass ich ihnen meine Arbeitsstelle zeigen konnte.
Auch sonst haben Sie Deutschland den Rücken zugekehrt, denn Sie sind mit Ihrer Familie nach Mallorca umgesiedelt. Angeblich lag das daran, dass Sie dadurch einem Stalker aus dem Weg gehen wollten.
Das war ein positiver Nebeneffekt, aber nicht der Grund. Es ist einfach schön, wenn man morgens auf Palmen und Meer schaut. Das holt einen runter. Ich kann nach der Arbeit aus dem Studio an den Strand gehen, mit meinem Mann in einem Beachrestaurant zu Abend essen. Das hat fast schon etwas Surreales.
Hier gibt es viele Produktionsfirmen und ich kann viel vor Ort drehen. Wobei ich nach wie vor beruflich sehr viel in Deutschland unterwegs bin, dort auch noch einen Wohnsitz habe. Ich bin gerade wieder ein bisschen am Limit. Ich würde gerne in nächster Zeit irgendwann mal ein paar Wochen lang nur noch ein Mallorca-Touristenleben führen wollen und im Liegestuhl liegen und lesen.