Berlin. Schauspieler Armin Rohde spricht im Interview über das Älterwerden und was er vom Spott gegenüber Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen hält.
Von „Der bewegte Mann“ über „Nachtschicht“ bis zu den „Schnitzel“-Filmen – Armin Rohde hat in seiner Laufbahn viele Stationen durchlaufen. Am 5. November kommt auch seine erste Pilcher-Verfilmung („Amys Wunschkind“, ZDF, 20.15 Uhr) dazu. Im Interview erklärt der Schauspieler (68), warum er auch zu solchen Projekten steht und wie er mit dem Älterwerden seinen Frieden gemacht hat.
Sie haben in einer Vielzahl unterschiedlichster Film- und Fernsehprojekte mitgewirkt. Was gab den Ausschlag für Ihren ersten Einsatz bei Rosamunde Pilcher?
Armin Rohde: Es gibt Leute, die herablassend auf Pilcher schauen. Aber ich kann nur sagen: Das waren mit die schönsten Arbeitswochen meines Lebens. Natürlich ist eine Pilcher-Verfilmung ein Melodram, aber auch ein „Casablanca“ ist ein Melodram. Das ist nichts, weshalb ich mich verstecken müsste. Und ich habe kein Problem damit, dass die Geschichte vorhersehbar ist. Ich gönne allen ein bisschen Eskapismus. Und in Cornwall habe ich unglaublich liebenswürdige Menschen kennengelernt.
Angenehme Dreharbeiten sind für Sie offensichtlich wichtig. Vorher drehten Sie ja auch schon „Das Traumschiff“.
Rohde: Ich bin Jahrzehnte lang bei minus zehn Grad durch Hinterhöfe oder durch die Kanalisation gekrochen, um Verbrecher zu jagen. Aber inzwischen sehe ich das entspannter. Ich muss nicht für jede Rolle einen Oscar kriegen. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Das heißt nicht, dass ich keine aufreibenden Drehs mehr machen werde, aber ich habe auch nichts gegen Projekte, wo die Sonne scheint und es nicht ganz so schwer ist.
Rohde: Die Fotografie hilft ihm, das Leben zu verarbeiten
Rosamunde Pilcher bietet ja die klassische Flucht vor der Wirklichkeit. Wo finden Sie selbst diese Schutzblase?
Rohde: Ich verbringe viel Zeit mit meiner Fotografie. Ich versuche das, was ich erlebe, zu verarbeiten. Insgesamt hilft mir die Fotografie, die Welt in Bilder aufzulösen und Sinn hineinzubringen, wenn es einen Sinn gibt. Das wirkt auf mich beruhigend und stabilisierend.
Hilft Ihnen dabei auch der Buddhismus?
Rohde: Ein bisschen. Aber effektiv muss ich nur das Handy für zwei Stunden beiseite legen, damit ich nicht jede Sekunde für Nachrichten verfügbar bin. Außerdem versuche ich mich so viel wie möglich zu bewegen. Ich liebe mein E-Bike. Damit kann ich einfach losfahren, ohne darüber nachzudenken, wie steil der Rückweg ist.
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Im Film spielen Sie eine Art Vaterfigur. Haben Sie selbst das Bedürfnis, Ihre Erkenntnisse an Jüngere weiterzugeben?
Rohde: Ich hätte auf jeden Fall wahnsinnig Lust, zu unterrichten, insbesondere Schauspiel. Denn ich habe ein paar Dinge bei meinem Job kapiert: Es geht nicht ums Spielen, sondern ums Sein. Das heißt: Es geht um die Frage, was ich von einem Menschen verstehe und wie ich das umsetze. Der Zuschauer soll verstehen, wie und warum jemand so ist, wie er ist, und es dem Schauspieler auch glauben.
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Haben Sie noch viele solcher Pläne?
Rohde: Ja, aber mir ist klar, dass ich vielleicht noch 15, 20 Jahre habe. Die Tatsache, dass das Zeitkonto derart geplündert ist, ist schon erschütternd. Damit muss man umgehen, wenn man älter wird. Ich fühle mich zwar anders als mit Mitte 30, aber dann gucke ich den Spiegel und merke: Das sieht nicht mehr aus wie 30 oder 40 und auch nicht mehr wie 50. Damit muss man erstmal klarkommen, ohne in Selbstmitleid zu verfallen
Wie Rohde sich mit seiner Vergänglichkeit aussöhnt
Das haben Sie geschafft?
Rohde: Ja, nur der Kampf hört nicht auf. Was mich mit meiner eigenen Vergänglichkeit aussöhnt ist die Nähe von Bergen und Meer oder Wüste. Im normalen Stadtleben gelingt mir diese Aussöhnung weniger gut.
Das müssen Sie näher erklären.
Rohde: Das städtische Miteinander ist viel störbarer und verletzlicher. Wenn ich zum Beispiel in Berlin bin, wird mir bewusst, dass nichts bleibt. Die Stadt verändert sich so schnell, manche Ecken erkenne ich schon nach kurzer nicht mehr wieder. Wenn ich dagegen auf die Wüste oder das Meer schaue, weiß ich: Die hat es vor mir gegeben und wird es nach mir noch geben. Mir wird klar, dass ich nie wichtig war und nie wichtig sein werde. Denn darum geht es nicht. Wenn es mich nicht mehr gibt, dann gibt es mich eben nicht mehr.
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Aber durch die Aufzeichnungen Ihrer Filme und Serien sind Sie eigentlich fast unsterblich.
Rohde: Ja, aber das bekomme ich ja nicht mehr mit. (lacht)
Rohdes Warnung vor trügerischen Erzählungen
Worum geht es dann eigentlich im Leben?
Rohde: Wir sind einfach für einen Wimpernschlag des Universums da, und in dem können wir ein leckeres Essen riechen, die Sonne sehen, ein Stück von Mozart hören oder uns Gedanken über das Dasein machen. Vielleicht besteht unsere Aufgabe darin, dass wir das wahrnehmen. Aber wir als Individuen sind in dem Sinne nicht wichtig.
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Auch wenn Ihre Zeit – wie auch unserer aller – auf Erden begrenzt ist, gibt es etwas, was Ihnen für die Zukunft Sorgen bereitet?
Rohde: Natürlich. Denn unsere Welt ist von Erzählungen und Narrativen bestimmt, was sehr gefährlich geworden ist. Ein Narrativ kann stimmig klingen, und trotzdem irreführend und gefährlich wie eine Fata Morgana sein. Wir müssen versuchen, die Welt zu erfahren, wie sie wirklich ist, statt trügerischen Erzählungen zu glauben. Es sollte in der Schule gelehrt werden, was ein Narrativ ist und wie Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hinterfragt werden können. Wenn das nicht bald Schulfach ist, werden wir in zwei Generationen keine Demokratie mehr haben, weil jeder jedem alles erzählen kann. Davon bin ich felsenfest überzeugt.