Berlin. Schauspieler Marco Girnth spricht über sein gefühltes Alter, die Sorgen um jüngere Generationen und das Rezept für seine lange Ehe.
Aktuell ermittelt Marco Girnth wieder (jeweils freitags um 21:15 Uhr im ZDF) als Kommissar Jan Maybach in „SOKO Leipzig“. Seit 2001 ist er schon mit dieser Erfolgsserie im deutschen Fernsehen präsent – ein Grund, mit dem 53-jährigen Schauspieler über die positiven und negativen Veränderungen im Lauf der Zeit zu sprechen – und auch über den Grund, warum die vielen Jahre in seiner Ehe wie im Flug vergangen sind.
Sie sind jetzt in der sage und schreibe 24. Staffel von „SOKO Leipzig“ zu sehen...
Marco Girnth: Ich kann es gar nicht glauben. Ich habe immer noch eine lebhafte und genaue Erinnerung an die ersten Drehtage. Einerseits kommt es mir so vor, als sei die Zeit wahnsinnig schnell vergangen, und andererseits spürt man, wie reichhaltig diese Zeit war.
Marco Girnth: „Ich gucke wie ein 30-Jähriger auf das Leben“
Sie sagten in einem unserer früheren Gespräche, Sie fühlten sich geistig immer noch wie 30 – also so wie zu Beginn der Serie. Gilt das weiterhin?
Girnth: Ich warte immer noch auf die Altersweisheit, dass es ‚klack‘ macht und ich auf einmal die Welt verstanden habe. Auf jeden Fall gucke ich wie ein 30-Jähriger sehr verwundert aufs Leben und verstehe nicht, dass ich schon wieder eine Generation weiter bin. Deshalb bin ich auch überrascht, dass ich von jungen Leuten gesiezt werde. Die sehen einen alten Mann vor sich, während man selbst in Gedanken woanders verankert ist.
Woher kommt dieses jugendliche Gefühl?
Girnth: Wir ticken in unseren 50ern anders als unsere Eltern in dem Alter. Die Schnittmengen mit der jüngeren Generation sind viel größer – zum Beispiel bei Themen wie Film, Musik, Sport. Gegenüber meinem Sohn fühle ich mich wie ein Kumpel mit Erziehungsauftrag. Und ich habe auch noch nicht das Gefühl, dass ich im Leben fest angekommen bin und sage ‚Jetzt weiß ich genug. Fortan wird nur noch verwaltet.‘ Ich bin immer noch ein bisschen unstet und will mir bestimmte Dinge erschließen, ob das eine neue Sprache oder eine andere Sportart oder die Reise in ein unbekanntes Land ist. Vor ein paar Jahren habe ich beispielsweise auch mit dem Drehbuchschreiben angefangen. Da habe ich das Gefühl, hier bin ich ein Berufseinsteiger.
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Marco Girnth sorgt sich um die Generation seines Sohnes
In manchen Folgen von „SOKO Leipzig“ werden Sie mit der Lebenswelt junger Menschen konfrontiert. Gibt es da Aspekte, die Sie nicht verstehen?
Girnth: Es gibt Dinge, wo ich mich wie ein alter weißer Mann fühle und mir denke: ‚Guckt nicht nur Instagram, YouTube und TikTok, sondern versucht euch auch den klassischen Quellen zu öffnen. Lest mal eine Zeitung, guckt euch eine Reportage an und nicht nur diese schnell konsumierbaren Schlagzeilen.‘ Das hängt auch damit zusammen, dass ich einen Sohn in dem Alter habe, dessen Zukunft mir sehr am Herzen liegt und in dessen Situation mich hineinzuversetzen versuche.
Was bereitet Ihnen die größten Sorgen?
Girnth: Ich mache mir Gedanken, ob künftig Wahrheit ein subjektiver Begriff ist, den jeder für sich entscheidet. Früher war man sich einig, was eine Tatsache ist und was nicht, und das lässt sich heute immer schwieriger überprüfen. Vor allem weil Quellen durch Künstliche Intelligenz manipulierbar werden. Es gibt Begriffe wie ‚alternative Fakten‘? Was heißt das? Wir haben hier eine Wahrheit, und dann gibt es Behauptungen, die dem widersprechen, und jeder kann nach Belieben auswählen? Ich möchte nicht in den Schuhen der Generation meines Sohnes stecken, die diesen Grabenkämpfen ausgesetzt ist.
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Marco Girnth: "Körperliche Leistungszuwächse sind nicht mehr zu erwarten"
Jüngere Generationen sehen sich lieber Clips auf YouTube und TikTok an, so dass Serien wie der Ihren die Zuschauer abhanden kommen könnten. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Girnth: Das kann man schwer sagen. Der technische Fortschritt bringt immer die Gefahr, dass sich dein Arbeitsumfeld massiv verändert. Aber ich glaube, dass das in Wellenbewegungen passiert. Es wird eine Phase gaben, wo zweiminütige Clips eine höhere Relevanz haben als eine Serie oder ein Film. Andererseits hatten wir in letzter Zeit im Serienbereich die Tendenz, dass über mehrere Staffeln erzählte Geschichten einen richtigen Boom erlebt haben. Und auch im Kino werden die Filme immer länger
Nun haben wir über das mentale Jungsein gesprochen. Wie steht es bei Ihnen um die körperliche Befindlichkeit?
Girnth: Man ist in einem Alter, wo große Leistungszuwächse nicht mehr zu erwarten sind. Das Ziel ist, das, was man hat, möglichst lange aufrecht zu erhalten. Das funktioniert ganz gut. Eigentlich fühle ich mich so wie letztes Jahr. Ich merke bei gewissen Dingen, dass es mal länger zwackt, wenn man sich verausgabt hat. Und es gibt Phasen der grundlosen Schmerzen, wo einem beispielsweise das Knie aus unerfindlichem Grund wehtut. Auch das Risikobewusstsein hat sich geändert. Da denke ich mir: Es muss doch nicht sein, dass ich mit dem Wakeboard mit einem Backflip über die Rampe springe.
Marco Girnth über seine Ehe: „Wir sind ein wirklich gutes Team“
Es ist ja nicht nur bei der „SOKO Leipzig“ viel Zeit vergangen, sondern auch in Ihrer Ehe, die inzwischen 25 Jahre hält. Fühlt sich das auch so an wie früher?
Girnth: Das Rezept, was ich liefere, würde vielleicht woanders nicht funktionieren. Wir sind eben ein wirklich gutes Team. Wir haben bei vielen Lebensentscheidungen den gleichen Wertekompass und die gleiche Neugierde. Auch gibt es in vieler Hinsicht dieselben Schnittmengen, so dass wir immer noch gerne Zeit miteinander verbringen. Das hat sich so gefügt, und deshalb muss da auch nicht großartig darauf herumgearbeitet werden. So gesehen fühlt sich das so an wie damals. Unser Sohn verlässt langsam das Haus. Das heißt, wir werden wieder auf unser Paarsein zurückgeworfen, und das fühlt sich so an wie früher. Wir waren diesen Sommer vier Wochen in Italien campen, wo wir die ganze Zeit auf engstem Raum zusammen waren, und das war super. Deshalb ist die Zeit wahnsinnig schnell vergangen– weil es einfach so viel Spaß macht.
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