München. Im TV spielt Nina Kunzendorf taffe Kommissarinnen. Privat werden ihr die aktuellen Krisen manchmal zu viel, wie sie im Gespräch verrät.

Nina Kunzendorf wird gerne für Projekte angeheuert, die sich um die Welt des Verbrechens drehen – ob als „Tatort“-Kommissarin oder in dem Thrillerdrama „Das Mädchen von früher“ (am 16. Oktober um 20:15 Uhr im ZDF). Das deckt sich zum Teil auch mit den Interessen der 51-Jährigen, die zuletzt in der Serie „Das Haus der Träume“ zu sehen war. Die düsteren Seiten der Wirklichkeit werden der Schauspielerin indes manchmal etwas zu viel, wie sie im Gespräch gesteht.

Sie haben verschiedene Kommissarinnen gespielt. „Das Mädchen von früher“ ist nur das jüngste Beispiel, und offenbar folgt bereits die nächste Rolle dieser Art. Inwieweit passen diese Rollen zu Ihrer persönlichen Lebenseinstellung?

Nina Kunzendorf: Ich mag Figuren, die hingucken, grübeln und es wissen wollen. Da fühle ich mich zuhause. Falls ich noch ein paar Leben vor mir haben sollte, dann würde mich Kriminalistik interessieren – oder forensische Psychiatrie. Wobei die Tatsache, dass ich so häufig Kommissarinnen spiele, auch etwas mit den Besetzenden zu tun hat. Die denken sich vielleicht: Sie hat das schon mal gemacht, das kann sie ganz gut. „Das Mädchen von früher“ bewegt sich ja aber vom reinen Krimi weg und erzählt eine persönliche Geschichte. Mir ist es völlig egal, ob letzteres innerhalb eines Krimis oder im Rahmen eines Psychodramas oder einer Komödie stattfindet. Wenn das tolle Stoffe sind und eine Figur, die über „Wo waren Sie gestern zwischen 14 und 18 Uhr?“ hinausgeht, dann reizt mich das sehr.

Nina Kunzendorf: Diese Projekte mag sie am liebsten

Sie haben auch kein Problem damit, in die Welt von Verbrechen und Traumata einzutauchen?

Kunzendorf: Nein. Ich liebe die düstere Seite. Ich gucke gerne mit der Taschenlampe dahin, wo es dunkel ist.

Aber wenn man so eine düster-dramatische Geschichte wie beim „Mädchen von früher“ erzählt, spiegelt sich das in der Stimmung bei Dreh wider?

Kunzendorf: Es ist nicht immer so, dass bei einem ernsthaften Stück auch die Stimmung entsprechend ist. Es war ein sehr konzentriertes und ernsthaftes Arbeiten, aber wir haben auch irre viel gelacht und hatten es sehr gut miteinander. Lena Knaus ist eine wunderbare Regisseurin und mit Godehard Giese hatte ich den besten Spielpartner.

In „Das Mädchen von früher“ spielt Nina Kunzendorf die Kriminalhauptkommissarin Maria Voss, die versucht, ihre eigene Vergangenheit zu ergründen.
In „Das Mädchen von früher“ spielt Nina Kunzendorf die Kriminalhauptkommissarin Maria Voss, die versucht, ihre eigene Vergangenheit zu ergründen. © ZDF und Conny Klein

Vor einigen Monaten meinten Sie in einem Interview: „Mir fehlt es an relevanten Geschichten.“ Inwieweit ist „Das Mädchen von früher“ eine relevante Story?

Kunzendorf: Ich meinte damit nicht zwangsläufig Filme mit einer Botschaft oder politischen Aussagen. Das können auch ganz kleine Geschichten sein, bei denen man das Gefühl hat, das musste erzählt werden. Insofern ist „Das Mädchen von früher“ relevant. Aber insgesamt fehlt es mir daran, ja.

Haben Sie immer solche relevanten Projekte gedreht?

Kunzendorf: Wenn ich zurückschaue, dann war da auch einiger Blödsinn dabei. Ich habe auch Filme oder Fernsehserien gemacht, weil ich das Bad renovieren musste oder weil ich zwei Kinder habe, die ich großziehe. Aber ich bemühe mich, das Niveau einigermaßen zu halten.

„Es gibt Zeiten, wo ich keine Nachrichten angucken kann“

Viele der Mädchen und Jungen von heute scheinen von einer Zukunftsangst ergriffen. Gilt das auch für Ihre Kinder, die sich im Teenageralter befinden?

Kunzendorf: Eine zeitlang war das sehr zu spüren. Mit Corona, dem Damokles-Schwert der Klimakatastrophe und den verschiedenen politischen Veränderungen auf der Welt ist das auch ein bisschen viel. Momentan habe ich das Gefühl, dass sie sich dieser Probleme zwar sehr bewusst sind, sich aber auch freischwimmen. Die sind beide ganz sonnig und vital und haben sich im Moment ein gutes dickes Fell angeeignet.

Nina Kunzendorf ist gebürtige Mannheimerin, lebt jedoch mittlerweile in Berlin.
Nina Kunzendorf ist gebürtige Mannheimerin, lebt jedoch mittlerweile in Berlin. © picture alliance | Thomas Schröer/Geisler-Fotopres

Haben Sie dieses dicke Fell selbst auch?

Kunzendorf: Ja, aber ich glaube, das hat damit bei mir zu tun, dass ich ganz gute Verdrängungsmechanismen habe, die ich aktivieren kann. Wenn ich die nicht hätte, wäre es ein bisschen schwieriger. Das heißt, ich bemühe mich hin und wieder, mir bestimmte Sachen vom Leib zu halten. Es gibt Zeiten, wo ich keine Nachrichten angucken kann und dann verbiete ich mir das auch. Wenn so eine Phase vorbei ist, höre ich dann wieder von morgens bis abends Deutschlandfunk und lese Zeitung.

Von morgens bis abends Nachrichten zu hören, ist aber nicht ganz einfach.

Kunzendorf: Ich sitze ja nicht 12 Stunden vor dem Radio (lacht). Für mich macht es aber einen großen Unterschied, ob ich Nachrichten, Interviews etc. höre oder ob ich die Bilder dazu sehe, das kann ich nicht so gut ertragen.

Schaffen Sie es auch, die Trennlinie zwischen intensiven Rollen wie in „Das Mädchen von früher“ und Ihrer privaten Sphäre zu ziehen?

Kunzendorf: Wenn ich eine Rolle spiele, versuche ich die Situation, die Umstände zu verstehen, in der sich dieser Mensch befindet. Warum verhält, entscheidet, handelt er so und nicht anders? Das ist zwangsläufig anders, als ich das privat tun würde, und aus diesem Verständnis heraus entsteht eine Figur. Aber man ist der, der man ist. Das heißt, man hat die Stimme und eine bestimmte Physis, bestimmte Charaktereigenschaften und entkommt sich beim Spielen nie zu 100 Prozent. Trotzdem würde ich sagen: Diese Figur bin nicht ich.