Düsseldorf. Die Razzia sei ein „verdammt dickes Ding“, so NRW-Innenminister Reul. Luxusautos und Uhren wurden sichergestellt. Zehn Männer sitzen in Haft.

Alles begann mit einem Turnbeutel: Mit einer Großrazzia von mehr als 1400 Beamten ist die Polizei in drei Bundesländern gegen ein internationales Netzwerk vorgegangen, das 140 Millionen Euro ins Ausland verschoben haben soll.

Die Ermittler stufen das Netzwerk als kriminelle Vereinigung ein und ermitteln ingesamt gegen 67 Verdächtige. Elf von ihnen wurden am Mittwoch festgenommen. Gegen sie lagen Haftbefehle vor. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sprach von einem „Paukenschlag“ gegen die Organisierte Kriminalität. Am Donnerstag erklärten die Ermittlungsbehörden, dass fast alle Festgenommenen nun auch in Untersuchungshaft säßen. Lediglich in einem Fall habe der Haftrichter den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

NRW-Razzia: Islamistische Gefährder festgenommen

Das Geldwäsche-Netzwerk habe sich eines „Friedensrichters“ mit zweifelhafter Vergangenheit bedient: Bei dem 39-jährigen Syrer aus Wuppertal soll es sich um einen Terroristen der islamistischen Al-Nusra-Front handeln. Der Mann habe seine Kampftruppe aus Syrien mitgebracht und als Inkasso-Schlägertruppe eingesetzt.

Wenn beim sogenannten Hawala-Banking, bei dem Geldtöpfe via WhatsApp miteinander verrechnet werden, Geld abhanden kam, drohte ein Sanktionskatalog, wie die Ermittler bei verdeckten Maßnahmen mithören konnten: „Beim ersten Mal zusammenschlagen, beim zweiten Mal verstümmeln, und beim dritten Mal sollte derjenige umgebracht werden.“

Zwei weitere Verdächtige seien als islamistische Gefährder bekannt, vier als sogenannte „relevante Personen“ des islamistischen Spektrums. Die Ermittler vermuten, dass ein Teil des überwiesenen Geldes der Terrorfinanzierung diente.

Über Zahlungsbüros in Deutschland und den Niederlanden soll das Geld in die Türkei und nach Syrien geflossen sein. Ein Gericht erließ Vermögensarreste in Höhe von 140 Millionen Euro, den Löwenanteil davon gegen die beiden Hauptbeschuldigten: zwei sogenannte „Groß-Hawaladare“, 42 und 44 Jahre alte Syrer, die in Düsseldorf und Mönchengladbach wohnten.

Insgesamte wurden 85 Objekte in 25 Städten durchsucht

In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen wurden 85 Objekte in 25 Städten durchsucht: Wohnungen, Büros und Banken. Schwerpunkt der Maßnahmen war Nordrhein-Westfalen.

Die Polizeikräfte waren in Bergisch Gladbach, Bochum, Bottrop, Castrop-Rauxel, Dortmund, Düsseldorf, Erkelenz, Essen, Geilenkirchen, Gelsenkirchen, Heinsberg, Hückelhoven, Köln, Krefeld, Mönchengladbach, Neuss, Olfen, Schwerte, Viersen und Wuppertal im Einsatz.

NRW-Innenminister Reul über Razzia: „verdammt dickes Ding"

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem der größten Verfahren seiner bisherigen Amtszeit. „Wir haben heute einen extrem ergiebigen Geldhahn abgedreht“, sagte Reul. „Das war ein verdammt dickes Ding.“

Es seien zwei Lamborghinis, ein Porsche, eine Harley Davidson, Geld in Millionenhöhe und Gold im Wert von insgesamt mehr als drei Millionen Euro sichergestellt worden - und eine Stereoanlage im Wert von mindestens 100 000 Euro, so die Ermittler. Den Beschuldigten werden weitere Taten quer durch das Strafgesetzbuch vorgeworfen: Geiselnahme, Raub, Drogenhandel, gewerbsmäßiger Bandenbetrug.

Die 67 Verdächtigen seien überwiegend Syrer (44), unter ihnen seien aber auch zehn Deutsche, fünf Jordanier und vier Libanesen. Insgesamt zählten die Ermittler acht verschiedene Nationalitäten. Die Verdächtigen seien zwischen 18 und 67 Jahre alt. Die Syrer seien überwiegend 2015 nach Deutschland gekommen. Ab 2016 soll dann das Hawala-Banking betrieben worden sein. 80 Prozent der Verdächtigen seien Sozialleistungsbezieher. Ihnen drohten nun, je nach Tatvorwurf, bis zu 15 Jahre Haft.

Teilweise hätten Flüchtlinge kleinere Beträge an Angehörige überwiesen

Um den Geldfluss von Europa in den Nahen Osten auszugleichen, hätten sich die Hawala-Bankiers auch namhafter deutscher Unternehmen und Konzerne bedient. Deren Rechnungen seien ebenfalls über das Hawala-Banking gehandelt und von Drittfirmen in Deutschland beglichen worden. Ob dies mit oder ohne Wissen der Unternehmen geschah, werde nun geprüft.

Teilweise hätten lediglich Flüchtlinge kleinere Beträge an ihre Angehörigen in Syrien überwiesen. Die Verdächtigen sollen mit dem illegalen Zahlungsdienst aber auch große Summen aus Straftaten gewaschen und für weitere Straftaten bereitgestellt haben. Zudem wird ihnen Sozialleistungsbetrug, Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Bei der Verschleierung dieser Taten hätten sie sich gegenseitig geholfen.

Auch Spezialeinheiten waren unter den mehr als 1400 Einsatzkräften

Die Ermittler stießen auf ein riesiges Gelände mit gebrauchten Lastwagen und Lager voller vermutlich gestohlener Katalysatoren, die an Finanzamt und Zoll vorbei in den Nahen Ostern verkauft werden sollten. „Der Lastwagen-Handel war als Unternehmen nirgends angemeldet“, sagte ein leitender Ermittler.

Unter den mehr als 1400 Einsatzkräften waren am Mittwoch auch Spezialeinheiten, Staatsschützer, Finanzermittler und Steuerfahnder. Ausgangspunkt war ein fahrerisches Missgeschick im Mai 2020. Ein Auto war von der Fahrbahn der A61 abgekommen. Weil die Insassen sich verdächtig verhielten, wurden die Beamten misstrauisch und entdeckten in einem Turnbeutel 300 000 Euro. Dies habe die Ermittlungen ins Rollen gebracht, bestätigte Justizminister Biesenbach der Deutschen Presse-Agentur. (dpa)