Berlin. Heino Ferch erzählt im Interview, was er von erotischen Filmszenen hält und warum er schon fast 100 Corona-Tests hinter sich hat.
Interviews Aug’ in Auge sind in letzter Zeit eher rar geworden. Aber Heino Ferch (57) ist derzeit für Dreharbeiten in Berlin. Und so lädt der geschäftsreisende Filmschauspieler in seine Lieblingsecke im Foyer des Adlon-Hotels. Weil auch er eine persönliche Begegnung vorzieht.
Herr Ferch, Sie sind gerade in gleich drei großen Produktionen zu sehen, „Ku’damm 63“, ein neuer „Allmen“-Krimi, eine neue „Spur des Bösen“ – alles innerhalb von drei Wochen. Sind das Ferch-Festspiele?
Heino Ferch: Ich bin nicht ganz glücklich mit dieser Terminierung. Aber man kann das sowieso nicht beeinflussen. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Arbeit von anderthalb Jahren innerhalb von wenigen Tagen gesendet wird. Das ist sicher Corona geschuldet. Im vergangenen Herbst wurde kaum Fiktionales gesendet, weil alle diese Flut von Sondersendungen und Brennpunkten zur Pandemie gemacht haben. Ich fände es eleganter, wenn es mehr verteilt wäre. Aber dann hat das jetzt halt Festspiel-Charakter, das ist auch in Ordnung.
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Sie haben gleich zwei große Fernsehreihen: „Allmen“ im Ersten, „Spuren des Bösen“ im Zweiten. Hier ein Lebemann in Zürich, da ein Zerrissener in Wien. Welche Rolle spielen Sie eigentlich lieber, was liegt Ihnen näher?
Ferch: Also, vom Gusto her ist es schon Allmen. „Spuren des Bösen“ ist ein großartiges Format, gerade die neue Folge ist diesmal sehr heftig und apokalyptisch. Das im Winter 2019 zu drehen, wo es ab vier Uhr nachmittags dunkel ist, das machte schon etwas depressiv. „Allmen“ ist ein anderes Format, beschwingter und leichter. Tolle Klamotten, großartige Kollegen, eine wunderbare Sprache, und eine spannende Geschichte – das sind Sachen, die ich sehr schätze.
Auch nach all den Folgen schaut man immer wieder konsterniert auf diese Perücke, die Sie als Allmen tragen. Was denken Sie eigentlich, wenn Sie sich so im Spiegel sehen?
Ferch: Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Vor fünf Jahren, als wir die ersten zwei Folgen gedreht haben, haben wir überlegt, wie dieser Mensch aussieht. Der Romanautor Martin Suter beschreibt ihn als einen „ständig Überinvestierten“. Ich war von Anfang an der Meinung, das muss jemand sein mit einer Poppermatte, die man richtig wegschwingen kann. Ich wollte das auf keinen Fall mit meinen kurzen Haaren spielen. Und so langes Haar hatte ich nie! Ich habe dann zufällig jemanden gesehen, der so aussah, und dachte: Das passt. Ich habe einen Maskenbildner meines Vertrauens, mit dem ich an fast allen Projekten arbeite, und der hat mir das kreiert. Das ist ein großer Spaß. Und wenn ich diese Frisur trage, bin ich auch sofort in der Rolle drin. Das ist wie ein Maßanzug. Dann noch die Sprache, und du reagierst als Schauspieler intuitiv darauf. Das macht was mit dir. Das ist auch ganz wichtig im Spiel.
Der neue heißt „Allmen und das Geheimnis der Erotik“. Worin liegt für Sie das Geheimnis der Erotik?
Ferch: Erotik ist ganz wichtig, ein Lebenselixier. Und das Geheimnis ist einfach: Weniger ist mehr. Erotik ist die Ahnung von Mehr, die Ausstrahlung eines Menschen, der in sich ruht. Der ein Geheimnis in sich trägt, aber vor allem mit sich im Reinen ist und einen offenen Blick hat. Das ist Erotik für mich: Souveränität, die eine Authentizität hat.
Die meisten würden Erotik auf Nacktheit reduzieren.
Ferch: … und das ist es eben genau nicht. Erotik muss ein Geheimnis haben. Jemand, der verhüllt ist und die Aussicht auf Mehr verspricht, der eine Reise in die Fantasie vermittelt, das ist viel erotischer als entblößte Haut.
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Und wie ist das mit dem Drehen von erotischen Szenen? Die einen sagen abgeklärt, das sei alles technisch, da passiere gar nichts, für andere sind das die anstrengendsten Szenen überhaupt.
Ferch: Das hat maßgeblich mit dem Gegenüber zu tun. Mit wem man das macht, wie entspannt, wie selbstverständlich und auch professionell man damit umgeht. Klar, da stehen immer zehn Leute drum herum, das muss man ausschalten. Aber das gehört zum Beruf dazu. Es muss überzeugend sein, es muss vorher besprochen werden. Es muss vor allem Sinn machen.
Erotische Szenen müssen in einem Film dramaturgisch nötig, unausweichlich und zwingend sein. Nur dann macht es Sinn. Nur mal nackte Haut zu zeigen, um des Schauwerts willen, um den Zuschauer bei Laune zu halten, das ist überflüssig, das funktioniert nicht, das ist doof. Eine Szene, in der zwei Personen in einem Restaurant essen und sich nicht aus den Augen lassen, kann genauso erotisch sein. Das hat mit Worten, mit Atmosphäre zu tun, mit dem, was wir von den Figuren wissen. Erotik ist das Versprechen, die Ahnung, was dahinterstecken könnte.
„Allmen“ und „Ku’damm 63“ wurden schon unter Corona-Bedingungen gedreht. Sind Dreharbeiten da noch erotisch? Kann es da überhaupt noch knistern zwischen all den Schutzmaßnahmen?
Ferch: Ich habe gestern meinen 92. Corona-Test gemacht. Seit Sommer letzten Jahres habe ich (zählt an der Hand ab) fünf Produktionen abgedreht, die sich alle wegen Corona und des ersten Lockdowns in den Spätsommer und Herbst geschoben haben. Wir werden vor dem Dreh in Schutzzeiten geschickt, am Set täglich schnellgetestet.
Alle, die nicht vor der Kamera stehen, haben FFP2-Masken auf. Wir Schauspieler haben das nur nicht, weil sich diese Gummis nach fünf Minuten in die Haut eindrücken und man das in der Kamera sehen würde. Prag habe ich noch nie so leer erlebt. Ohne Touristen, das hatte schon was Erfrischendes. Aber es ist auch sehr bedrückend, wenn alle Hotels und Restaurants leer sind.
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