Dortmund/Düsseldorf. Smartphone zücken, Falschparker melden: Weil es so einfach geworden ist, steigt die Zahl der Drittanzeigen in vielen Städten rapide an.
Knöllchen vom Nachbarn: Bei den Ordnungsämtern vieler NRW-Städte hat die Zahl der Anzeigen von Privatleuten vor allem gegen Falschparker deutlich zugenommen. In einigen nordrhein-westfälischen Großstädten verzeichneten die Behörden einen Anstieg sogenannter Drittanzeigen von 50 bis 60 Prozent bis hin zur Verdoppelung, wie eine Umfrage bei den Kommunen ergeben hat. In Zeiten von Smartphones und E-Mail-Verkehr werde es für Menschen immer leichter, Ordnungswidrigkeiten zu melden, heißt es aus den Ordnungsämtern. Im Anstieg zeigt sich wohl auch ein zunehmender Konflikt um den Platz auf Straßen, Geh- und Radwegen.
Düsseldorfs Ordnungsdezernent Christian Zaum hatte bei einer Ende Januar vorgestellten Bilanz von einem „gewaltigen Anstieg“ gesprochen, den man sehr ernst nehme. So wurden 2019 in der Landeshauptstadt Düsseldorf fast 29 700 Verfahren auf Anzeigen von Bürgern hin eingeleitet (Vorjahr: fast 17 900) - in über der Hälfte der Fälle wegen des Parkens auf Geh- und Radwegen oder im absoluten Halteverbot. „Diese Information aus der Bürgerschaft helfen uns bei der Einsatzplanung unserer Außendienstkräfte“, teilte Zaum weiter mit.
In Dortmund hat sich die Zahl der Fremdanzeigen verfünffacht
In der Stadt Dortmund hat sich die Zahl der Fremdanzeigen seit 2016 in etwa verfünffacht auf 10 900 im vergangenen Jahr - schwerpunktmäßig gehe es um das Parken auf dem Gehweg. In Essen wuchs die Zahl der Drittanzeigen beim Ordnungsamt 2019 um 63 Prozent auf mehr als 5400 Meldungen - meist wegen Parkverstößen. Etwa dreiviertel aller Anzeigen werde auch verfolgt: Dazu müssen allerdings die vorliegenden Beweise ausreichen, etwa Fotos der Parkenden vor Einfahrten oder auf Radwegen aussagekräftig sein.
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In Bielefeld hat sich das Anzeigenaufkommen von 2018 bis 2019 sogar mehr als verdoppelt auf 1400 Parkverstöße. Die allermeisten der Delikte würden auch tatsächlich geahndet. In Duisburg gingen 2019 rund 2500 Anzeigen ein, ein leichter Rückgang zu 2018, aber deutlich mehr als noch vor drei Jahren. 2019 seien jedoch rund 1000 Meldungen nicht bearbeitet werden konnten, weil sie unvollständig oder anonym eingingen - „oder schlichtweg den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nicht erfüllten“, wie ein Sprecher mitteilte.
Wer notorisch die Nachbarn mit Nichtigkeiten nervt, fällt raus
Es müsse zudem immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, hieß es bei der Stadt Münster, wo ebenfalls von einer jährlichen Verdoppelung der nicht näher bezifferten Drittanzeigen die Rede ist. „Nur was ernst gemeint ist, wird auch von uns ernst genommen“, teilte das Ordnungsamt mit. Das treffe auf den Großteil der Anzeigen zu. Wer es sich aber zum Hobby gemacht habe, unliebsame Nachbarn mit Nichtigkeiten anzuschwärzen, dessen Anzeige müsse auch nicht verfolgt werden.
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Hinter dem deutlichen Anstieg steckt aus Sicht der Behörden ein grundsätzlicher Streit der Verkehrsteilnehmer. Es „fordern immer mehr Menschen - wohl auch im Rahmen der allgegenwärtigen Klima-Diskussion - so etwas wie eine Verkehrswende ein“, sagte eine Stadtsprecherin in Essen. Dies führe in zunehmender Weise zu Konflikten, die auch das Ordnungsamt erreichten. In den Städten mit immer mehr und immer größeren Autos „nehmen auch Rücksichtslosigkeiten zu, die gerade schwächere Verkehrsteilnehmer nicht länger hinnehmen können und wollen“, lautete die Einschätzung eines Stadtsprechers in Dortmund. Hinzukomme, das durch Smartphones immer leichter geworden sei, Fremdanzeigen aufzugeben.
Fahrradfahrer-Verband sieht in der Denunziation auch ein Ringen um Raum
Der ADFC sieht in der Entwicklung ebenfalls ein Umdenken: „Zugeparkte Radwege sind nicht nur ein Ärgernis, sondern auch gefährlich für Radfahrer. Das wollen sie nicht länger hinnehmen“, sagte Christina Wolff, Sprecherin des Landesverbandes der Radverkehr-Lobbyisten. Sie verweist auf eine von vielen aktiven Radfahrern genutzte App, die ein Berliner Radaktivist entwickelt hat. Mit der Anwendung „Wegeheld“ können Falschparker den Ordnungsbehörden sehr leicht gemeldet werden. Die Stadt Duisburg etwa schätze den Anteil, der so abgesetzten Anzeigen auf 20 Prozent. „Die Kommunen dürften das begrüßen. Immerhin spült das durchaus noch mal mehr Geld in die Kassen“, sagte Wolff weiter. Wenn künftig der bereits beschlossene neue Bußgeldkatalog in Kraft tritt, gilt das umso mehr: Für das Parken auf Geh- und Radwegen steigen die Sanktionen von 15 Euro auf bis zu 100 Euro. (dpa)