Essen. In vielen NRW-Kitas steht Schweinefleisch gar nicht oder nur selten auf dem Speiseplan. Die Religion ist dafür nicht die einzige Ursache.

Zwei Leipziger Kitas wollen Schweinefleisch komplett streichen, auch als Zeichen von Respekt gegenüber anderen Kulturen. Die Aufregung ist groß, das Thema wird vor allem in sozialen Medien hitzig diskutiert. Dabei ist es in vielen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen längst Praxis, dass Schweinefleisch nur selten oder gar nicht auf dem Speiseplan steht. Der Grund dafür ist jedoch meist weniger religiöser als vielmehr gesundheitlicher Natur.

So viel Fleisch empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung

So empfiehlt etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihren Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas, maximal zwei Mal pro Woche Fleisch zu servieren. Die Standards seien vor zehn Jahren veröffentlicht worden, da es bis dato keine bundesweit einheitlichen Empfehlungen gab. „Bei mittlerweile bundesweit 2,3 Millionen Kindern, die in Tageseinrichtungen mittags versorgt werden, ist die Verantwortung eine große“, sagt Diplom-Ökotrophologin Sonja Fahmy, die für die DGE den Kita-Bereich verantwortet. Schließlich werde im Kindesalter der Grundstein für das Ernährungsverhalten gelegt.

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„Dabei raten wir, auf mageres Muskelfleisch zurückzugreifen, da Produkte wie etwa Hackbällchen meist einen zu hohen Fettanteil aufweisen. Selbstverständlich kann dieses magere Muskelfleisch auch vom Schwein sein“, erklärt die Ernährungsexpertin. Weißes Fleisch (Geflügel) sollte bevorzugt angeboten werden, da es unter gesundheitlichen Gesichtspunkten günstiger zu bewerten ist als rotes Fleisch (Schwein, Rind, Lamm). Kurz zusammenfassen lassen sich die Hinweise der

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also so: Wer sein Kind ausgewogen ernähren möchte, braucht nicht unbedingt Fleisch. Zwei Mal pro Woche ist völlig ausreichend. Es gelte „Klasse statt Masse“ – auch im Sinne der Nachhaltigkeit, so Fahmy.

Kita-Trägerin lehnte Halal-Kühlschrank ab

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Genau aus diesem Grund hätte sie in ihren Kindertagesstätten auch nie Schweinefleisch serviert, berichtet Jule Behrwind, die als private Trägerin mehrere Kitas in Essen betreibt. Sie ist selbst Ernährungs- und Stillberaterin und eröffnete 2008 die erste Einrichtung in Essen: „Bei uns stand zunächst der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund. Als dann immer mehr muslimische Familien zu uns kamen, hat uns das in unserer Entscheidung noch bestärkt“, sagt sie. Darüber hinaus versuchten die Einrichtungen, auch auf die religiösen Bedürfnisse einzugehen. So sei beim jüngsten Sommerfest ein eigener Halal-Grill aufgestellt worden. „Als eine Familie vor Jahren allerdings mal einen eigenen Halal-Kühlschrank in der Kita aufstellen wollte, haben wir das aber abgelehnt“, so Behrwind.

Die Awo-Kitas in Essen gehen so gut es geht auf die Wünsche ein, berichtet Andreas Lischka, der den Bereich Kindertagesstätten für den Verband verantwortet. „In all unseren Kitas wird frisch gekocht. Dadurch können wir viel leichter auf die Bedürfnisse eingehen“, sagt er. Schon bei der Anmeldung würden die Ernährungsgewohnheiten des Kindes abgefragt: Glutenunverträglichkeit, vegetarische Ernährung, Allergien – die Liste der Wünsche ist mitunter lang. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele muslimische Familien angeben, dass ihr Kind vegetarisch isst. Die meisten wollen gar nicht die Extrawurst-Rolle einnehmen“, hat Lischka beobachtet. Dem Wunsch nach Halal-Fleisch habe die Awo allerdings eine Absage erteilt – schon allein aus ethischen Gründen. Darüber hinaus versuchten die Kita-Köchinnen und -Köche, nicht zu viel Fleisch anzubieten. Das habe nicht nur gesundheitliche sondern auch umweltpolitische Gründe, so Lischka.

Caterer Apetito: Anteil von Gerichten mit Schweinefleisch liegt bei unter acht Prozent

Verena Böck vom Kita-Zweckverband mag in der aktuellen Debatte keinen Streitpunkt erkennen: „Seit Jahren bieten wir eine Ernährung ohne Schweinefleisch an, wenn die Eltern ihr Kind bei uns anmelden, das funktioniert reibungslos.“ Die 261 katholischen Kitas, die der Zweckverband aktuell im Bistum Essen zwischen Altena und Mülheim betreibt, werden von Tiefkühlkostanbieter Apetito geliefert. Schweinefleisch generell vom Speiseplan zu verbannen, stehe nicht zur Debatte, so Böck.

Apetito bestätigt den Trend zu vegetarischen Gerichten und Varianten mit Geflügel: „Allgemein kommen bei Kindern eher Menüs mit Geflügel, Rind oder auch Fisch auf den Tisch. Der Anteil an Gerichten mit Schweinefleisch liegt bei uns unter acht Prozent“, sagt Klaus Ludmann, Geschäftsführer der Apetito Kids & Schools GmbH. Viel häufiger noch würden vegetarische oder Bio-Gerichte nachgefragt. Das sei ein Trend, der sich allgemein abzeichne und auch mit den Geschmäckern von Kindern und den Empfehlungen von Ernährungswissenschaftlern zusammenhänge. Bundesweit beliefert Apetito nach eigenen Angaben 6.000 Kindertagesstätten.

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