Berlin. Aus rechtlichen und ethischen Bedenken hat sich der Deutsche Ethikrat dafür ausgesprochen, Babyklappen abzuschaffen. Viele Neugeborene würden auf diesem Weg zu anonymen Findelkindern, ohne Kenntnis ihrer Herkunft. Das Gremium ist in der heiklen Frage jedoch nicht einig.

Der Deutsche Ethikrat hat sich für eine Abschaffung der Babyklappen und der bisherigen Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen. Solche Angebote zur anonymen Kindsabgabe seien besonders deshalb ethisch und rechtlich problematisch, weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzten, heißt es in einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme. Auch habe die Erfahrung gezeigt, dass Frauen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihr Neugeborenes töten oder aussetzen, mit den Angeboten gar nicht erreicht würden.

Der Ethikrat schätzt, dass seit Einführung der Angebote zur anonymen Kindsabgabe mehr als 500 Kinder zu Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft wurden - trotz eines umfangreichen Hilfsangebots, das öffentliche Kinder- und Jugendhilfe, freie Träger und die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen für Frauen in Notlagen bereit hielten.

Beratungsangebote ausbauen

Das Gremium ruft in seiner Stellungnahme alle politisch Verantwortlichen auf, sowohl die Babyklappen als auch die Angebote zur anonymen Geburt aufzugeben. Zeitgleich müssten aber die öffentlichen Informationen über bestehende legale Hilfsangebote verstärkt werden.

Auch sei dafür zu sorgen, dass die Angebote für Schwangere und Mütter in Not - wie etwa die vertrauliche Vermittlung einer Mutter-Kind-Einrichtung oder einer Pflegestelle fürs Kind - zu jeder Tag- und Nachtzeit zu erreichen seien. Dazu müssten zum Beispiel Fachkräfte per Telefon und Internet 24 Stunden am Tag für Beratungen bereit stehen. Auch müsse bekannt gemacht werden, dass die Hilfen in Not- und Konfliktsituationen vertraulich wahrgenommen werden können.

Minderheit stimmt gegen Abschaffung

Zur Begründung seines Votums führte der Ethikrat rechtliche Argumente an. Zwar gelte in Notlagen mit unmittelbarer physischer Gefahr für Mutter und Kind für die Dauer des Notstands die Legitimation des Notstandsrechts für alle, die Hilfe leisten könnten. Auch dürfe die medizinische Betreuung einer Frau bei der Entbindung aufgrund der Hilfeleistungspflicht nicht verweigert werden, auch wenn diese ihre Identität nicht preisgebe. Das vom akuten Notfall unabhängige Angebot einer anonymen Kindesabgabe aber sei vom Notstandsrecht und der Hilfeleistungspflicht nicht gedeckt. Der Ethikrat plädiert stattdessen für ein Gesetz, das Frauen eine «vertrauliche Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung» ermöglicht.

Eine Minderheit von sechs Mitgliedern des Ethikrates sprach sich in einem Sondervotum gegen eine Abschaffung der Angebote zur anonymen Kindesabgabe aus. Sie argumentieren, dass Babyklappen und anonyme Geburt ein letzter Ausweg für jenen kleinen Kreis von Eltern und Frauen seien können, die den Weg zu den Beratungsstellen nicht finden.

Der Ethikrat besteht aus insgesamt 26 Mitgliedern, die größtenteils Wissenschaftler sind. Zu seinem gesetzlichen Auftrag gehört es unter anderem, Empfehlungen für Politik und Gesetzgebung zu erarbeiten. Der Rat ist in seiner Tätigkeit von der Bundesregierung und anderen staatlichen Stellen unabhängig. (afp)