Köln. In Köln gibt Wrestling-Marktführer WWE Nachwuchstalenten die Chance, sich für einen Kaderplatz zu empfehlen. Worauf es besonders ankommt.
„One! Two! Three! Come on, let's go!“ – mit der Tonlage eines Bundeswehrausbilders und der unerbittlichen Trillerpfeife um den Hals scheucht Matt Bloom die in grauen Shirts gekleideten Sportler durch die Traininghalle. Da wo sonst Bentleys, Corvettes, Maseratis und weitere Edel-Flitzer stehen, riecht es stechend nach Schweiß. Der Grund: Die Motorworld im Kölner Stadttteil Longerich ist Schauplatz des ersten Try-Outs des Wrestling-Marktführers WWE auf deutschem Boden.
Vier Tage lang testeten Cheftrainer Bloom und sein Kollege Robbie Brookside 44 Talente aus zwölf europäischen Ländern. Beworben hatten sich mehrere Tausend. Einige der Auserwählten haben bereits Erfahrung im Seilgeviert, andere kommen vom American Football, den Mixed Martial Arts, aus dem Basketball oder nahmen bereits an Strongmen-Turnieren teil. Was sie alle eint: Der Traum, eines Tages ein weltberühmter Profi-Showkämpfer zu werden.
Wer bei den bei den großen wöchentlichen WWE-Shows „Monday Night Raw“ und „Smackdown Live“ im Ring stehen will, muss dafür jahrelang (wenn nicht Jahrzehnte) hart an sich arbeiten. Ohne die stahlharte Schule des WWE Performance Centers in Orlando, Florida zu durchlaufen, schafft es heutzutage niemand mehr in den Hauptkader – aber auch die wenigen zu vergebenen Ausbildungsverträge sind heiß begehrt.
Neue Umgebung, neues Leben
Welche Kriterien muss ein Talent erfüllen, um auf dem Radar der Trainer zu landen? „Man muss stark und agil sein, die Augen offen und den Mund geschlossen halten“, formuliert es Brookside, selbst seit 1987 aktiv, so süffisant wie eindeutig. Und: „Man darf nicht unterschätzen, dass der Gang in die USA ein schwerer ist. Neue Umgebung, neue Mentalität und wenn du es zu uns schaffst, dann ist Wrestling dein Leben. Nicht ein Job, nicht ein Lifestyle – es gibt dann nichts anderes mehr für dich.“
Da muss auch die eigene Familie zurückstehen, wobei das für diejenigen, die sich in der Rheinmetropole über vier Tage in mehrstündigen Trainings-Drills quälen lassen, zum Teil schon Gewohnheit ist. Zum Beispiel für die 25-Jährige Amale Dib, die aus der französischen Kleinstadt Beauvais stammt: „Vor fünf Jahren habe ich mein Elternhaus verlassen und seitdem schon in ganz Frankreich, Deutschland, Niederlande und sogar Kalifornien im Ring gestanden. Meine Familie war alles andere als begeistert. Doch als Mama hörte, dass ich hier zum Try-Out eingeladen wurde, fing sie vor Freude an, zu weinen.“ Ob sie weiß, wie gering die Chance ist, es wirklich nach Orlando zu schaffen?
Faire Chancen für alle
Vor Ort sind aber auch einige, die bereits Woche für Woche auf der große Bühne zu sehen sind. Seit April 2016 tritt Thomas Pestock (34) unter seinem Ringnamen Baron Corbin bei „Raw“ und „Smackdown“ auf. Bevor er 2012 seinen Entwicklungsvertrag bei WWE unterzeichnete, kam er mit Wrestling kaum bis gar nicht in Kontakt. Stattdessen war er Profi-Footballer und wäre beinahe für die Indianapolis Colts und Arizona Cardinals in der NFL aufgelaufen – die Verträge waren unterzeichnet, ein Spiel absolvierte er allerdings nie.
Die größte Schwierigkeit bei der Umstellung vom einen Vollkontaktsport zum anderen? Pestock erklärt: „Beim Football ging es darum, zu zeigen, wie hart man ist. Niemals weinen, niemals Schwäche zeigen, niemals müde wirken. Im Wrestling läuft es genau andersherum. Hier müssen wir die Emotionen verstärkt rauslassen. So stark, dass auch die kleinsten Kinder im Publikum merken, was wir fühlen.“
Auf die Folter gespannt
Ein Beispiel, das zeigt, dass bei WWE auch Athleten ohne Wrestling-Erfahrung eine faire Chance bekommen. Noch einmal Robbie Brookside: „Wir achten stark darauf, wie die Bewerber mit unseren Ratschlägen und Kritik umgehen. Und natürlich brauchen sie eine starke Persönlichkeit, die richtige Mentalität und Charisma.“ Schließlich muss ein WWE-Superstar nicht nur über Kraft, Ausdauer und ringerisches Können verfügen, sondern im Rahmen vorgeschriebener Storys einen Charakter porträtieren, der ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt unterhält.
Und wer schafft es nun ins sonnige Florida? Das verraten die Verantwortlichen noch nicht, auch die Bewerber erfahren in Köln nichts. Bei denen, die besonders überzeugt haben und das „gewisse Etwas“ mitbringen, wird sich WWE in den kommenden Wochen melden. Vielleicht wird ja sogar ein Deutscher der „nächste Baron Corbin“ …?