Hamburg. In Hamburg liegt der größte Parkfriedhof der Welt. Helmut Schoenfeld hat ihn mitgestaltet und liebt diesen Ort der Ruhe. Eine Völkerwanderung wie noch vor 40 Jahren gibt es heute nicht mehr.
Der Totensonntag hat lange Tradition. Doch auch er hat sich verändert, hier auf dem größten Parkfriedhof der Welt, dem in Hamburg-Ohlsdorf. „Vor 40 Jahren musste die Polizei an den Ein- und Ausgängen den Verkehr regeln”, erinnert sich Helmut Schoenfeld, „so eine Völkerwanderung gibt es heute nicht mehr.” Ihm soll's recht sein: Wer den Friedhof als Gartenlandschaftsbau-Architekt 20 Jahre lang mitgestaltet hat, der hat wohl ein ähnliches Verhältnis zum Totensonntag wie ein regelmäßiger Kirchgänger zu randvollen Kirchen an Heiligabend.
Intimität und Öffentlichkeit
Helmut Schoenfeld ist so etwas wie ein guter Geist für die 391 Hektar große Ruhestätte mit ihren fast 250 000 Grabstätten. Sein Förderkreis, der er 1989 gründete, passt auf, dass die Gräber nicht verwahrlosen, die Toten und ihre Geschichten nicht in Vergessenheit geraten, dass Intimität und Öffentlichkeit gleichzeitig möglich bleiben. Für Schoenfeld ist fast jeder Tag wie Totensonntag, zumal seine Frau seit drei Jahren hier begraben ist – „natürlich in Ohlsdorf”, sagt er, als sei dieser Ort schon lange seine zweite Heimat.
„Das alles hat nichts Unheimliches, wenn man erst einmal die Hemmschwelle überwunden hat zu akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört”, findet Holger Andresen. „Hier zu sein, bringt innere Ruhe. Der Friedhof ist wie eine Oase in der hektischen Welt.” Der 61-Jährige ist wie Schoenfeld im Vorstand des Förderkreises, auch seine letzte Ruhestätte ist reserviert, auch er entdeckt noch neue schöne Fleckchen beim Spazierengehen. Mit der gleichen Begeisterung wie Schoenfeld sagt er: „Dieser Friedhof lebt.” Ohlsdorf sei das Tor zur Unterwelt, „so wie Hamburg das Tor zur Welt ist”.
Gedächtnis und Vermächtnis der Stadt Hamburg
In die stille, lebendige Oase verliebt hat Andresen sich Ende der 80er Jahre. So zufällig, wie der Tod manchmal kommt: Andresen war als fahrender Vertreter unterwegs, wollte über den Friedhof die Strecke abkürzen, verfuhr sich. Dann verlief er sich auch noch, allerdings ohne sich darüber zu ärgern. „Mit dem wunderschönen Nordteich, an dem ich geparkt habe, hat alles angefangen.” Das ist jetzt auch schon ein paar Totensonntage her. Ein gewisser Hans Albers war damals noch keine 30 Jahre in Ohlsdorf beerdigt. Mit dem Friedhof hegen und pflegen Menschen wie Schoenfeld und Andresen gleichzeitig das Gedächtnis und Vermächtnis der Stadt Hamburg. Hier ruhen auch Gustaf Gründgens, Familie Otto oder der Schriftsteller Wolfgang Borchert. Und irgendwann wird sich die grauhaarige Frau hinzu gesellen, die während einer Führung auf das Frauenporträt in einer Urnenkammer im Kolumbarium zeigte, und dann Holger Andresen fragte: „Kennen Sie die?” Es war sie selbst, sie hat reserviert. Auch so kann es gehen, wenn man erst einmal akzeptiert hat, dass der Tod zum Leben gehört.