Madrid. Naturschützer wettern gegen Stierkämpfe. Doch sie gelten als Dorfkultur. Die Lanzen-Fiesta von Tordesillas gilt als eines der grausamsten Stierspektakel Spaniens. Tierschutzvereine aus ganz Europa versuchten das „Festival des Blutes, der Folter und des Todes” zu verhindern.

In der Nacht wurde „Moscatel” von der johlenden Menge durchs Dorf gejagt. Der schwarze 540-Kilo-Stier nahm dabei einen der Dorfbuschen auf die Hörner und verletzte ihn schwer. Am nächsten Morgen schlug dann das letzte Stündchen von „Moscatel”: Mehr als 100 mit Lanzen bewaffnete Reiter stachen den Bullen, nachdem sie ihn aus dem Dorf getrieben hatten, draußen auf dem Feld zu Tode.

Höhepunkt des einwöchigen Volksfest in Tordesillas, ein 9000-Seelendorf zwei Autostunden Nahe Madrid. Die Lanzen-Fiesta namens „Toro de la Vega” zu Ehren der Schutzheiligen des Bauernnestes gilt als eines der grausamsten Stierspektakel Spaniens. Tierschutzvereine aus ganz Europa versuchten das „Festival des Blutes, der Folter und des Todes” zu verhindern. Demonstrierten in Tordesillas gegen die „beschämende Kultur der Tiermisshandlung in Spanien”. Vergeblich.

Gefeiert wie die gute, alte Tradition

„Wir lassen uns das Fest nicht kaputt machen”, sagen die Menschen im Dorf den angereisten Reportern. Das Festkomitee beruft sich derweil auf die alte „Tradition”, die seit dem Mittelalter gepflegt werde – Dorfkultur gewissermaßen. Die Regierung erhob das Lanzenspektakel gar zur „Fiesta von regionalem touristischem Interesse”. Also Tourismuswerbung auf dem Rücken der Stiere. Alleine zum Abstechen des Stieres „Moscatel” kamen 30 000 Zuschauer.

Die konservative Bürgermeisterin Milagros Zarzuelo sagt: „Das ist ein sauberes Turnier, bei dem der Stier nicht leidet.” Eine Einschätzung, welche Theo Oberhuber, Naturschützer mit österreichischen Wurzeln, die Zornesröte ins Gesicht treibt: „Das ist ein brutales und barbarisches Fest, bei dem man das Tier verfolgt und bis zum Tod attackiert.”

Proteste der Tierschützer immer heftiger

Obwohl die Proteste der Tierschützer gegen die diversen Arten der Stierkämpfe auch in Spanien immer heftiger werden, nimmt die Zahl dieser Spektakel nicht etwa ab, sondern erstaunlicherweise zu: Nach der Statistik des spanischen Innenministeriums wurden im Königreich im Jahr 2008 genau 13F349 Stiere zur Volksbelustigung abgestochen – fast 1200 mehr als im Vorjahr.

Parallel steigt auch die Zahl der Unfälle steil an. In 2009 wurden bereits acht Menschen (in ganz 2008 waren es vier) bei den so beliebten Stierhatzen durch die Dörfer und Städte getötet – darunter ein 10-jähriges Kind und ein 16-jähriger Junge.