Essen. Essen. Am 1. September treten neue Regeln für Ehescheidungen in Kraft. Die Berechnungen für den sogenannten Zugewinnausgleich und die Rentenanwartschaften wurden verändert.

Am Anfang ist es Liebe, dann Zuneigung, dann noch Respekt, schließlich eine Duldung - zum Schluss kommt die Scheidung. Für diesen Unglücksfall treten heute neue gesetzliche Regelungen in Kraft.

Die Neufassung des Scheidungsrechts ist teilweise mit einiger Rechnerei verbunden. Etwa bei der Regelung des sogenannten Zugewinnausgleichs. Bislang galt die Gleichung, dass der Ehepartner, dessen Vermögen am Ende der Ehe größer als das des Partners war, die Hälfte der Differenz überweisen musste. Betrug sie 50 000 Euro, mussten 25 000 Euro abgetreten werden. „Nach der Reform werden zu Beginn der Ehe vorhandene, im Laufe der Ehezeit jedoch abgebaute Schulden als Vermögensvorteil betrachtet”, so Wolfgang Dahlbüdding, Essener Experte für Familienrecht. Seine Modellrechnung: Ein Ehemann bringt 100 000 Euro Schulden mit in die Ehe, baut diese komplett ab und weist zum bösen Schluss 10 000 Euro Vermögen auf. Hat die Ehefrau kein Vermögen erwirtschaftet, müsste der Mann 55 000 Euro abgeben. „Weil er damit wieder in den Miesen wäre oder einen Kredit aufnehmen müsste, gilt die Regelung, dass der Ehemann seine Zahlungsverpflichtungen auf das positive Vermögen begrenzen kann, er also nur so viel abgeben muss, wie er hat”, erläutert Dahlbüdding. Die neue Berechnung führe zu gerechteren Ergebnissen, glaubt der Fachmann.

Mit der Reform erhalten beide Parteien auch Anspruch auf Auskunft über das Vermögen schon zum Zeitpunkt der Trennung. Hintergrund: Mancher Ehepartner versuchte in der Vergangenheit, bis zur Rechtskraft der Scheidung, seine Werte zu „verschleudern” oder anders beiseite zu schaffen, damit bloß nicht der oder die Ex es in die Hände bekommt. Für Dahlbüdding ist diese Neuerung nicht unbedingt eine scharfe Waffe, „vielfach lässt sich ein genauer Trennungszeitpunkt nicht festlegen oder Vermögenswerte unterliegen Schwankungen. Ein zusätzlicher Auskunftsstichtag erscheint nur auf den ersten Blick vorteilhaft für den ausgleichsberechtigten Ehepartner zu sein”.

Zum Rechenexempel entwickelte sich bislang auch die Ermittlung des Versorgungsausgleichs, also des Ausgleichs der innerhalb der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften. Gesetzliche und betriebliche Renten wurden in einen Topf geworfen und dann in einem komplizierten Verfahren ”gleichgerechnet”, um zu einem Ergebnis zu kommen. In Zukunft werden die unterschiedlichen Systeme isoliert betrachtet und die Ansprüche nach der Scheidung auch isoliert übertragen.

Darüber hinaus tritt heute das neue Familienverfahrensgesetz in Kraft. Sein Zweck lässt sich auf einen Nenner bringen: Alles aus einer Hand. Ob Scheidung, Adoption, Vormundschaft, Unterhalt oder sonstige Auseinandersetzungen unter Eheleuten. „Damit sollen Verfahren fachlich gebündelt, erleichtert und beschleunigt werden”, erklärt Dahlbüdding die Zielrichtung. In der Vergangenheit konnte es passieren, dass Eheleute zum Teil an drei verschiedenen Gerichten prozessieren mussten. Und wer bislang über Gebühr lange auf die Unterhaltszahlungen wartete oder wessen Umgangsrecht mit dem Kind durch den betreuenden Elternteil nachhaltig torpediert wurde, könnte nun schneller an sein Geld, beziehungsweise zu seinem Recht auf regelmäßigen Kontakt mit seinem Kind kommen.

Könnte – denn grau ist manche Theorie, wie der Essener Familienrechtsexperte weiß. Man müsse erst abwarten, wie sich die Reform in der Praxis bewähre.