Wichita. Im US-Bundesstaat Kansas ist ein Arzt, der in seiner Klinik Abtreibungen durchführte, beim Kirchgang erschossen worden. Der Mediziner war schon einmal Opfer eines Attentates gewesen und stand zeitweise unter Polizeischutz. Ein Verdächtiger wurde bereits gefasst.
In den USA ist der umstrittene Abtreibungsarzt George Tiller einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Nach Behördenangaben wurde Tiller am Sonntagmorgen auf dem Weg zum Gottesdienst am Eingang der Lutheranischen Kirche seines Heimatorts Wichita im US-Bundesstaat Kansas erschossen. Wenige Stunden nach der Tat nahm die Polizei einen Verdächtigen fest.
Vor dem Gottesdienst erschossen
Laut Polizei wurde Tiller am Vormittag kurz nach zehn Uhr in der Eingangshalle der lutherisch-reformierten Kirche in Wichita erschossen, wo er an einem Gottesdienst teilnehmen wollte. Der mutmaßliche Täter flüchtete zunächst in einem blauen Ford, wurde nach Angaben der städtischen Behörden aber drei Stunden später gefasst.
US-Präsident Barack Obama zeigte sich schockiert über die Tat. «Ganz gleich wie groß die Differenzen der Amerikaner bei so schwierigen Themen wie Abtreibungen sein mögen, sie können nicht durch abscheuliche Gewalttaten gelöst werden», hieß es in einer vom Weißen Haus in Washington veröffentlichten Erklärung.
Anti-Abtreibungsgruppe distanziert sich
Tillers Familie erklärte nach dem Anschlag, der Arzt habe «sein Leben dem Ziel gewidmet, Frauen trotz ständiger Drohungen und Gewalt eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu gewähren». «Wir möchten, dass er als guter Ehemann, Vater und Großvater sowie als leidenschaftlicher Diener der Frauenrechte überall in Erinnerung bleibt», zitierte der Fernsehsender KWCH TV aus der Erklärung.
Die Anti-Abtreibungsgruppe Operation Rescue, die auf ihrer Webseite in einer Rubrik namens «Tiller Watch» zum Vorgehen gegen den Mediziner aufrief, distanzierte sich in einer Erklärung von der Tat und von «Selbstjustiz».
Nicht das erste Attentat
Tiller war einer der wenigen Ärzte in den USA, die noch Spätabtreibungen vornehmen. Der 67-Jährige und seine Klinik waren wiederholt Zielscheibe militanter Abtreibungsgegner. 1986 wurde seine Klinik bei einem Bombenanschlag schwer beschädigt. Sieben Jahre später schoss eine Frau in seiner Klinik auf ihn; er überlebte mit Schusswunden in beiden Armen. Die Attentäterin erhielt elf Jahre Gefängnis. Immer wieder hielten Abtreibungsgegner vor seiner Klinik in Wichita Kundgebungen ab.
Im März wurde Tiller von dem Vorwurf freigesprochen, 2003 insgesamt 19 illegale Abtreibungen vorgenommen zu haben. Während des Prozesses wurde bekannt, dass er jahrelang unter Polizeischutz gestanden hatte, nachdem sein Name an prominenter Stelle einer Todesliste aufgetaucht war. Spätabtreibungen sind in Kansas zugelassen, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander zu dem Schluss kommen, dass die Gesundheit der Mutter bei der Geburt schweren Schaden nehmen könnte.
Die Abtreibungsdebatte wird in den USA seit Jahrzehnten heftig geführt. Obama war vor zwei Wochen von Abtreibungsgegnern kritisiert worden, nachdem er sich in einer Rede für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen hatte, zugleich aber eine Versöhnung der verfeindeten Lager forderte. Die Abtreibungsgegner empören sich zudem über die Ernennung der ehemaligen Gouverneurin von Kansas, Kathleen Sebelius, zur Gesundheitsministerin. Sie war mit dem Abtreibungsarzt Tiller bekannt. (afp)