Berlin. Zu Beginn der Badesaison schlägt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft Alarm: Kinder können immer schlechter schwimmen. Bis zu 40 Prozent der Jungen und Mädchen sind betroffen. Ein Grund: das Bädersterben der Kommunen.
Die frühsommerlichen Temperaturen ziehen in diesen Tagen viele Menschen an die Gewässer. Mancher Badende gibt sich dabei allerdings in tödliche Gefahr, denn Kinder und Senioren können nach Einschätzung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) immer schlechter schwimmen. «Neueste Schätzungen gehen von bis zu 40 Prozent der Jungen und Mädchen aus, die nicht ordentlich schwimmen können», sagt DLRG-Präsident Klaus Wilkens im ddp-Interview. Vor fünf Jahren gaben ein Drittel der Kinder und Jugendlichen an, nie richtig schwimmen gelernt zu haben.
Als einen Grund sieht Wilkens das Bädersterben in den Kommunen. Im vergangenen Jahrzehnt seien bundesweit 1500 der ehemals 8300 Bäder geschlossen worden. Rund 20 Prozent der Schulen hätten heute keinen Zugang mehr zu Schwimmhallen. Der DLRG-Chef äußerte sein Unverständnis darüber, dass in den aufgelegten Konjunkturprogrammen keine Gelder für die Sanierung von Schwimmbädern bereitgestellt worden seien. Viele Bäder stammten aus den 60er Jahren und bräuchten eine grundlegende Auffrischung. Der Finanzbedarf liege bei rund 15 Milliarden Euro. Es seien zwar vielerorts Spaßbäder gebaut worden, in denen jedoch keine Becken für einen regulären Schwimmunterricht nutzbar seien.
"Schulschimmen furchtbar abgestürzt"
Auch der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) schlägt Alarm. «Der Schulsport insgesamt, vor allem aber das Schulschwimmen ist ganz furchtbar abgestürzt. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal», sagt DSV-Vizepräsident Andreas Felchle. Ein Drittel der Schüler könne am Ende der vierten Klasse nicht schwimmen. «Es ist ein Unterschied, sich eine Viertelstunde irgendwie über Wasser zu halten oder sich über längere Zeit sicher im Wasser bewegen zu können», sagt Felchle, der auch Bürgermeister in Maulbronn in Baden-Württemberg ist.
Untersuchungen zufolge lernten nur 14 Prozent der Schüler in der Schule das Schwimmen, sagt Rüdiger Steinmetz, Präsident des Bundesfachverbandes Öffentliche Bäder. «Vor allem in Grundschulen mit einem schwierigen sozialen Umfeld und höherem Ausländeranteil sind nur wenige Kinder fit fürs tiefe Wasser», sagt er im ddp-Interview. «Viele können nicht schwimmen und trauen es sich doch zu.»
Lehrschwimmbäder saniert
Manche Städte suchen daher nach Lösungen: In Hamburg beispielsweise hat seit 2006 die Bäderland GmbH das Schulschwimmen übernommen und stellt dafür das Fachpersonal, wie Steinmetz berichtet. Die Lehrer organisieren den Transport für die jährlich 25 000 Kinder. »In Düsseldorf wurden sogenannte Lehrschwimmbäder, die vor Jahrzehnten gebaut wurden, wieder saniert und können nun von Schulen und Vereinen genutzt werden." Während Mitte der 90er Jahre 195 000 Schüler in den dortigen Bädern schwimmen lernten, sind es nun 370 000.
Mit Hilfe der DLRG lernen jährlich rund 200 000 Kinder das Schwimmen. «Wir haben jedoch zunehmend das Problem, aus Kapazitätsgründen keinen Unterricht anbieten zu können», so Wilkens.
2008 ertranken mindestens 475 Menschen
Wer nicht ordentlich schwimmen kann, begibt sich beim Baden in Flüssen und Seen in große Gefahr. 2008 ertranken mindestens 475 Menschen. Im Vergleich zu 2007 stieg die Zahl um zwölf Prozent. Weit mehr als 90 Prozent der tödlichen Badeunfälle in Deutschland ereigneten sich im vergangenen Jahr an unbewachten Stellen in Flüssen, Seen und Teichen. Dort werden etwa 5000 Badestellen bewacht. Dies reiche bei weitem nicht aus, sagte Wilkens. Seit 2001 kamen rund 4000 Männer, Frauen und Kinder beim Baden zu Tode - pro Jahr fast 500.
Sorgen bereiteten aber nicht nur die Nichtschwimmer unter den Kindern, sondern auch die Senioren, sagt Wilkens. In der Altersgruppe ab 50 nahm in den vergangenen Jahren die Zahl der Ertrunkenen zu. «Die Steigerungsrate liegt bei 15 Prozent und mehr», sagt der DLRG-Chef. 2008 ertranken 242 Männer und Frauen ab 51 Jahren, das sind 54 Prozent aller Opfer. Dabei spielten gesundheitliche Probleme eine Rolle, aber auch Leichtsinn und teilweise Alkohol. (ddp)