Wenn Herrchen oder Frauchen der Meinung sind, dass ihr Vierbeiner, obwohl Rottweiler oder Stafford Terrier, keiner Menschenseele Leid zufügen könnte und weder Maulkorb noch Leine brauche, haben sie dafür den Beweis anzutreten. Dann tritt die Behörde in Aktion, und der Amtstierarzt ist gefragt.

Hunde, von denen in den Augen des entsprechenden Landesgesetzes eine „erhöhte Gefährlichkeit” ausgeht, müssen einen Maulkorb tragen und an der Leine geführt werden.

Die WAZ hat Dr. Heinz-Jürgen Kaminski auf das Gelände des Gelsenkirchener Tierheims begleitet, wo sieben Männer und Frauen mit ihren jeweiligen Prachtexemplaren der erwähnten Rassen auf ihn warten. Sie wollen jenen Beweis antreten. Erschienen ist auch Kirsten Förster, zuständige Sachbearbeiterin im Fachbereich Öffentliche Ordnung der Stadt Herne, bei der sich die Hundehalter zu dem „Check” angemeldet hatten.

Mit Meister Milo

Und Friedhelm Milo, nach den Worten des Amtstierarztes ein ausgezeichneter Hundesachverständiger, der überdies hervorragend mit dem Menschen hinter dem jeweiligen Tier umzugehen versteht. Der 68-Jährige, in der Herner „Hair Scene” als „Meister Milo” ein Begriff, arbeitet seit vielen Jahren mit Dr. Kaminski zusammen. „Früher hatte ich selbst mal eine eigene Rottweilerzucht”, erzählt der Figaro, und in Ramstein in der Pfalz hat er einst die Hunde der US-Militärpolizei ausgebildet.

Auf dem Platz am Gelsenkirchener Tierheim, mit dem die Stadt Herne einen Kooperationsvertrag hat, überprüfen die beiden Experten die Tiere nach fünf Kriterien: Leinenführigkeit, Gehorsam, Reizbarkeit, Dominanzverhalten und Toleranzverhalten. Die Rottweiler und Staffords werden ihnen ohne Maulkorb, aber an der Leine vorgestellt. Heinz-Jürgen Kaminski und Friedhelm Milo gehen einzeln auf die Halter und ihre Hunde zu, sprechen mit dem Menschen und nehmen Kontakt zu dem Tier auf.

Mit Leine, ohne Maulkorb

Dann geht's so richtig los. Der Hund muss unter anderem an vier Artgenossen, zwei männlichen und zwei weiblichen, im Abstand von vier Metern vorbeigeführt werden, danach an kurzer Leine durch eine sich ganz normal unterhaltende Menschengruppe spazieren. Auch wird der Hund „im Abstand von zwei Metern an einem heterogeschlechtlichen Artgenossen vorbeigeführt”. Die Fachleute schauen ganz genau hin und notieren die kleinsten Auffälligkeiten.

Der allgemeinen und der speziellen Verhaltensprüfung, jeweils „mit Leine, ohne Maulkorb”, folgt die weitergehende Verhaltensprüfung, bei der auch auf die Leine verzichtet wird. Die Aufgaben sind programmiert: Das Tier muss den Anweisungen des Hundeführers Folge leisten, ohne dass Fremdkontakt besteht. Der frei laufende Hund wird gerufen, weil sich eine Menschengruppe nähert. Der frei laufende Hund darf nicht zu einem heterogeschlechtlichen Artgenossen laufen. Der nicht angeleinte Hund muss beim Hundeführer sitzen bleiben, auch wenn andere Hunde vorbeigeführt werden.

Heinz-Jürgen Kaminski und Friedhelm Milo stellen fest, ob die Aufgabe zuverlässig gelöst worden ist. Das wäre die Bestnote. „Ausreichend durchgeführt” klänge ebenfalls akzeptabel, „fehlerhaft ausgeführt” oder „nicht erfüllt” – na ja. Diesmal haben es die Prüfer nach eigener Aussage durchweg mit „angenehmen” Hunden zu tun gehabt. Einer – der Reporter nennt ihn einfach mal Felix, weil er noch so jung und deshalb so glücklich ist – wirkt noch ziemlich verspielt. Auch im zweiten Versuch denkt er gar nicht daran, das zu machen, was von ihm erwartet wird. „Macht nichts”, tröstet der Amtstierarzt sein Herrchen „ihr könnt ja noch mal wiederkommen”. Was sie auch tun wollen.

Vor neun Jahren, als verschärfte gesetzliche Bestimmungen in Kraft traten, hatte es Kirsten Förster mit einem wahren Verhaltensprüfungs-Boom zu tun. Inzwischen reicht eine einzige derartige Veranstaltung pro Jahr.

Hochachtung

„Es kommt immer wieder mal vor, dass hier Leute auftauchen, die selbst allenfalls das Wissen eines Grundschulabgängers haben, von ihrem Hund jedoch behaupten, dass er das Abitur hat, mindestens.” Hunde-Experte Friedhelm Milo hat während seiner Prüfertätigkeit viel erlebt, hat viele Menschen und viele Tiere kennen gelernt, größtenteils waren es jedoch positive Charaktere.

Von einem jener Hunde spricht Meister Milo noch nach Jahr und Tag mit einer ganz besonderen Hochachtung: „Wenn der sich hingesetzt hat, hat er immer streng darauf geachtet, dass seine Hoden nicht den Boden berührten.”