Berlin. . Passagiere haben bei langen Wartezeiten Anspruch auf Schadensersatz. Doch die wenigsten fordern ihr Recht ein. Dabei ist das gar nicht so schwer.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Millionen Deutsche haben die schönste Zeit des Jahres unter südlicher Sonne genossen und kehren entspannt nach Hause zurück. Viele mit dem Flieger. Aber Tausende mussten sich am Flughafen auch ärgern: Über verspätete oder gestrichene Flüge, die einen Teil der Erholung schon vor der Heimkehr zunichte machten.

Nach Angaben des Inkassodienstes „Fairplane“ hoben in der Reisesaison 2014 mehr als 3700 Flüge verspätet ab oder fielen aus. Was viele Fluggäste nicht wissen: Sie haben Anspruch auf eine Entschädigung. Bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden bis zu 600 Euro pro Passagier. Die Höhe der Entschädigung regelt seit 2005 die Fluggastrechte-Verordnung der EU, sie hängt von der Entfernung ab (siehe Info-Kasten).

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Doch Recht zu haben reicht nicht. Man muss es auch durchsetzen. Fairplane rechnet vor, dass geschädigte Fluggäste in der EU jedes Jahr Anspruch auf rund 760 Millionen Euro Entschädigung hätten – tatsächlich aber weniger als 40 Millionen Euro ausgezahlt bekommen. Für die Fluggesellschaften ist es ein lohnendes Geschäft, sich den Beschwerden ihrer Passagiere zu widersetzen. Nach Schätzungen von Verbraucherschützern werden etwa vier von fünf Beschwerden abgeschmettert. Oft grundlos. Ein Fünftel aller Beschwerden wird nicht einmal beantwortet.

Kostenloses Schlichtungsverfahren

Verbraucher haben allerdings einige gute Möglichkeiten, die Entschädigung zu erhalten. Zunächst sollte man es bei der Airline selbst versuchen, rät Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale in Potsdam. Entsprechende Musterformulare gibt es beim ADAC (siehe Info-Kasten). Vielleicht ist die Airline ja einsichtig. Rechnen sollte man damit nicht.

Dann folgt der nächste Schritt: Eine Beschwerde bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) empfiehlt Stiftung Warentest. Condor, Air Berlin, Ryanair und viele andere Airlines gehören dem Verein an. Seit November 2013 können Fluggäste sich hier beschweren – und auf eine außergerichtliche Einigung hoffen. Der Vorteil: Das Verfahren ist kostenlos. „Und für Verbraucher einfach“, ergänzt Reiseexpertin Fischer-Volk. Man lädt sich ein Beschwerdeformular aus dem Netz herunter und bringt entsprechende Belege bei. Bei der Schlichtungsstelle können auch Kosten für Hotelübernachtungen oder Taxifahrten eingefordert werden. Beschwerden sind der Verbraucherzentrale bislang nicht zu Ohren gekommen.

Was Verbraucher wissen sollten

Die EU-Verordnung 261/2004 gilt für Flüge innerhalb der EU, Flüge, die in der EU starten, und für Flüge europäischer Gesellschaften, die in der EU landen.

Voraussetzung: Verspätung von mehr als drei Stunden, die Fluggesellschaft muss für die Verspätung verantwortlich sein. Bei Streiks oder Unwettern etwa gilt das nicht.

Die Ansprüche können drei Jahre lang rückwirkend geltend gemacht werden: direkt bei der Airline (der ADAC stellt im Internet ein Musterformular bereit), über die Schlichtungsstelle oder spezielle Firmen wie euclaim.de, flightright.de, fairplane.de, refund.me

Das Portal vergleich.org hat die Dienste getestet.

Bleibt der Schlichtungsversuch erfolglos, können Verbraucher die nächste Stufe zünden. Jetzt geht es an die gerichtliche Durchsetzung – wenn man gute Chancen sieht. Erste Möglichkeit: der Rechtsanwalt. Das ist aber mit Kosten verbunden; auf denen man sitzenbleibt, wenn man das Verfahren verliert. Eine Alternative sind spezialisierte Inkassounternehmen wie EUclaim oder Flightright. Sie haben aus der harten Haltung der Fluggesellschaften ein Geschäftsmodell entwickelt.

Prämie im Erfolgsfall

Der Verbraucher zahlt bis zu 30 Prozent Erfolgsprämie – aber eben nur im Erfolgsfall. Die Unternehmen entscheiden selbst, ob sich eine Klage lohnt. Vorteil: Verbraucher gehen kein Kostenrisiko ein. EUclaim rühmt sich, schon 42 Millionen Euro Entschädigungen erfolgreich für Passagiere eingeklagt zu haben. Erfolgsquote nach eigenen Angaben: 97 Prozent. Verbraucherschützerin Fischer-Volk hält die privaten Geldeintreiber durchaus für empfehlenswert. Sie rät Verbrauchern aber trotzdem, sich zuerst an die kostenlose Schlichtungsstelle zu wenden, sofern die Airline Mitglied bei der SÖP ist.

Auch Stiftung Warentest rät zum Vorgehen in dieser Reihenfolge. Und ist außerdem der Meinung, „dass die Dienste nicht für jeden die richtige Adresse sind“. So nennt die Stiftung exemplarisch einen Fall, bei dem ein Dienst den Antrag des Fluggastes ablehnte, dieser aber nachher mithilfe eines Anwalts vor Gericht sehr schnell Erfolg hatte. In manchen Fällen kann also auch der Anwalt die beste Wahl sein. Die Stiftung weist außerdem darauf hin, dass die privaten Inkassodienste Kosten für Hotels, Taxis oder verloren gegangenes Gepäck nicht oder nur in Einzelfällen einklagen. Grundsätzlich aber gilt: Es lohnt sich, die Entschädigung einzufordern. War die ganze Familie auf Reisen, kommt schnell eine hübsche Summe zusammen – ein schönes Trostpflaster für die nervige Wartezeit am Flughafen.