London. . Vor genau 50 Jahren wurde „Satisfaction“ von den Rolling Stones in den USA vergoldet. Der Song brachte das Lebensgefühl der 60er auf den Punkt.
Das Mekka der Rockmusik liegt in Clearwater, US-Staat Florida. Am Swimming Pool des Fort Harrison Hotels wurde der Legende nach ein Song, ach was, der Song! geboren, der zur Hymne einer Generation wurde: „Satisfaction“. 50 Jahre ist das her, und weil das die 60er waren, an die sich keiner mehr genau erinnern kann, der wirklich dabei war, umweben Mythen den Kult. Der Ort, die Zeit, die Befindlichkeit der Schöpfer – all das verschwindet bald in einem Wust von Anekdoten.
Auf dem Band: Geschnarche
Nicht einmal die Rolling Stones sind sich einig. Keith Richards, und der sollte es eigentlich wissen!, datiert in seiner Autobiografie „Life“ die Geburt von „Satisfaction“ auf April 1965 in London. Er sei wach geworden, habe sich die Gitarre und den Kassettenrekorder gepackt, einen Riff gespielt und sei danach gleich wieder eingeschlafen. Die Aufnahme habe er dann während der Amerika-Tournee Mick Jagger vorgespielt, inklusive knappe 45 Minuten Schnarchen, die das Band nach den wenigen Tönen des Intros füllten, und der habe dann den Text geschrieben. Am Pool des Fort Harrison Hotels in Clearwater, Florida, wohin sich die Stones ziemlich unlustig zurück gezogen hatten, weil ihr Konzert am Abend vorher wegen Randale bereits nach vier Songs von der Polizei abgebrochen worden war.
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Bill Wyman wiederum erzählt in seinem Report „A Stone Alone“ eine andere Geschichte. Nicht das Fort Harrison Hotel, sondern das Gulf Motel am Coronado Drive sei der Geburtsort von „Satisfaction“. Das sollte man nicht abtun. Der ehemalige Bassist gilt als penibelster Chronist der Band. Bill Wyman notierte alles, sogar die Anzahl der Frauen, mit denen die Stones während einer Tournee schliefen, angefangen von Bill Wyman (52) bis Charlie Watts (eine – die eigene).
"Satisfaction" wurde gegen den Willen der "Rolling Stones" veröffentlicht
Das Gulf Motel ist inzwischen ein Parkplatz, aber Hardcore-Fans wie Cathy Kingsley pilgern immer noch hin. „Hier wurde ,Satisfaction’ geboren“, beteuert sie gegenüber der Tageszeitung „Tampa Bay Times“, und gern präsentiert sie Beweise. Etwa den Türschlüssel und die Glühbirne aus dem Zimmer, in dem Keith Richards wohnte. Die Fort-Harrison-Hotel-Legende ist aber auch nicht tot zu kriegen. Die Scientology-Sekte, der das Hotel heute gehört, soll den Raum im sechsten Stock, in dem der Song entstand, angeblich gleich nach der Übernahme „gesäubert“ haben, was immer das heißt.
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Wie es weiter ging, ist unumstritten. Am 10. und 12. Mai 1965 nahmen die Stones den Song auf, im Juni wurde „Satisfaction“ veröffentlicht, gegen den Willen der Band. Die hielt nicht viel von „Satisfaction“. Klingt zu sehr nach „Nowhere to Run“ von Martha and the Vandellas, einem anderen Hit aus der Zeit, glaubten sie, und Keith Richards wollte eigentlich Bläser für das Intro einsetzen, nicht den verzerrten Gitarrensound, den er – mehr aus der Not geboren – aus der gerade auf den Markt gekommenen Fuzz Box der Firma Gibson gezaubert hatte. Am Samstag vor 50 Jahren gab’s Gold in den USA, und im Juli war der Song Nr. 1 in den US-Charts. Die Stones waren plötzlich weltweite Superstars.
Das Fanal der 68er-Revolte
„,Satisfaction’ ist das typische Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Mick und mir“, schreibt Keith Richards in seiner Autobiografie: „Ich kam mit der Grundidee, und Mick übernahm dann den harten Job, nämlich die Lücken zu füllen.“ Zahllose Interpreten haben den Titel inzwischen aufgenommen, darunter großartige Interpretationen wie die Soul-Variante von Otis Redding und schreckliche Verbrechen wie das Attentat von Britney Spears. Gern wird das Stück zum einflussreichsten Rocksong aller Zeiten gewählt, und noch heute stilisieren die Chronisten der 60er „Satisfaction“ zum Fanal der Jugendrevolte. Der Text eine flammende Anklage gegen Konsumterror, der verzerrte Sound eine Fanfare des Aufbegehrens.
Wir, die wir damals vor dem Transistorradio niederknieten, haben das gleich gespürt, obendrein war es auch ziemlich egal, wo unsere Hymne geboren wurde.